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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Zur deutschen Wirtschaftsgeschichte

ihrer Hand lag ja die Hauptmasse der Produktionsmittel. So entspricht denu
auch der steigenden Wichtigkeit, die die produzirende Klasse für den Erfolg
der nationalen Wirtschaft erlangt hat, ein steigender Anteil an der Rente des
Bodens und an dem Gewinne der landwirtschaftlichen Betriebe; der Gruud-
herrschaft aber bleibt eine maßgebende Rolle bei der Güterverteilung und ein
bevorzugter Anteil doch nur insoweit erhalten, als sie noch immer in hervor¬
ragender Weise an der Organisation des volkswirtschaftlichen Lebens beteiligt
ist, deu hauptsächlichsten Markt für Bvdenprodukte und Arbeitsleistungen re-
präsentirt und weithin die Funktionen der öffentlichen Gewalt versieht, von
deren gesicherter Wirksamkeit die Erfolge der nationalen Wirtschaft nicht minder
abhängen wie von dem Einsätze persönlicher Tüchtigkeit und wirksamer Pro¬
duktionsmittel/' "Welche Schicksale auch immer der große Grundbesitz in der
Folge gehabt hat, wie vieles er auch am Ende uicht geleistet hat von dem,
was die deutsche Volkswirtschaft von ihm nach den kraftvollen und frucht¬
baren Aufüngeu Gurker Karl dem Großen^ erwarten konnte: eines blieb doch
bestehen und hat sich in seinem Werte für die spätere Entwicklung der Volks¬
wirtschaft wie des Volkstums überhaupt bewährt. Die große Gruudherrschaft
hat eine wirtschaftliche Organisation des Volkes geschaffen, hat ihm damit
größere Aufgaben, höhere Ziele gesteckt und eine Art des Zusammenwirkens
zu größern wirtschaftlichen Resultaten gelehrt, die die ältere Zeit nicht ge¬
kannt hatte."

Wir dürfen also wohl sagen: An der gewaltigen Arbeit, die in der Zeit
von 800 bis 1200 Deutschland aus einer mit spärlichen Ansiedlungen durch¬
setzten Wüstenei in ein wohlangebautes und verständig bewirtschaftetes Land
verwandelt hat, gebührt den großen Grundherrschaften: Königen, Herzögen,
Grafen, Bischöfen, Adler der Anteil von Unternehmern, Lehrmeistern und
Leitern, während die ehedem gemeiufreien anfangs nur als ausführende Diener
und Werkzeuge dabei thätig sind, nach und nach aber immer selbständiger
werden, zuletzt das Werk ganz in die Hand nehmen und sich ihrer Lehrmeister
würdig zeigen. "Zu keiner Zeit ist das wirtschaftliche Leben des deutschen
Volkes so sehr sich selbst überlassen, sagt Juana, so sehr in kleinen und kleinsten
Kreisen abgeschlossen, als in der Zeit, in der die große Grundherrschaft auf¬
hörte, einen Eigenbetrieb zu führen, und anfing, ihre Verwaltung nur wie eine
Rentenanstalt zu behandeln." In der an diese Bemerkung geknüpften Schlu߬
betrachtung finden wir eine Überschätzung des durch äußern Glanz bestechenden
Erfolges der Konzentration und eine Unterschätzung des Wohlbefindens der
vielen kleinen Volksgenossen, das freilich weder durch die Pracht der Höfe, noch
durch Riesenbazarc, noch durch milliardengroße Handelsbilanzen, noch durch
riesenhafte Unternehmungen sichtbar gemacht werden kann. "Wie vieles auch in
dieser Zeit für die Verbesserung der allgemeinen Lebenslage der Bevölkerung,
für die Steigerung ihrer wirtschaftlichen Kraft und ihrer sozialen Verhältnisse


Zur deutschen Wirtschaftsgeschichte

ihrer Hand lag ja die Hauptmasse der Produktionsmittel. So entspricht denu
auch der steigenden Wichtigkeit, die die produzirende Klasse für den Erfolg
der nationalen Wirtschaft erlangt hat, ein steigender Anteil an der Rente des
Bodens und an dem Gewinne der landwirtschaftlichen Betriebe; der Gruud-
herrschaft aber bleibt eine maßgebende Rolle bei der Güterverteilung und ein
bevorzugter Anteil doch nur insoweit erhalten, als sie noch immer in hervor¬
ragender Weise an der Organisation des volkswirtschaftlichen Lebens beteiligt
ist, deu hauptsächlichsten Markt für Bvdenprodukte und Arbeitsleistungen re-
präsentirt und weithin die Funktionen der öffentlichen Gewalt versieht, von
deren gesicherter Wirksamkeit die Erfolge der nationalen Wirtschaft nicht minder
abhängen wie von dem Einsätze persönlicher Tüchtigkeit und wirksamer Pro¬
duktionsmittel/' „Welche Schicksale auch immer der große Grundbesitz in der
Folge gehabt hat, wie vieles er auch am Ende uicht geleistet hat von dem,
was die deutsche Volkswirtschaft von ihm nach den kraftvollen und frucht¬
baren Aufüngeu Gurker Karl dem Großen^ erwarten konnte: eines blieb doch
bestehen und hat sich in seinem Werte für die spätere Entwicklung der Volks¬
wirtschaft wie des Volkstums überhaupt bewährt. Die große Gruudherrschaft
hat eine wirtschaftliche Organisation des Volkes geschaffen, hat ihm damit
größere Aufgaben, höhere Ziele gesteckt und eine Art des Zusammenwirkens
zu größern wirtschaftlichen Resultaten gelehrt, die die ältere Zeit nicht ge¬
kannt hatte."

Wir dürfen also wohl sagen: An der gewaltigen Arbeit, die in der Zeit
von 800 bis 1200 Deutschland aus einer mit spärlichen Ansiedlungen durch¬
setzten Wüstenei in ein wohlangebautes und verständig bewirtschaftetes Land
verwandelt hat, gebührt den großen Grundherrschaften: Königen, Herzögen,
Grafen, Bischöfen, Adler der Anteil von Unternehmern, Lehrmeistern und
Leitern, während die ehedem gemeiufreien anfangs nur als ausführende Diener
und Werkzeuge dabei thätig sind, nach und nach aber immer selbständiger
werden, zuletzt das Werk ganz in die Hand nehmen und sich ihrer Lehrmeister
würdig zeigen. „Zu keiner Zeit ist das wirtschaftliche Leben des deutschen
Volkes so sehr sich selbst überlassen, sagt Juana, so sehr in kleinen und kleinsten
Kreisen abgeschlossen, als in der Zeit, in der die große Grundherrschaft auf¬
hörte, einen Eigenbetrieb zu führen, und anfing, ihre Verwaltung nur wie eine
Rentenanstalt zu behandeln." In der an diese Bemerkung geknüpften Schlu߬
betrachtung finden wir eine Überschätzung des durch äußern Glanz bestechenden
Erfolges der Konzentration und eine Unterschätzung des Wohlbefindens der
vielen kleinen Volksgenossen, das freilich weder durch die Pracht der Höfe, noch
durch Riesenbazarc, noch durch milliardengroße Handelsbilanzen, noch durch
riesenhafte Unternehmungen sichtbar gemacht werden kann. „Wie vieles auch in
dieser Zeit für die Verbesserung der allgemeinen Lebenslage der Bevölkerung,
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[0267] Zur deutschen Wirtschaftsgeschichte ihrer Hand lag ja die Hauptmasse der Produktionsmittel. So entspricht denu auch der steigenden Wichtigkeit, die die produzirende Klasse für den Erfolg der nationalen Wirtschaft erlangt hat, ein steigender Anteil an der Rente des Bodens und an dem Gewinne der landwirtschaftlichen Betriebe; der Gruud- herrschaft aber bleibt eine maßgebende Rolle bei der Güterverteilung und ein bevorzugter Anteil doch nur insoweit erhalten, als sie noch immer in hervor¬ ragender Weise an der Organisation des volkswirtschaftlichen Lebens beteiligt ist, deu hauptsächlichsten Markt für Bvdenprodukte und Arbeitsleistungen re- präsentirt und weithin die Funktionen der öffentlichen Gewalt versieht, von deren gesicherter Wirksamkeit die Erfolge der nationalen Wirtschaft nicht minder abhängen wie von dem Einsätze persönlicher Tüchtigkeit und wirksamer Pro¬ duktionsmittel/' „Welche Schicksale auch immer der große Grundbesitz in der Folge gehabt hat, wie vieles er auch am Ende uicht geleistet hat von dem, was die deutsche Volkswirtschaft von ihm nach den kraftvollen und frucht¬ baren Aufüngeu Gurker Karl dem Großen^ erwarten konnte: eines blieb doch bestehen und hat sich in seinem Werte für die spätere Entwicklung der Volks¬ wirtschaft wie des Volkstums überhaupt bewährt. Die große Gruudherrschaft hat eine wirtschaftliche Organisation des Volkes geschaffen, hat ihm damit größere Aufgaben, höhere Ziele gesteckt und eine Art des Zusammenwirkens zu größern wirtschaftlichen Resultaten gelehrt, die die ältere Zeit nicht ge¬ kannt hatte." Wir dürfen also wohl sagen: An der gewaltigen Arbeit, die in der Zeit von 800 bis 1200 Deutschland aus einer mit spärlichen Ansiedlungen durch¬ setzten Wüstenei in ein wohlangebautes und verständig bewirtschaftetes Land verwandelt hat, gebührt den großen Grundherrschaften: Königen, Herzögen, Grafen, Bischöfen, Adler der Anteil von Unternehmern, Lehrmeistern und Leitern, während die ehedem gemeiufreien anfangs nur als ausführende Diener und Werkzeuge dabei thätig sind, nach und nach aber immer selbständiger werden, zuletzt das Werk ganz in die Hand nehmen und sich ihrer Lehrmeister würdig zeigen. „Zu keiner Zeit ist das wirtschaftliche Leben des deutschen Volkes so sehr sich selbst überlassen, sagt Juana, so sehr in kleinen und kleinsten Kreisen abgeschlossen, als in der Zeit, in der die große Grundherrschaft auf¬ hörte, einen Eigenbetrieb zu führen, und anfing, ihre Verwaltung nur wie eine Rentenanstalt zu behandeln." In der an diese Bemerkung geknüpften Schlu߬ betrachtung finden wir eine Überschätzung des durch äußern Glanz bestechenden Erfolges der Konzentration und eine Unterschätzung des Wohlbefindens der vielen kleinen Volksgenossen, das freilich weder durch die Pracht der Höfe, noch durch Riesenbazarc, noch durch milliardengroße Handelsbilanzen, noch durch riesenhafte Unternehmungen sichtbar gemacht werden kann. „Wie vieles auch in dieser Zeit für die Verbesserung der allgemeinen Lebenslage der Bevölkerung, für die Steigerung ihrer wirtschaftlichen Kraft und ihrer sozialen Verhältnisse

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/267>, abgerufen am 23.07.2024.