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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Der Landwucher

Würden wie früher. Mit der Verschiebung des Geldwertes würde"? sich die
in Geld ausgedrückten Erzeugungskosten des inländischen Getreides, würde sich
das in Geld ausgedrückte Einkommen des inländischen Verbrauchers verschoben
haben, und wenn dem Getreide trotzdem auf künstlichem Wege derselbe Geld¬
preis erhalten geblieben wäre wie früher, so hätte er eben doch nicht dieselbe
Bedeutung wie früher. Der Preis, der früher billig und gerecht war, wäre
entweder zu niedrig für die Landwirtschaft oder zu hoch für den Verbrauch.

Im übrigen kann der Wiederhall, den der Vorschlag der süddeutschen
Adresse an Bismnrck in Norddeutschland gefunden hat, die Unterzeichner nur
freuen und sie in der Hoffnung bestärken, daß ihre Anregung weitere Kreise
zur Erwägung des Mvnopvlgedankens veranlassen werden.


I- G. weiß


Der Landwucher
(Schluß)

an glaube nicht, das; der Grnndstückswucher in dem gewerbs¬
mäßigen Ankauf vou Grundstücken zu einen: dem Werte nicht
gleichkommenden Preise (durch Benutzung der schlechten Ver¬
mögenslage des Besitzers oder ungünstiger Geschäftsverhältnisse),
verbunden mit dem spätern Verkauf zu guten Bedingungen be¬
stehe. So lange man nicht den Handel mit Grundstücken vermöge einer voll¬
ständig veränderten Auffassung von der sozialen Bedeutung des liegenschaftlichen
Besitzes überhaupt untersage" und nicht das Eigentum am unbeweglichen Gut
dem Bereich des Privatrechts entziehen und dem öffentlichen Recht unterstellen
will, so lange lassen sich solche Geschäfte rechtlich nicht bemängeln. Darum
kann anch die gewohnheitsmäßige Güterschlächterei oder das Gewerbe des
Gütermaklers, der meist eine einmalige Gebühr von einem Prozent des Gruud-
stückswertes beansprucht, nicht ohne weiteres zum Landwncher gestellt werden,
obwohl dergleichen Geschäfte häufig von Wucherern betrieben werden. Ver¬
derblich für die Landwirtschaft werden aber die Beziehungen zwischen dem
Landmann und dem Geldmann, wenn sich bei vorübergehender Not der Wirt
leichtsinnig und ohne Erfahrung dem andern Teile so in die Arme wirft, daß
dieser ihn zunächst mit Kuß empfängt und dann, indem er immer neue
Wuchergeschäfte an das erste unverfängliche anreiht, ihn schließlich fest um¬
klammert und zuletzt erdrückt. So wird ein vielleicht ganz vermögender Bauer
erst Schuldknecht dessen, der ihm mit dem auf dem Lande so oft mangelnden


Der Landwucher

Würden wie früher. Mit der Verschiebung des Geldwertes würde«? sich die
in Geld ausgedrückten Erzeugungskosten des inländischen Getreides, würde sich
das in Geld ausgedrückte Einkommen des inländischen Verbrauchers verschoben
haben, und wenn dem Getreide trotzdem auf künstlichem Wege derselbe Geld¬
preis erhalten geblieben wäre wie früher, so hätte er eben doch nicht dieselbe
Bedeutung wie früher. Der Preis, der früher billig und gerecht war, wäre
entweder zu niedrig für die Landwirtschaft oder zu hoch für den Verbrauch.

Im übrigen kann der Wiederhall, den der Vorschlag der süddeutschen
Adresse an Bismnrck in Norddeutschland gefunden hat, die Unterzeichner nur
freuen und sie in der Hoffnung bestärken, daß ihre Anregung weitere Kreise
zur Erwägung des Mvnopvlgedankens veranlassen werden.


I- G. weiß


Der Landwucher
(Schluß)

an glaube nicht, das; der Grnndstückswucher in dem gewerbs¬
mäßigen Ankauf vou Grundstücken zu einen: dem Werte nicht
gleichkommenden Preise (durch Benutzung der schlechten Ver¬
mögenslage des Besitzers oder ungünstiger Geschäftsverhältnisse),
verbunden mit dem spätern Verkauf zu guten Bedingungen be¬
stehe. So lange man nicht den Handel mit Grundstücken vermöge einer voll¬
ständig veränderten Auffassung von der sozialen Bedeutung des liegenschaftlichen
Besitzes überhaupt untersage» und nicht das Eigentum am unbeweglichen Gut
dem Bereich des Privatrechts entziehen und dem öffentlichen Recht unterstellen
will, so lange lassen sich solche Geschäfte rechtlich nicht bemängeln. Darum
kann anch die gewohnheitsmäßige Güterschlächterei oder das Gewerbe des
Gütermaklers, der meist eine einmalige Gebühr von einem Prozent des Gruud-
stückswertes beansprucht, nicht ohne weiteres zum Landwncher gestellt werden,
obwohl dergleichen Geschäfte häufig von Wucherern betrieben werden. Ver¬
derblich für die Landwirtschaft werden aber die Beziehungen zwischen dem
Landmann und dem Geldmann, wenn sich bei vorübergehender Not der Wirt
leichtsinnig und ohne Erfahrung dem andern Teile so in die Arme wirft, daß
dieser ihn zunächst mit Kuß empfängt und dann, indem er immer neue
Wuchergeschäfte an das erste unverfängliche anreiht, ihn schließlich fest um¬
klammert und zuletzt erdrückt. So wird ein vielleicht ganz vermögender Bauer
erst Schuldknecht dessen, der ihm mit dem auf dem Lande so oft mangelnden


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[0162] Der Landwucher Würden wie früher. Mit der Verschiebung des Geldwertes würde«? sich die in Geld ausgedrückten Erzeugungskosten des inländischen Getreides, würde sich das in Geld ausgedrückte Einkommen des inländischen Verbrauchers verschoben haben, und wenn dem Getreide trotzdem auf künstlichem Wege derselbe Geld¬ preis erhalten geblieben wäre wie früher, so hätte er eben doch nicht dieselbe Bedeutung wie früher. Der Preis, der früher billig und gerecht war, wäre entweder zu niedrig für die Landwirtschaft oder zu hoch für den Verbrauch. Im übrigen kann der Wiederhall, den der Vorschlag der süddeutschen Adresse an Bismnrck in Norddeutschland gefunden hat, die Unterzeichner nur freuen und sie in der Hoffnung bestärken, daß ihre Anregung weitere Kreise zur Erwägung des Mvnopvlgedankens veranlassen werden. I- G. weiß Der Landwucher (Schluß) an glaube nicht, das; der Grnndstückswucher in dem gewerbs¬ mäßigen Ankauf vou Grundstücken zu einen: dem Werte nicht gleichkommenden Preise (durch Benutzung der schlechten Ver¬ mögenslage des Besitzers oder ungünstiger Geschäftsverhältnisse), verbunden mit dem spätern Verkauf zu guten Bedingungen be¬ stehe. So lange man nicht den Handel mit Grundstücken vermöge einer voll¬ ständig veränderten Auffassung von der sozialen Bedeutung des liegenschaftlichen Besitzes überhaupt untersage» und nicht das Eigentum am unbeweglichen Gut dem Bereich des Privatrechts entziehen und dem öffentlichen Recht unterstellen will, so lange lassen sich solche Geschäfte rechtlich nicht bemängeln. Darum kann anch die gewohnheitsmäßige Güterschlächterei oder das Gewerbe des Gütermaklers, der meist eine einmalige Gebühr von einem Prozent des Gruud- stückswertes beansprucht, nicht ohne weiteres zum Landwncher gestellt werden, obwohl dergleichen Geschäfte häufig von Wucherern betrieben werden. Ver¬ derblich für die Landwirtschaft werden aber die Beziehungen zwischen dem Landmann und dem Geldmann, wenn sich bei vorübergehender Not der Wirt leichtsinnig und ohne Erfahrung dem andern Teile so in die Arme wirft, daß dieser ihn zunächst mit Kuß empfängt und dann, indem er immer neue Wuchergeschäfte an das erste unverfängliche anreiht, ihn schließlich fest um¬ klammert und zuletzt erdrückt. So wird ein vielleicht ganz vermögender Bauer erst Schuldknecht dessen, der ihm mit dem auf dem Lande so oft mangelnden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/162>, abgerufen am 13.11.2024.