Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Die Aufgabe der Litteraturgeschichte erreicht worden ist: der volkswirtschaftliche Gesamterfolg ist doch nicht zu ver¬ Die Aufgabe der Litteraturgeschichte von Ernst Groth or etwa dreißig Jahren wurde den Deutschen nicht selten der Diese Thatsache ist so offenbar, daß wir von den Verlegern litterar- Die Aufgabe der Litteraturgeschichte erreicht worden ist: der volkswirtschaftliche Gesamterfolg ist doch nicht zu ver¬ Die Aufgabe der Litteraturgeschichte von Ernst Groth or etwa dreißig Jahren wurde den Deutschen nicht selten der Diese Thatsache ist so offenbar, daß wir von den Verlegern litterar- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290036"/> <fw type="header" place="top"> Die Aufgabe der Litteraturgeschichte</fw><lb/> <p xml:id="ID_741" prev="#ID_740"> erreicht worden ist: der volkswirtschaftliche Gesamterfolg ist doch nicht zu ver¬<lb/> gleichen mit den großen Fortschritten, die das deutsche Volk unter der Füh¬<lb/> rung der großen Grundherrschaft aus den ärmlichen Zuständen markgenossen¬<lb/> schaftlicher Beschränktheit bis zu den im ganzen wohlgeordneten und blühenden<lb/> Zuständen einer ersten einheitlichen Organisation der gesamten Volkskraft ge¬<lb/> macht hatte. Die Fortschritte der folgenden Zeit sind zum großen Teile nur<lb/> die Früchte jener wirtschaftlichen Erhebung des Volkes durch die Grundherr¬<lb/> schaft, auch da, wo diese selbst schließlich von ihnen überwunden wird; wie so<lb/> oft im Leben der Völker, so sind auch hier die Erzieher des Volkes entbehr¬<lb/> lich geworden, als diese Erziehung ihr Ziel erreicht hatte. Aber die sich nun<lb/> selbst überlassene Volkswirtschaft war schließlich doch nur ein Material, aus<lb/> dein Großes für des Volkes Wohlfahrt gemacht werden konnte; erst die be¬<lb/> deutenden volkswirtschaftlichen Organisationen, wie sie in der Folge im Städte-<lb/> Wesen wie in der Wirtschaftspolitik der aufstrebenden Landesherrschaft zur Aus¬<lb/> gestaltung und Wirksamkeit gelangten, haben dem deutschen Volke seine zweite<lb/> wirtschaftliche Blütezeit gebracht."</p><lb/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341853_289767/figures/grenzboten_341853_289767_290036_003.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Aufgabe der Litteraturgeschichte<lb/><note type="byline"> von Ernst Groth</note></head><lb/> <p xml:id="ID_742"> or etwa dreißig Jahren wurde den Deutschen nicht selten der<lb/> Vorwurf gemacht, daß sie lieber etwas über ihre großen<lb/> Schriftsteller lasen, als etwas von ihnen, sich eifriger mit litte¬<lb/> rarischen Abhandlungen und kritischen Waffengängen beschäftigten,<lb/> als mit dem Studium der schöpferischen Geister, und statt an<lb/> die frischen, ungetrübten Quellen der Dichtung selbst zu gehen, gleichsam den<lb/> mühelosem, aber doch zweifelhaften Trunk aus den Kanälen und Wasserleitungen<lb/> der Kritiker und Kunstphilosophen vorzögen. Dieser Vorwurf ist heutzutage<lb/> hinfällig geworden, denn das sogenannte gebildete Publikum liest jetzt weder<lb/> die großen Schriftsteller, noch liest es die Kunstrichter; die großen Schrift¬<lb/> steller hält es mit den Schuljahren für abgethan, und über die Arbeiten<lb/> der Literarhistoriker geht es unbeteiligt und verständnislos zur Tagesordnung<lb/> über, d. h. zu dem politischen, irgend welche Gedankenthätigkeit kaum bean¬<lb/> spruchenden Tagesgewäsch.</p><lb/> <p xml:id="ID_743" next="#ID_744"> Diese Thatsache ist so offenbar, daß wir von den Verlegern litterar-<lb/> geschichtlicher Untersuchungen Beweise hierfür gar nicht zu fordern brauchen.<lb/> Schwieriger ist es, die Gründe für diese Abneigung des Publikums und für</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0268]
Die Aufgabe der Litteraturgeschichte
erreicht worden ist: der volkswirtschaftliche Gesamterfolg ist doch nicht zu ver¬
gleichen mit den großen Fortschritten, die das deutsche Volk unter der Füh¬
rung der großen Grundherrschaft aus den ärmlichen Zuständen markgenossen¬
schaftlicher Beschränktheit bis zu den im ganzen wohlgeordneten und blühenden
Zuständen einer ersten einheitlichen Organisation der gesamten Volkskraft ge¬
macht hatte. Die Fortschritte der folgenden Zeit sind zum großen Teile nur
die Früchte jener wirtschaftlichen Erhebung des Volkes durch die Grundherr¬
schaft, auch da, wo diese selbst schließlich von ihnen überwunden wird; wie so
oft im Leben der Völker, so sind auch hier die Erzieher des Volkes entbehr¬
lich geworden, als diese Erziehung ihr Ziel erreicht hatte. Aber die sich nun
selbst überlassene Volkswirtschaft war schließlich doch nur ein Material, aus
dein Großes für des Volkes Wohlfahrt gemacht werden konnte; erst die be¬
deutenden volkswirtschaftlichen Organisationen, wie sie in der Folge im Städte-
Wesen wie in der Wirtschaftspolitik der aufstrebenden Landesherrschaft zur Aus¬
gestaltung und Wirksamkeit gelangten, haben dem deutschen Volke seine zweite
wirtschaftliche Blütezeit gebracht."
[Abbildung]
Die Aufgabe der Litteraturgeschichte
von Ernst Groth
or etwa dreißig Jahren wurde den Deutschen nicht selten der
Vorwurf gemacht, daß sie lieber etwas über ihre großen
Schriftsteller lasen, als etwas von ihnen, sich eifriger mit litte¬
rarischen Abhandlungen und kritischen Waffengängen beschäftigten,
als mit dem Studium der schöpferischen Geister, und statt an
die frischen, ungetrübten Quellen der Dichtung selbst zu gehen, gleichsam den
mühelosem, aber doch zweifelhaften Trunk aus den Kanälen und Wasserleitungen
der Kritiker und Kunstphilosophen vorzögen. Dieser Vorwurf ist heutzutage
hinfällig geworden, denn das sogenannte gebildete Publikum liest jetzt weder
die großen Schriftsteller, noch liest es die Kunstrichter; die großen Schrift¬
steller hält es mit den Schuljahren für abgethan, und über die Arbeiten
der Literarhistoriker geht es unbeteiligt und verständnislos zur Tagesordnung
über, d. h. zu dem politischen, irgend welche Gedankenthätigkeit kaum bean¬
spruchenden Tagesgewäsch.
Diese Thatsache ist so offenbar, daß wir von den Verlegern litterar-
geschichtlicher Untersuchungen Beweise hierfür gar nicht zu fordern brauchen.
Schwieriger ist es, die Gründe für diese Abneigung des Publikums und für
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