Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Die Sprachgrenze in Lothringen durch die Domanialpüchter entstanden Neuansiedlungen in jener Gegend, so z. B. Es ist durchaus nötig, auf diese geschichtlichen Vorgänge hinzuweisen, Die Sprachgrenze in Lothringen durch die Domanialpüchter entstanden Neuansiedlungen in jener Gegend, so z. B. Es ist durchaus nötig, auf diese geschichtlichen Vorgänge hinzuweisen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0373" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290142"/> <fw type="header" place="top"> Die Sprachgrenze in Lothringen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1061" prev="#ID_1060"> durch die Domanialpüchter entstanden Neuansiedlungen in jener Gegend, so z. B.<lb/> die Dörfer Givrhcourt, Montdidier, Harpolin, Hazc des Allemands, und der<lb/> französische Sprachwinkel zwischen den Abhängen des Dvnon und Mörchiugen<lb/> ist also nicht durch eine allmähliche Einwirkung des Staatswesens oder von<lb/> Handel und Verkehr, sondern durch gewaltsame Vorgänge entstanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1062" next="#ID_1063"> Es ist durchaus nötig, auf diese geschichtlichen Vorgänge hinzuweisen,<lb/> denn ein Blick auf die Sprachgrenze müßte znnüchst die Meinung hervorrufen,<lb/> als ob die Herzoge von Lothringen weit mehr und mit größerm Erfolge als<lb/> die Bischöfe, von Metz bemüht gewesen wären, die französische Sprache zu<lb/> verbreiten. Das Gegenteil war der Fall. Den Herzogen von Lothringen<lb/> hatte von jeher die Sprachverschiedenheit in ihren zerstückten und uuzusammeu-<lb/> hüngenden Gebieten geringen Kummer bereitet. In einer 1365 ausgestellten<lb/> Urkunde, worin Herzog Johann von Lothringen seine Muhme Margarethe<lb/> von Rappoltstein auszusteuern verspricht, heißt es zwar von einer früher ge-<lb/> trvffnen Vereinbarung: in littsra, in ^äioirmte, änoatus nostri, soiliest 6a.11ioo<lb/> WNMrixtA, und man könnte daraus schließen, daß damals schon im ganzen<lb/> Herzogtume Lothringen französisch gesprochen worden sei, während doch heute<lb/> noch der größte Teil des jetzt zum Reichslnudc gehörige» ehemals lothringi¬<lb/> schen Landes deutsch spricht. Auch dieser Fall, wie die vorerwähnten alten<lb/> Tabellionenordnungen, beweist, daß die Herzoge zwischen dem eigentlichen<lb/> Ouvbv as Ilvi'1'g.in« und ihrem Besitze im deutschen Westrich stets scharf<lb/> unterschieden. Letzterer war zwar teilweise altes Hausgut dieser aus dein<lb/> Elsaß stammenden Herrscher, so insbesondre der Besitz im Trierischen, bei<lb/> Busendorf, die Herrschaft Bieses u. s. w.; ihre zusammenhänge Hauptmacht war<lb/> aber das südlich und westlich gelegne Vaudemout, das Chaumontois, das<lb/> Saulnois und das später erworbene Herzogtum Bnr, den Besitz im Westrich<lb/> nannte man das xa^s ä'^IIeiNÄgne, die xrovinos8 iilleinlinäes, KaAuss us ig,<lb/> oonronno, und dieser Besitz wurde unter dem Namen LiülligM ä'^IIönniANö<lb/> selbst dann noch gesondert verwaltet, als für das ganze Herzogtum durch den<lb/> Nürnberger Vertrag (1542) eine vom Reichskammergericht unabhängige, mit<lb/> dem Kreise nur lose verbundne Stellung ähnlich der des Burgundischen Kreises<lb/> nach langen Verhandlungen auf deu Reichstage» erstritten worden war. Die<lb/> herzoglichen Statthalter in diesen Gebieten, die ballt^s ä'^llginsMö oder, wie<lb/> sie das Volk nannte, die „Dutschbelisfen" waren fast immer deutsche Edelleute;<lb/> so ernannten auch die Bischöfe von Metz zu Statthaltern ihres xg-^s tnclssaM<lb/> meist deutsche Lehensträger, und die Kenntnis beider Sprachen wird öfters<lb/> als Beweggrund hierzu bezeichnet. Im siebzehnten Jahrhundert wurde sogar<lb/> der Versuch gemacht, aus den deutschen Gebietsteilen des Herzogtums Lothringen<lb/> ein dem Reiche unmittelbar untergeordnes „Herzogtum Saarland" zu bilden,<lb/> das unter dem unmittelbaren Schutze des deutschen Reiches stehen sollte, wie<lb/> man auch in gleicher Absicht die Reichsfürstentümer Pfalzburg und Lixheim</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0373]
Die Sprachgrenze in Lothringen
durch die Domanialpüchter entstanden Neuansiedlungen in jener Gegend, so z. B.
die Dörfer Givrhcourt, Montdidier, Harpolin, Hazc des Allemands, und der
französische Sprachwinkel zwischen den Abhängen des Dvnon und Mörchiugen
ist also nicht durch eine allmähliche Einwirkung des Staatswesens oder von
Handel und Verkehr, sondern durch gewaltsame Vorgänge entstanden.
Es ist durchaus nötig, auf diese geschichtlichen Vorgänge hinzuweisen,
denn ein Blick auf die Sprachgrenze müßte znnüchst die Meinung hervorrufen,
als ob die Herzoge von Lothringen weit mehr und mit größerm Erfolge als
die Bischöfe, von Metz bemüht gewesen wären, die französische Sprache zu
verbreiten. Das Gegenteil war der Fall. Den Herzogen von Lothringen
hatte von jeher die Sprachverschiedenheit in ihren zerstückten und uuzusammeu-
hüngenden Gebieten geringen Kummer bereitet. In einer 1365 ausgestellten
Urkunde, worin Herzog Johann von Lothringen seine Muhme Margarethe
von Rappoltstein auszusteuern verspricht, heißt es zwar von einer früher ge-
trvffnen Vereinbarung: in littsra, in ^äioirmte, änoatus nostri, soiliest 6a.11ioo
WNMrixtA, und man könnte daraus schließen, daß damals schon im ganzen
Herzogtume Lothringen französisch gesprochen worden sei, während doch heute
noch der größte Teil des jetzt zum Reichslnudc gehörige» ehemals lothringi¬
schen Landes deutsch spricht. Auch dieser Fall, wie die vorerwähnten alten
Tabellionenordnungen, beweist, daß die Herzoge zwischen dem eigentlichen
Ouvbv as Ilvi'1'g.in« und ihrem Besitze im deutschen Westrich stets scharf
unterschieden. Letzterer war zwar teilweise altes Hausgut dieser aus dein
Elsaß stammenden Herrscher, so insbesondre der Besitz im Trierischen, bei
Busendorf, die Herrschaft Bieses u. s. w.; ihre zusammenhänge Hauptmacht war
aber das südlich und westlich gelegne Vaudemout, das Chaumontois, das
Saulnois und das später erworbene Herzogtum Bnr, den Besitz im Westrich
nannte man das xa^s ä'^IIeiNÄgne, die xrovinos8 iilleinlinäes, KaAuss us ig,
oonronno, und dieser Besitz wurde unter dem Namen LiülligM ä'^IIönniANö
selbst dann noch gesondert verwaltet, als für das ganze Herzogtum durch den
Nürnberger Vertrag (1542) eine vom Reichskammergericht unabhängige, mit
dem Kreise nur lose verbundne Stellung ähnlich der des Burgundischen Kreises
nach langen Verhandlungen auf deu Reichstage» erstritten worden war. Die
herzoglichen Statthalter in diesen Gebieten, die ballt^s ä'^llginsMö oder, wie
sie das Volk nannte, die „Dutschbelisfen" waren fast immer deutsche Edelleute;
so ernannten auch die Bischöfe von Metz zu Statthaltern ihres xg-^s tnclssaM
meist deutsche Lehensträger, und die Kenntnis beider Sprachen wird öfters
als Beweggrund hierzu bezeichnet. Im siebzehnten Jahrhundert wurde sogar
der Versuch gemacht, aus den deutschen Gebietsteilen des Herzogtums Lothringen
ein dem Reiche unmittelbar untergeordnes „Herzogtum Saarland" zu bilden,
das unter dem unmittelbaren Schutze des deutschen Reiches stehen sollte, wie
man auch in gleicher Absicht die Reichsfürstentümer Pfalzburg und Lixheim
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