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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Die Naturheilkunde in der Medizin

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GMM^eher die gerichtliche Verurteilung eiues sogenannten "Naturarztes"
berichteten die Berliner Blätter Ende Juli d. I. folgendes:

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^MDW^In Berlin ist kürzlich ein Naturarzt namens K. wegen fahr¬
lässiger Behandlung eines Kranken verurteilt worden. In der
Urteilsbegründung führte das Landgericht aus: "Ob die soge¬
nannte Naturheilmethode als ein zweckentsprechendes und auf wissenschaftlicher
Grundlage beruhendes Verfahre" anzusehen ist, kauu vollständig außer Betracht
bleiben. Der Antrag des K,, darüber das Obermedizinalkollegium zu vernehme!,,
war daher abzulehnen, da jene Naturheilmethode, von einem wissenschaftlich
gebildeten und rito geprüften Arzte ausgeführt, sehr wohl nach wissenschaft¬
lichen Prinzipien auf erprobter Grundlage gehandhabt werden kann. Nicht
darin ist ein Versehen des K. zu finden, daß er sich jener sogenannten Natnr-
heilmethode zugewandt, sondern vielmehr darin, daß er überhaupt praktische
Heilkunde ausgeübt und sich insbesondre hier zur Behandlung des I. ver¬
standen hat. Wenn auch K., seinem ursprünglichen Stande nach Lehrer, seit
fünfundzwanzig Jahren, wie er angiebt, in die medizinische Wissenschaft ein¬
zudringen versucht hat, so kauu dies bei dem heutigen verwickelten Stande
dieser Wissenschaft und in Anbetracht dessen, daß K. nicht die vorschrifts¬
mäßigen Bahnen des medizinischen Fachstudiums durchlaufen hat, nicht als
eine hinreichende Grundlage angesehen werden, dem praktischen Heilbernfe nach¬
zugehen. Er hätte die Abgabe einer Diagnose und die Behandlung des I.
ablehnen müssen und nicht intensiv wirkende, den Organismus heftig angreifende
Mittel verschreiben dürfen. Ohne Anstrengung von Aufmerksamkeit mußte K.
als begabter Mensch wissen, daß er sich nicht die geeignete wissenschaftliche
Grundlage zur Ausübung des Heilberufes erworben hatte, und daß seine
Mittel für I. die verderblichsten Folgen haben konnten. Wenn er sich trotzdem
in dieser Weise zur Behandlung des I. verstanden hat, so fällt ihm ein grobes
Versehen zu Last."

Eine Berufung des Verurteilten an das Kammergericht wurde verworfen.
Auch das Kammergericht führt in seiner Entscheidung aus: "Es ist als kein Ver¬
sehen zu erachten, wenn ein Laie sich der Ausübung der Heilkunde widmet, auch




Die Naturheilkunde in der Medizin

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GMM^eher die gerichtliche Verurteilung eiues sogenannten „Naturarztes"
berichteten die Berliner Blätter Ende Juli d. I. folgendes:

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^MDW^In Berlin ist kürzlich ein Naturarzt namens K. wegen fahr¬
lässiger Behandlung eines Kranken verurteilt worden. In der
Urteilsbegründung führte das Landgericht aus: „Ob die soge¬
nannte Naturheilmethode als ein zweckentsprechendes und auf wissenschaftlicher
Grundlage beruhendes Verfahre» anzusehen ist, kauu vollständig außer Betracht
bleiben. Der Antrag des K,, darüber das Obermedizinalkollegium zu vernehme!,,
war daher abzulehnen, da jene Naturheilmethode, von einem wissenschaftlich
gebildeten und rito geprüften Arzte ausgeführt, sehr wohl nach wissenschaft¬
lichen Prinzipien auf erprobter Grundlage gehandhabt werden kann. Nicht
darin ist ein Versehen des K. zu finden, daß er sich jener sogenannten Natnr-
heilmethode zugewandt, sondern vielmehr darin, daß er überhaupt praktische
Heilkunde ausgeübt und sich insbesondre hier zur Behandlung des I. ver¬
standen hat. Wenn auch K., seinem ursprünglichen Stande nach Lehrer, seit
fünfundzwanzig Jahren, wie er angiebt, in die medizinische Wissenschaft ein¬
zudringen versucht hat, so kauu dies bei dem heutigen verwickelten Stande
dieser Wissenschaft und in Anbetracht dessen, daß K. nicht die vorschrifts¬
mäßigen Bahnen des medizinischen Fachstudiums durchlaufen hat, nicht als
eine hinreichende Grundlage angesehen werden, dem praktischen Heilbernfe nach¬
zugehen. Er hätte die Abgabe einer Diagnose und die Behandlung des I.
ablehnen müssen und nicht intensiv wirkende, den Organismus heftig angreifende
Mittel verschreiben dürfen. Ohne Anstrengung von Aufmerksamkeit mußte K.
als begabter Mensch wissen, daß er sich nicht die geeignete wissenschaftliche
Grundlage zur Ausübung des Heilberufes erworben hatte, und daß seine
Mittel für I. die verderblichsten Folgen haben konnten. Wenn er sich trotzdem
in dieser Weise zur Behandlung des I. verstanden hat, so fällt ihm ein grobes
Versehen zu Last."

Eine Berufung des Verurteilten an das Kammergericht wurde verworfen.
Auch das Kammergericht führt in seiner Entscheidung aus: „Es ist als kein Ver¬
sehen zu erachten, wenn ein Laie sich der Ausübung der Heilkunde widmet, auch


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[0471] [Abbildung] Die Naturheilkunde in der Medizin >dz^^R!> ' >A GMM^eher die gerichtliche Verurteilung eiues sogenannten „Naturarztes" berichteten die Berliner Blätter Ende Juli d. I. folgendes: W MKW' ^MDW^In Berlin ist kürzlich ein Naturarzt namens K. wegen fahr¬ lässiger Behandlung eines Kranken verurteilt worden. In der Urteilsbegründung führte das Landgericht aus: „Ob die soge¬ nannte Naturheilmethode als ein zweckentsprechendes und auf wissenschaftlicher Grundlage beruhendes Verfahre» anzusehen ist, kauu vollständig außer Betracht bleiben. Der Antrag des K,, darüber das Obermedizinalkollegium zu vernehme!,, war daher abzulehnen, da jene Naturheilmethode, von einem wissenschaftlich gebildeten und rito geprüften Arzte ausgeführt, sehr wohl nach wissenschaft¬ lichen Prinzipien auf erprobter Grundlage gehandhabt werden kann. Nicht darin ist ein Versehen des K. zu finden, daß er sich jener sogenannten Natnr- heilmethode zugewandt, sondern vielmehr darin, daß er überhaupt praktische Heilkunde ausgeübt und sich insbesondre hier zur Behandlung des I. ver¬ standen hat. Wenn auch K., seinem ursprünglichen Stande nach Lehrer, seit fünfundzwanzig Jahren, wie er angiebt, in die medizinische Wissenschaft ein¬ zudringen versucht hat, so kauu dies bei dem heutigen verwickelten Stande dieser Wissenschaft und in Anbetracht dessen, daß K. nicht die vorschrifts¬ mäßigen Bahnen des medizinischen Fachstudiums durchlaufen hat, nicht als eine hinreichende Grundlage angesehen werden, dem praktischen Heilbernfe nach¬ zugehen. Er hätte die Abgabe einer Diagnose und die Behandlung des I. ablehnen müssen und nicht intensiv wirkende, den Organismus heftig angreifende Mittel verschreiben dürfen. Ohne Anstrengung von Aufmerksamkeit mußte K. als begabter Mensch wissen, daß er sich nicht die geeignete wissenschaftliche Grundlage zur Ausübung des Heilberufes erworben hatte, und daß seine Mittel für I. die verderblichsten Folgen haben konnten. Wenn er sich trotzdem in dieser Weise zur Behandlung des I. verstanden hat, so fällt ihm ein grobes Versehen zu Last." Eine Berufung des Verurteilten an das Kammergericht wurde verworfen. Auch das Kammergericht führt in seiner Entscheidung aus: „Es ist als kein Ver¬ sehen zu erachten, wenn ein Laie sich der Ausübung der Heilkunde widmet, auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/471>, abgerufen am 13.11.2024.