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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Ans dänischer Zeit

1810, ein Kriegsrat im Wende von Domingo Munoz h Cuesta und ein Boudoir
mit zwei Damen und einem Herrn in der Tracht der Empirezeit von Luis
Alvarez -- das ist so ziemlich alles, was Anspruch auf Beachtung machen
kann. Die übrigen Genremaler, die die Art Fortnnhs pflegen, wählen ihre
Stoffe meist ans dem Volksleben der Gegenwart, so Felipe Maso (der Park
Morceau in Paris und die Zitrvnenernte in San Nemo), Frances y Pascual
(ein humoristisches Straßenbild aus Granada: der Stier kommt!), Jvsv Gallegos
(Trauung in der Sakristei des Domes zu Sevilla und die Verehrung des
heiligen Sakraments) und Josv Arya y Peru (Inneres eines Studirziimuers).
Aber denselben Künstlern, die wir unter den Kleinmeistern in der Art Fortnnys
finden, begegnen wir auch unter den Geschichtsmnlern großen Stils, und diese
staunenswerte Wandlungsfähigkeit, die vornehmlich dnrch Francesco de Pradilla
und Luis Alvarez vertreten wird, ist eine Eigenschaft der spanischen Malerei, die
ihr eine Stellung im Vordergründe der >modernen Kunstbewegung erobert hat.




Aus dänischer Zeit
2. Tante Fedderseu

ir kannten sie alle, die ältliche Jungfrau mit der steife" Haltung
und dem großen Strickbeutel, und wen" wir ihr begegneten,
drückten wir uns scheu an ihr vorbei. Denn die meisten von
uus lernten bei ihr Schreiben und Lesen und kannten geuau
ihr Lineal, mit dem sie sehr rücksichtslos umzugehen Pflegte.
Wie eine Königin thronte sie in einer engen, heißen Stube, und um sie herum
saß auf kleinen Stühlen und Holzschemeln die Jugend beider Geschlechter im
Alter von drei bis sechs Jahre" und malte Striche uns die Tafel oder schrie
im Chor: n-b, ub; b-a, ba. Tante Fedderseu selbst strickte beim Unterricht
Strümpfe und Unterjacken und trug dabei eine Hornbrille ans der Nase, die
nur wie durch ein Wunder des Himmels nicht herunterfiel, sondern auf der
äußersten Spitze ihres sehr entwickelten Atmungsorgaus hing. Ich genoß
keine Unterweisung bei Taute Fedderseu, weil ich im Hause unterrichtet wurde;
als aber mein jüngerer Bruder in die Jahre kam, wo kinderreiche Eltern ihre
Sprößlinge gern für einige Zeit los sind, schickte man ihn in die Kleinkinder¬
schule. Nach einer Stunde kam er weinend wieder nngelaufeu. "Es stinkt
dort so!" erklärte er schluchzend, und erst durch vieles Zureden war er zur


Grenzboten 111 1801 17
Ans dänischer Zeit

1810, ein Kriegsrat im Wende von Domingo Munoz h Cuesta und ein Boudoir
mit zwei Damen und einem Herrn in der Tracht der Empirezeit von Luis
Alvarez — das ist so ziemlich alles, was Anspruch auf Beachtung machen
kann. Die übrigen Genremaler, die die Art Fortnnhs pflegen, wählen ihre
Stoffe meist ans dem Volksleben der Gegenwart, so Felipe Maso (der Park
Morceau in Paris und die Zitrvnenernte in San Nemo), Frances y Pascual
(ein humoristisches Straßenbild aus Granada: der Stier kommt!), Jvsv Gallegos
(Trauung in der Sakristei des Domes zu Sevilla und die Verehrung des
heiligen Sakraments) und Josv Arya y Peru (Inneres eines Studirziimuers).
Aber denselben Künstlern, die wir unter den Kleinmeistern in der Art Fortnnys
finden, begegnen wir auch unter den Geschichtsmnlern großen Stils, und diese
staunenswerte Wandlungsfähigkeit, die vornehmlich dnrch Francesco de Pradilla
und Luis Alvarez vertreten wird, ist eine Eigenschaft der spanischen Malerei, die
ihr eine Stellung im Vordergründe der >modernen Kunstbewegung erobert hat.




Aus dänischer Zeit
2. Tante Fedderseu

ir kannten sie alle, die ältliche Jungfrau mit der steife» Haltung
und dem großen Strickbeutel, und wen» wir ihr begegneten,
drückten wir uns scheu an ihr vorbei. Denn die meisten von
uus lernten bei ihr Schreiben und Lesen und kannten geuau
ihr Lineal, mit dem sie sehr rücksichtslos umzugehen Pflegte.
Wie eine Königin thronte sie in einer engen, heißen Stube, und um sie herum
saß auf kleinen Stühlen und Holzschemeln die Jugend beider Geschlechter im
Alter von drei bis sechs Jahre» und malte Striche uns die Tafel oder schrie
im Chor: n-b, ub; b-a, ba. Tante Fedderseu selbst strickte beim Unterricht
Strümpfe und Unterjacken und trug dabei eine Hornbrille ans der Nase, die
nur wie durch ein Wunder des Himmels nicht herunterfiel, sondern auf der
äußersten Spitze ihres sehr entwickelten Atmungsorgaus hing. Ich genoß
keine Unterweisung bei Taute Fedderseu, weil ich im Hause unterrichtet wurde;
als aber mein jüngerer Bruder in die Jahre kam, wo kinderreiche Eltern ihre
Sprößlinge gern für einige Zeit los sind, schickte man ihn in die Kleinkinder¬
schule. Nach einer Stunde kam er weinend wieder nngelaufeu. „Es stinkt
dort so!" erklärte er schluchzend, und erst durch vieles Zureden war er zur


Grenzboten 111 1801 17
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/137>, abgerufen am 13.11.2024.