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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Das Naumburger Airschfest

schon früher gegründet hatte. Die Herzoge von Lothringen haben z. B. in
Saarburg, das sie doch schon 1472 erworben hatten, und wo man heute noch
deutsch spricht, oder in Dieuze, das sie seit 1291 besaßen, niemals die fran¬
zösische Sprache eingeführt; das geschah erst unter König Stanislaus. Beim
Bauernaufstände von 1525 stand dieses ganze Gebiet auf feiten des elscissischen
Bundes, und Dieuze, das mit der ganzen Umgebung infolge der schon er¬
wähnten Einwanderung heute ganz französisch ist, verwahrte sich im Jahre 1593
gegen Ernennung eines Pfarrers, der nicht deutsch sprach; Ende des siebzehnten
Jahrhunderts wurden amtliche Erlasse in Dieuze in beiden Sprachen ver¬
öffentlicht. Als Herzog Franz II. 1630 in Bockenheim (Saarunion) ein
Jesuitenkollegium gründete, hielt er es für nötig, das Mißtrauen der Bevölke¬
rung dadurch zu beschwichtigen, daß er die Absicht aussprach, es solle durch
diese Anstalt die deutsche Sprache gepflegt und verbreitet werden en tiivour
als lips snjst.8 allolliAuäs gui tont snviron 1e tiers ass daditantZ av Iivrrgäno.
Erst unter König Stanislaus Lesczinski wurde durch Verordnung vom
27. September 1748 sür ganz Lothringen einheitlich die französische Amts¬
sprache für die Verhandlungen und Urteile der Gerichte und für notarielle
Verbriefungen eingeführt; während noch durch Verordnung vom 10. Mai 1703
ein vereidigter Übersetzer für deutsche Schriftstücke an der <üour Louvsriüne und
der t>ng.imo-6 nes oonixtss in Nancy bestellt worden war. Noch zur Zeit der
Revolution wurde im ganzen deutschen Sprachgebiete deutsch oder in beiden
Sprachen verhandelt, und als die Nationalversammlung die Änderung der
alten Dorfimmen angeordnet hatte, die an die Feudalität oder den Aberglauben
erinnerten, da wurden urplötzlich aus uralten französischen Benennungen in
einer Reihe von Gemeinden wieder alte deutsche Ortsnamen hervorgeholt.

(Schluß folgt)




Das Naumburger Kirschfest

uf der grünen Ane deutscher Volksfeste ragen einzelne Blumen
durch Farbe, Gestalt und Größe merklich über die andern
empor. Das sind die Feste, deren Anmut, Eigenart und
Sinnigkeit die Aufmerksamkeit des Beobachters in besondern:
Maße fesselt, und deren Ruf deshalb auch über die Grenzen
der nächsten Umgebung hinausgeht. F. A. Neimann hat in seinem Buche über
"Deutsche Volksfeste im neunzehnten Jahrhundert" (Weimar, 1839) eine Reihe
solcher Feste beschrieben und sich damit um die Kenntnis der deutschen Volks¬
seele,ein Verdienst erworben. Er handelt darin auch von dem "Kirschfeste zu


Das Naumburger Airschfest

schon früher gegründet hatte. Die Herzoge von Lothringen haben z. B. in
Saarburg, das sie doch schon 1472 erworben hatten, und wo man heute noch
deutsch spricht, oder in Dieuze, das sie seit 1291 besaßen, niemals die fran¬
zösische Sprache eingeführt; das geschah erst unter König Stanislaus. Beim
Bauernaufstände von 1525 stand dieses ganze Gebiet auf feiten des elscissischen
Bundes, und Dieuze, das mit der ganzen Umgebung infolge der schon er¬
wähnten Einwanderung heute ganz französisch ist, verwahrte sich im Jahre 1593
gegen Ernennung eines Pfarrers, der nicht deutsch sprach; Ende des siebzehnten
Jahrhunderts wurden amtliche Erlasse in Dieuze in beiden Sprachen ver¬
öffentlicht. Als Herzog Franz II. 1630 in Bockenheim (Saarunion) ein
Jesuitenkollegium gründete, hielt er es für nötig, das Mißtrauen der Bevölke¬
rung dadurch zu beschwichtigen, daß er die Absicht aussprach, es solle durch
diese Anstalt die deutsche Sprache gepflegt und verbreitet werden en tiivour
als lips snjst.8 allolliAuäs gui tont snviron 1e tiers ass daditantZ av Iivrrgäno.
Erst unter König Stanislaus Lesczinski wurde durch Verordnung vom
27. September 1748 sür ganz Lothringen einheitlich die französische Amts¬
sprache für die Verhandlungen und Urteile der Gerichte und für notarielle
Verbriefungen eingeführt; während noch durch Verordnung vom 10. Mai 1703
ein vereidigter Übersetzer für deutsche Schriftstücke an der <üour Louvsriüne und
der t>ng.imo-6 nes oonixtss in Nancy bestellt worden war. Noch zur Zeit der
Revolution wurde im ganzen deutschen Sprachgebiete deutsch oder in beiden
Sprachen verhandelt, und als die Nationalversammlung die Änderung der
alten Dorfimmen angeordnet hatte, die an die Feudalität oder den Aberglauben
erinnerten, da wurden urplötzlich aus uralten französischen Benennungen in
einer Reihe von Gemeinden wieder alte deutsche Ortsnamen hervorgeholt.

(Schluß folgt)




Das Naumburger Kirschfest

uf der grünen Ane deutscher Volksfeste ragen einzelne Blumen
durch Farbe, Gestalt und Größe merklich über die andern
empor. Das sind die Feste, deren Anmut, Eigenart und
Sinnigkeit die Aufmerksamkeit des Beobachters in besondern:
Maße fesselt, und deren Ruf deshalb auch über die Grenzen
der nächsten Umgebung hinausgeht. F. A. Neimann hat in seinem Buche über
„Deutsche Volksfeste im neunzehnten Jahrhundert" (Weimar, 1839) eine Reihe
solcher Feste beschrieben und sich damit um die Kenntnis der deutschen Volks¬
seele,ein Verdienst erworben. Er handelt darin auch von dem „Kirschfeste zu


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[0374] Das Naumburger Airschfest schon früher gegründet hatte. Die Herzoge von Lothringen haben z. B. in Saarburg, das sie doch schon 1472 erworben hatten, und wo man heute noch deutsch spricht, oder in Dieuze, das sie seit 1291 besaßen, niemals die fran¬ zösische Sprache eingeführt; das geschah erst unter König Stanislaus. Beim Bauernaufstände von 1525 stand dieses ganze Gebiet auf feiten des elscissischen Bundes, und Dieuze, das mit der ganzen Umgebung infolge der schon er¬ wähnten Einwanderung heute ganz französisch ist, verwahrte sich im Jahre 1593 gegen Ernennung eines Pfarrers, der nicht deutsch sprach; Ende des siebzehnten Jahrhunderts wurden amtliche Erlasse in Dieuze in beiden Sprachen ver¬ öffentlicht. Als Herzog Franz II. 1630 in Bockenheim (Saarunion) ein Jesuitenkollegium gründete, hielt er es für nötig, das Mißtrauen der Bevölke¬ rung dadurch zu beschwichtigen, daß er die Absicht aussprach, es solle durch diese Anstalt die deutsche Sprache gepflegt und verbreitet werden en tiivour als lips snjst.8 allolliAuäs gui tont snviron 1e tiers ass daditantZ av Iivrrgäno. Erst unter König Stanislaus Lesczinski wurde durch Verordnung vom 27. September 1748 sür ganz Lothringen einheitlich die französische Amts¬ sprache für die Verhandlungen und Urteile der Gerichte und für notarielle Verbriefungen eingeführt; während noch durch Verordnung vom 10. Mai 1703 ein vereidigter Übersetzer für deutsche Schriftstücke an der <üour Louvsriüne und der t>ng.imo-6 nes oonixtss in Nancy bestellt worden war. Noch zur Zeit der Revolution wurde im ganzen deutschen Sprachgebiete deutsch oder in beiden Sprachen verhandelt, und als die Nationalversammlung die Änderung der alten Dorfimmen angeordnet hatte, die an die Feudalität oder den Aberglauben erinnerten, da wurden urplötzlich aus uralten französischen Benennungen in einer Reihe von Gemeinden wieder alte deutsche Ortsnamen hervorgeholt. (Schluß folgt) Das Naumburger Kirschfest uf der grünen Ane deutscher Volksfeste ragen einzelne Blumen durch Farbe, Gestalt und Größe merklich über die andern empor. Das sind die Feste, deren Anmut, Eigenart und Sinnigkeit die Aufmerksamkeit des Beobachters in besondern: Maße fesselt, und deren Ruf deshalb auch über die Grenzen der nächsten Umgebung hinausgeht. F. A. Neimann hat in seinem Buche über „Deutsche Volksfeste im neunzehnten Jahrhundert" (Weimar, 1839) eine Reihe solcher Feste beschrieben und sich damit um die Kenntnis der deutschen Volks¬ seele,ein Verdienst erworben. Er handelt darin auch von dem „Kirschfeste zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/374>, abgerufen am 23.07.2024.