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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Das Getreideeinfnhrmonovol

entstehenden Verluste sich teils durch Gewinne ein der Einfuhr, teils durch
Zahlung niedrigerer Preise uach guten Ernten wieder ausgleichen würden.

Vom landwirtschaftliche" Standpunkte kauu ich diesem Vorschlage nicht
geradezu ablehnend gegenüberstehen: die Landwirtschaft dürfte das Geschenk
einer solchen Versicherung mit Freuden annehmen, wenn es ihr in den Schoß
fiele. Aber ich bezweifle einigermaßen, ob es klug und recht wäre, wenn sie
eine so weitgehende Forderung selbst stellen wollte. Schließlich würde man
ihr nicht mit Unrecht entgegenhalten, daß ebenso gut jeder andre Beruf
vom Staat eine Schadloshaltung für Geschäftsausfälle, die er durch höhere
Gewalt erleidet, verlangen konnte. Die Landwirtschaft wird wohl zufrieden
sein müssen, durchschnittlich genügende Preise zu erhalten, und wird uach wie
vor versuchen müssen, den Ausgleich zwischen guten und schlechten Jahren selbst
zu treffen. Wenn es sich als unumgänglich notwendig erweist, die hiermit
verbundene Gefahr dem Einzelnen abzunehmen und sie auf breitere Schultern
zu legen, so werden sich hierzu Wege und Einrichtungen finden lassen. Wie
der Bauer heute gegen Hagel versichert, wird er vielleicht einst gegen jedes
Mißgeschick versichern können, das seine Ernte ganz oder teilweise vernichten
kann. Vorläufig ist, soweit meine Erfahrungen reichen, für derlei Dinge wenig
Stimmung vorhanden.

Der andre der erwähnten Punkte ist, daß der Artikel der "Berliner
Neuesten Nachrichten," wen" ich recht verstehe, die Preispolitik der Monopol-
Verwaltung nicht bloß darauf gerichtet wissen will, die vorübergehenden
Schwankungen der Getreidepreise auszugleichen, die aus der Verschiedenheit
der einzelnen Ernten, aus dem Börsenspiel der Spekulanten u. s. w. entstehen,
sondern auch darauf, die (inländischen) Preise überhaupt für längere Zeit¬
räume, vielleicht für Jahrzehnte*) annähernd festzulegen. Das geht aber in
dieser Allgemeinheit doch wohl zu weit. Wenn z. B. auf dem Weltmarkte
die Getreidepreise -- in Geld ausgedrückt -- dauernd sinken oder steigen, nicht
weil sich die Getreideproduktion unsrer Erde im Verhältnis zur Größe der
Bevölkerung vermehrt oder vermindert hat, sondern weil sich die Menge unsrer
metallenen Umlaufsmittel und damit deren Wert nicht nur gegenüber dem
Getreide, sondern gegenüber allen Gütern verändert hat, so würde es geradezu
ein verhängnisvoller Irrtum sein, im Inlande Getreidepreise aufrecht erhalten
zu wollen, die unter diesen Umständen ja nur dem Namen nach dieselben sein



Anders kann ich es nicht verstehen, wenn der Verfasser sagt: "Ein nur einiger¬
maßen gleichbleibendes Verhältnis zwischen dem Tauschwert des Geldes und des Getreides
würde mehr als jede Doppelwährung dem Arbeitslohn, dem Kapitalzins und der Grundrente
festen Wert und damit Berechenbarkeit für die Zukunft geben. Solche Berechenbarkeit ist
aber die Grundlage jedes soliden Verkehrs. Was eine Invalidenrente von zweihundert Mark
in zehn oder zwanzig Jahren wert sein wird, kann heute niemand sagen. Wüßten wir die
Preise des Korns zu diesen Zeitpunkten, so wäre es eine einigermaßen feste Grüße."
Grenzboten III 1391 2V
Das Getreideeinfnhrmonovol

entstehenden Verluste sich teils durch Gewinne ein der Einfuhr, teils durch
Zahlung niedrigerer Preise uach guten Ernten wieder ausgleichen würden.

Vom landwirtschaftliche» Standpunkte kauu ich diesem Vorschlage nicht
geradezu ablehnend gegenüberstehen: die Landwirtschaft dürfte das Geschenk
einer solchen Versicherung mit Freuden annehmen, wenn es ihr in den Schoß
fiele. Aber ich bezweifle einigermaßen, ob es klug und recht wäre, wenn sie
eine so weitgehende Forderung selbst stellen wollte. Schließlich würde man
ihr nicht mit Unrecht entgegenhalten, daß ebenso gut jeder andre Beruf
vom Staat eine Schadloshaltung für Geschäftsausfälle, die er durch höhere
Gewalt erleidet, verlangen konnte. Die Landwirtschaft wird wohl zufrieden
sein müssen, durchschnittlich genügende Preise zu erhalten, und wird uach wie
vor versuchen müssen, den Ausgleich zwischen guten und schlechten Jahren selbst
zu treffen. Wenn es sich als unumgänglich notwendig erweist, die hiermit
verbundene Gefahr dem Einzelnen abzunehmen und sie auf breitere Schultern
zu legen, so werden sich hierzu Wege und Einrichtungen finden lassen. Wie
der Bauer heute gegen Hagel versichert, wird er vielleicht einst gegen jedes
Mißgeschick versichern können, das seine Ernte ganz oder teilweise vernichten
kann. Vorläufig ist, soweit meine Erfahrungen reichen, für derlei Dinge wenig
Stimmung vorhanden.

Der andre der erwähnten Punkte ist, daß der Artikel der „Berliner
Neuesten Nachrichten," wen» ich recht verstehe, die Preispolitik der Monopol-
Verwaltung nicht bloß darauf gerichtet wissen will, die vorübergehenden
Schwankungen der Getreidepreise auszugleichen, die aus der Verschiedenheit
der einzelnen Ernten, aus dem Börsenspiel der Spekulanten u. s. w. entstehen,
sondern auch darauf, die (inländischen) Preise überhaupt für längere Zeit¬
räume, vielleicht für Jahrzehnte*) annähernd festzulegen. Das geht aber in
dieser Allgemeinheit doch wohl zu weit. Wenn z. B. auf dem Weltmarkte
die Getreidepreise — in Geld ausgedrückt — dauernd sinken oder steigen, nicht
weil sich die Getreideproduktion unsrer Erde im Verhältnis zur Größe der
Bevölkerung vermehrt oder vermindert hat, sondern weil sich die Menge unsrer
metallenen Umlaufsmittel und damit deren Wert nicht nur gegenüber dem
Getreide, sondern gegenüber allen Gütern verändert hat, so würde es geradezu
ein verhängnisvoller Irrtum sein, im Inlande Getreidepreise aufrecht erhalten
zu wollen, die unter diesen Umständen ja nur dem Namen nach dieselben sein



Anders kann ich es nicht verstehen, wenn der Verfasser sagt: „Ein nur einiger¬
maßen gleichbleibendes Verhältnis zwischen dem Tauschwert des Geldes und des Getreides
würde mehr als jede Doppelwährung dem Arbeitslohn, dem Kapitalzins und der Grundrente
festen Wert und damit Berechenbarkeit für die Zukunft geben. Solche Berechenbarkeit ist
aber die Grundlage jedes soliden Verkehrs. Was eine Invalidenrente von zweihundert Mark
in zehn oder zwanzig Jahren wert sein wird, kann heute niemand sagen. Wüßten wir die
Preise des Korns zu diesen Zeitpunkten, so wäre es eine einigermaßen feste Grüße."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/161>, abgerufen am 23.07.2024.