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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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T>le Seefischerei von Neufundland
von Gustav Zacher

le schon seit Jahrhunderte" schwebende und in den letzten Jahr¬
zehnten so häufig brennend gewordene Neufundlandfrage scheint
nun endlich durch einen Vergleich beigelegt werden zu sollen.

M^.'Neufundland, eine Insel von der Größe Englands, wurde
unter der Regierung Heinrichs des Siebenten von England ent¬
deckt und unter Elisabeth dann auch förmlich dem englischen Staatengebiete
einverleibt. Von jeher lag der Hauptwert der Insel auf dem an ihren Küsten
und auf den ausgedehnten Bänken betriebene Stocksischsang, zu dem sich be¬
reits im Jahre 1580 300 bis 400 Boote der verschiedensten Nationen ein-
fanden, ohne sich um die Besiedelung dieser großen Inseln auch nur im ent¬
ferntesten zu bekümmern. Ja man vermied sogar eine stärkere Kolonisation
in der falschen Annahme, daß man sich dadurch selbst eine gefährliche Kon¬
kurrenz in der einheimischen Bevölkerung aufziehen würde.

Unter jenen Nationen befanden sich nun auch französische Fischer aus
der Bretagne und der Normandie, und um ihnen einen Anteil an dem ge¬
waltigen Neichtume der Neufundlaudfischerei zu sichern, bewog die französische
Regierung 1635 England zu einem Vertrag, wonach gegen eine Abgabe von
fünf Prozent den französischen Fischern gestattet wurde, nicht nur auf den
internationalen Bänken, sondern längs einer 700 englischen Meilen langen
Strecke der Westküste zu fischen und an der Küste die Ausbeute zu trocknen.
Seit dieser Zeit führte dieser Teil der Küste den Namen "French-Shore."
Damit war der Grund zu jenem eigentümlichen Fischerei- und Besitzverhält¬
nisse auf Neufundland und auch zu fortwährenden Verwicklungen gelegt.

1713 im Utrechter Frieden behauptete Frankreich trotz seiner Niederlagen
zäh seine Privilegien und befestigte sie noch wesentlich 1765 durch den Er¬
werb von Se. Pierre und Miquelon. Auch 1783, als die gegenseitigen Über¬
griffe beinahe zu politischen Verwicklungen geführt hatten, wurde alles auf
dem alten Fuße gelassen, nur daß in streitigen Fällen der König von Eng¬
land als Schiedsrichter anerkannt werden sollte. So blieb es denn auch noch
1815 bei dem Pariser Frieden. Bei allen diesen wiederholten Abmachungen
brauchte man auf die unbedeutende einheimische Kolonistenbevölkerung keine




T>le Seefischerei von Neufundland
von Gustav Zacher

le schon seit Jahrhunderte» schwebende und in den letzten Jahr¬
zehnten so häufig brennend gewordene Neufundlandfrage scheint
nun endlich durch einen Vergleich beigelegt werden zu sollen.

M^.'Neufundland, eine Insel von der Größe Englands, wurde
unter der Regierung Heinrichs des Siebenten von England ent¬
deckt und unter Elisabeth dann auch förmlich dem englischen Staatengebiete
einverleibt. Von jeher lag der Hauptwert der Insel auf dem an ihren Küsten
und auf den ausgedehnten Bänken betriebene Stocksischsang, zu dem sich be¬
reits im Jahre 1580 300 bis 400 Boote der verschiedensten Nationen ein-
fanden, ohne sich um die Besiedelung dieser großen Inseln auch nur im ent¬
ferntesten zu bekümmern. Ja man vermied sogar eine stärkere Kolonisation
in der falschen Annahme, daß man sich dadurch selbst eine gefährliche Kon¬
kurrenz in der einheimischen Bevölkerung aufziehen würde.

Unter jenen Nationen befanden sich nun auch französische Fischer aus
der Bretagne und der Normandie, und um ihnen einen Anteil an dem ge¬
waltigen Neichtume der Neufundlaudfischerei zu sichern, bewog die französische
Regierung 1635 England zu einem Vertrag, wonach gegen eine Abgabe von
fünf Prozent den französischen Fischern gestattet wurde, nicht nur auf den
internationalen Bänken, sondern längs einer 700 englischen Meilen langen
Strecke der Westküste zu fischen und an der Küste die Ausbeute zu trocknen.
Seit dieser Zeit führte dieser Teil der Küste den Namen „French-Shore."
Damit war der Grund zu jenem eigentümlichen Fischerei- und Besitzverhält¬
nisse auf Neufundland und auch zu fortwährenden Verwicklungen gelegt.

1713 im Utrechter Frieden behauptete Frankreich trotz seiner Niederlagen
zäh seine Privilegien und befestigte sie noch wesentlich 1765 durch den Er¬
werb von Se. Pierre und Miquelon. Auch 1783, als die gegenseitigen Über¬
griffe beinahe zu politischen Verwicklungen geführt hatten, wurde alles auf
dem alten Fuße gelassen, nur daß in streitigen Fällen der König von Eng¬
land als Schiedsrichter anerkannt werden sollte. So blieb es denn auch noch
1815 bei dem Pariser Frieden. Bei allen diesen wiederholten Abmachungen
brauchte man auf die unbedeutende einheimische Kolonistenbevölkerung keine


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[0195] [Abbildung] T>le Seefischerei von Neufundland von Gustav Zacher le schon seit Jahrhunderte» schwebende und in den letzten Jahr¬ zehnten so häufig brennend gewordene Neufundlandfrage scheint nun endlich durch einen Vergleich beigelegt werden zu sollen. M^.'Neufundland, eine Insel von der Größe Englands, wurde unter der Regierung Heinrichs des Siebenten von England ent¬ deckt und unter Elisabeth dann auch förmlich dem englischen Staatengebiete einverleibt. Von jeher lag der Hauptwert der Insel auf dem an ihren Küsten und auf den ausgedehnten Bänken betriebene Stocksischsang, zu dem sich be¬ reits im Jahre 1580 300 bis 400 Boote der verschiedensten Nationen ein- fanden, ohne sich um die Besiedelung dieser großen Inseln auch nur im ent¬ ferntesten zu bekümmern. Ja man vermied sogar eine stärkere Kolonisation in der falschen Annahme, daß man sich dadurch selbst eine gefährliche Kon¬ kurrenz in der einheimischen Bevölkerung aufziehen würde. Unter jenen Nationen befanden sich nun auch französische Fischer aus der Bretagne und der Normandie, und um ihnen einen Anteil an dem ge¬ waltigen Neichtume der Neufundlaudfischerei zu sichern, bewog die französische Regierung 1635 England zu einem Vertrag, wonach gegen eine Abgabe von fünf Prozent den französischen Fischern gestattet wurde, nicht nur auf den internationalen Bänken, sondern längs einer 700 englischen Meilen langen Strecke der Westküste zu fischen und an der Küste die Ausbeute zu trocknen. Seit dieser Zeit führte dieser Teil der Küste den Namen „French-Shore." Damit war der Grund zu jenem eigentümlichen Fischerei- und Besitzverhält¬ nisse auf Neufundland und auch zu fortwährenden Verwicklungen gelegt. 1713 im Utrechter Frieden behauptete Frankreich trotz seiner Niederlagen zäh seine Privilegien und befestigte sie noch wesentlich 1765 durch den Er¬ werb von Se. Pierre und Miquelon. Auch 1783, als die gegenseitigen Über¬ griffe beinahe zu politischen Verwicklungen geführt hatten, wurde alles auf dem alten Fuße gelassen, nur daß in streitigen Fällen der König von Eng¬ land als Schiedsrichter anerkannt werden sollte. So blieb es denn auch noch 1815 bei dem Pariser Frieden. Bei allen diesen wiederholten Abmachungen brauchte man auf die unbedeutende einheimische Kolonistenbevölkerung keine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/195>, abgerufen am 22.07.2024.