Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die konservativen Llcmente Frankreichs on>r der großen Revolution

selben Jahre wiederholt zu außerordentlicher Tagung berufen werden. Er
gilt als versammelt, so lange nicht der Schluß oder die Vertagung durch den
Kaiser erfolgt ist. So lange er versammelt ist oder als versammelt gilt, kann
kein Mitglied wegen Verdachts eines Vergehens zur Untersuchung gezogen oder
verhaftet werden.

Die philologische wie die teleologische Betrachtung der positiven Bestim¬
mungen der Reichsverfassung führt also dazu, den Abgeordneten den Schuh
des Artikel während der Zeit der Vertilgung zu versagen. Zu demselben
Ergebnis gelangen wir, wenn wir nach dem innern Grunde des Artikel ?N
fragen; er liegt, wie wir schon angedeutet haben, nicht darin, daß die Gründer
der Verfassung die Volksvertreter zu Volkstribunen erheben wollten, sondern
darin, daß kein Abgeordneter wegen bloßen Verdachtes einer strafbaren Hand¬
lung ohne Zustimmung des Reichstages seinen: Beruf, das Volk zu vertreten,
entzogen werden soll. Diesen Beruf erfüllt er aber nur und kann er uur er¬
füllen, so lange der Reichstag tagt, nicht aber wenn er geschlossen und ebenso
wenig, wenn er vertagt ist.




Die konservativen Elemente Frankreichs vor der
großen Revolution

ugen Guglia, der sich als einen Freund des Alten bekennt,
hat vor zwei Jahren in der (mittlerweile eingegangenen) Zeit¬
schrift für Geschichte und Politik (Jahrgang 1888, Heft 11"
einen sehr interessanten Aufsatz über die ersten litterarischen Gegner
der Revolution in Deutschland veröffentlicht, dem er nun eine
umfassende Arbeit in Buchform, das Ergebnis langjähriger Studien, folgen
läßt: Die konservativen Elemente Frankreichs am Vorabend der Re¬
volution. Zustande und Personen. (Gotha, F. A. Perthes, 1890.) Der erste
Band von Taines großem Werke erfährt dadurch eine wertvolle Ergänzung,
die aber für den Historiker wichtiger ist als für den Politiker; denn jenem
verhilft sie zu eiuer gerechteren Würdigung des alten Frankreichs, indem sie
ihm den Schatz edler Gesinnung, guter Sitte und echter Weisheit zeigt, den
zahlreiche Vertreter aller Stände der Sittenverderbnis und den Verstnndes-
verirruugeu zum Trotz "och bewahrt hatten, dieser aber erfährt über die Ur-


Die konservativen Llcmente Frankreichs on>r der großen Revolution

selben Jahre wiederholt zu außerordentlicher Tagung berufen werden. Er
gilt als versammelt, so lange nicht der Schluß oder die Vertagung durch den
Kaiser erfolgt ist. So lange er versammelt ist oder als versammelt gilt, kann
kein Mitglied wegen Verdachts eines Vergehens zur Untersuchung gezogen oder
verhaftet werden.

Die philologische wie die teleologische Betrachtung der positiven Bestim¬
mungen der Reichsverfassung führt also dazu, den Abgeordneten den Schuh
des Artikel während der Zeit der Vertilgung zu versagen. Zu demselben
Ergebnis gelangen wir, wenn wir nach dem innern Grunde des Artikel ?N
fragen; er liegt, wie wir schon angedeutet haben, nicht darin, daß die Gründer
der Verfassung die Volksvertreter zu Volkstribunen erheben wollten, sondern
darin, daß kein Abgeordneter wegen bloßen Verdachtes einer strafbaren Hand¬
lung ohne Zustimmung des Reichstages seinen: Beruf, das Volk zu vertreten,
entzogen werden soll. Diesen Beruf erfüllt er aber nur und kann er uur er¬
füllen, so lange der Reichstag tagt, nicht aber wenn er geschlossen und ebenso
wenig, wenn er vertagt ist.




Die konservativen Elemente Frankreichs vor der
großen Revolution

ugen Guglia, der sich als einen Freund des Alten bekennt,
hat vor zwei Jahren in der (mittlerweile eingegangenen) Zeit¬
schrift für Geschichte und Politik (Jahrgang 1888, Heft 11»
einen sehr interessanten Aufsatz über die ersten litterarischen Gegner
der Revolution in Deutschland veröffentlicht, dem er nun eine
umfassende Arbeit in Buchform, das Ergebnis langjähriger Studien, folgen
läßt: Die konservativen Elemente Frankreichs am Vorabend der Re¬
volution. Zustande und Personen. (Gotha, F. A. Perthes, 1890.) Der erste
Band von Taines großem Werke erfährt dadurch eine wertvolle Ergänzung,
die aber für den Historiker wichtiger ist als für den Politiker; denn jenem
verhilft sie zu eiuer gerechteren Würdigung des alten Frankreichs, indem sie
ihm den Schatz edler Gesinnung, guter Sitte und echter Weisheit zeigt, den
zahlreiche Vertreter aller Stände der Sittenverderbnis und den Verstnndes-
verirruugeu zum Trotz »och bewahrt hatten, dieser aber erfährt über die Ur-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209584"/>
          <fw type="header" place="top"> Die konservativen Llcmente Frankreichs on&gt;r der großen Revolution</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_989" prev="#ID_988"> selben Jahre wiederholt zu außerordentlicher Tagung berufen werden. Er<lb/>
gilt als versammelt, so lange nicht der Schluß oder die Vertagung durch den<lb/>
Kaiser erfolgt ist. So lange er versammelt ist oder als versammelt gilt, kann<lb/>
kein Mitglied wegen Verdachts eines Vergehens zur Untersuchung gezogen oder<lb/>
verhaftet werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_990"> Die philologische wie die teleologische Betrachtung der positiven Bestim¬<lb/>
mungen der Reichsverfassung führt also dazu, den Abgeordneten den Schuh<lb/>
des Artikel während der Zeit der Vertilgung zu versagen. Zu demselben<lb/>
Ergebnis gelangen wir, wenn wir nach dem innern Grunde des Artikel ?N<lb/>
fragen; er liegt, wie wir schon angedeutet haben, nicht darin, daß die Gründer<lb/>
der Verfassung die Volksvertreter zu Volkstribunen erheben wollten, sondern<lb/>
darin, daß kein Abgeordneter wegen bloßen Verdachtes einer strafbaren Hand¬<lb/>
lung ohne Zustimmung des Reichstages seinen: Beruf, das Volk zu vertreten,<lb/>
entzogen werden soll. Diesen Beruf erfüllt er aber nur und kann er uur er¬<lb/>
füllen, so lange der Reichstag tagt, nicht aber wenn er geschlossen und ebenso<lb/>
wenig, wenn er vertagt ist.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die konservativen Elemente Frankreichs vor der<lb/>
großen Revolution</head><lb/>
          <p xml:id="ID_991" next="#ID_992"> ugen Guglia, der sich als einen Freund des Alten bekennt,<lb/>
hat vor zwei Jahren in der (mittlerweile eingegangenen) Zeit¬<lb/>
schrift für Geschichte und Politik (Jahrgang 1888, Heft 11»<lb/>
einen sehr interessanten Aufsatz über die ersten litterarischen Gegner<lb/>
der Revolution in Deutschland veröffentlicht, dem er nun eine<lb/>
umfassende Arbeit in Buchform, das Ergebnis langjähriger Studien, folgen<lb/>
läßt: Die konservativen Elemente Frankreichs am Vorabend der Re¬<lb/>
volution. Zustande und Personen. (Gotha, F. A. Perthes, 1890.) Der erste<lb/>
Band von Taines großem Werke erfährt dadurch eine wertvolle Ergänzung,<lb/>
die aber für den Historiker wichtiger ist als für den Politiker; denn jenem<lb/>
verhilft sie zu eiuer gerechteren Würdigung des alten Frankreichs, indem sie<lb/>
ihm den Schatz edler Gesinnung, guter Sitte und echter Weisheit zeigt, den<lb/>
zahlreiche Vertreter aller Stände der Sittenverderbnis und den Verstnndes-<lb/>
verirruugeu zum Trotz »och bewahrt hatten, dieser aber erfährt über die Ur-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0351] Die konservativen Llcmente Frankreichs on>r der großen Revolution selben Jahre wiederholt zu außerordentlicher Tagung berufen werden. Er gilt als versammelt, so lange nicht der Schluß oder die Vertagung durch den Kaiser erfolgt ist. So lange er versammelt ist oder als versammelt gilt, kann kein Mitglied wegen Verdachts eines Vergehens zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden. Die philologische wie die teleologische Betrachtung der positiven Bestim¬ mungen der Reichsverfassung führt also dazu, den Abgeordneten den Schuh des Artikel während der Zeit der Vertilgung zu versagen. Zu demselben Ergebnis gelangen wir, wenn wir nach dem innern Grunde des Artikel ?N fragen; er liegt, wie wir schon angedeutet haben, nicht darin, daß die Gründer der Verfassung die Volksvertreter zu Volkstribunen erheben wollten, sondern darin, daß kein Abgeordneter wegen bloßen Verdachtes einer strafbaren Hand¬ lung ohne Zustimmung des Reichstages seinen: Beruf, das Volk zu vertreten, entzogen werden soll. Diesen Beruf erfüllt er aber nur und kann er uur er¬ füllen, so lange der Reichstag tagt, nicht aber wenn er geschlossen und ebenso wenig, wenn er vertagt ist. Die konservativen Elemente Frankreichs vor der großen Revolution ugen Guglia, der sich als einen Freund des Alten bekennt, hat vor zwei Jahren in der (mittlerweile eingegangenen) Zeit¬ schrift für Geschichte und Politik (Jahrgang 1888, Heft 11» einen sehr interessanten Aufsatz über die ersten litterarischen Gegner der Revolution in Deutschland veröffentlicht, dem er nun eine umfassende Arbeit in Buchform, das Ergebnis langjähriger Studien, folgen läßt: Die konservativen Elemente Frankreichs am Vorabend der Re¬ volution. Zustande und Personen. (Gotha, F. A. Perthes, 1890.) Der erste Band von Taines großem Werke erfährt dadurch eine wertvolle Ergänzung, die aber für den Historiker wichtiger ist als für den Politiker; denn jenem verhilft sie zu eiuer gerechteren Würdigung des alten Frankreichs, indem sie ihm den Schatz edler Gesinnung, guter Sitte und echter Weisheit zeigt, den zahlreiche Vertreter aller Stände der Sittenverderbnis und den Verstnndes- verirruugeu zum Trotz »och bewahrt hatten, dieser aber erfährt über die Ur-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/351
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/351>, abgerufen am 22.07.2024.