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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Seefischerei von Neufundland

Rücksicht zu nehmen; war sie doch Allfang dieses Jahrhunderts, nachdem 1818
bereits der Sitz des Gouverneurs nach der Insel verlegt war, knapp auf
10 000 Seelen gewachsen, die allerdings nur an der Küste lebten.

Das Innere des Landes hatte bis 1822 kein Weißer betreten, sodaß man
nicht die geringste Vorstellung von seinen Reichtümern hatte. Erst Sir John
Glover, der 1378 Gouverneur war, unternahm eine Durchforschung des Landes,
das keineswegs, wie man sich meist vorstellt, von ewigen Nebeln verhüllt ist,
und fand im Innern nicht nur große, fischreiche Seen und Wälder mit wert¬
vollen Schiffshölzern und ackerbares Land, sondern auch zahlreiche Mineral¬
lager von Gold, Kupfer, Blei, Marmor und Kohle.

Mit der allmählichen Zunahme der Bevölkerung, hauptsächlich durch
Einwanderung aus England, fühlte sich aber die Insel in ihrer Haupt¬
beschäftigung, dem Fischfang, durch die unbequemen und in herausfordernder
Form ausgeübten Privilegien der stammesfremden Franzosen oft tief verletzt,
zumal dn trotz aller Aufforderungen der beschädigten einheimischen Bevölkerung
England nicht die zum Schutze notwendigen Kreuzer entsendete. So wuchs
besonders in dieser Zeit von 1815 bis 1841 der Übermut der französischen
Fischer auf das Höchste, sodaß sie sich auch nach Labrador hin Übergriffe zu
Schulden kommen ließen.

Als dann endlich 1841 auch englische 5Üreuzer in diesen Meeren erschienen,
fand die einheimische Bevölkerung doch nicht ihr Recht, da die Kapitäne von
der englischen Regierung angewiesen waren, jeden Anlaß zu einem neuen Zu¬
sammenstoß zu vermeiden. Welchen Umfang der Unfug, den die französischen
Fischer trieben, allmählich angenommen hatte, beweisen die amtlichen Mit¬
teilungen des englischen Kreuzerkapitäus Kennedy, die vor fünf Jahren ver¬
öffentlicht wurden: die englische Regierung hatte befohlen, daß innerhalb einer
halben Meile von der Flutgrenze die French-Shore als den französischen An¬
sprüchen unterworfen anzusehen sei. Dieses ganz freiwillige Entgegenkommen
Englands mißbrauchten die Franzosen, indem sie erstens an einer ganzen An¬
zahl von Stellen die französische Flagge aufzogen, sie allerdings auf englische
Aufforderung sofort wieder niederließen, daß sie serner auch über jene Grenzen
hinaus durch die Absperrung der lachsreichen Küstenflüsse mit Grundnetzen
den ganzen Fischbestand durch diese unverschämte Naubsischerei auf Jahre hin¬
aus vernichteten, obgleich ihnen vertragsmäßig nur der Stocksischsang zustand.
Alles der Aulnge eines Bahnhofes für die Verbindungsbahn der Orte um der
Westküste, sowie dem Betriebe einer Mine bei Port-an-port in der Nähe ihrer
Küstenstrecken setzten sie einen ganz grundlosen und daher um so beleidigendereil
Widerstand entgegen. Ja, obgleich auch der Hummernfaug nicht zu ihren
Privilegien gehört, verlangten sie doch die Schließung zweier Konservirungs-
fcibriken in Se. Barbe und ebenso die Auflassung einer Kupfermine bei Mings-
Right, ohne freilich mit ihren Ansprüchen durchzuringen. Auch auf offenem


Die Seefischerei von Neufundland

Rücksicht zu nehmen; war sie doch Allfang dieses Jahrhunderts, nachdem 1818
bereits der Sitz des Gouverneurs nach der Insel verlegt war, knapp auf
10 000 Seelen gewachsen, die allerdings nur an der Küste lebten.

Das Innere des Landes hatte bis 1822 kein Weißer betreten, sodaß man
nicht die geringste Vorstellung von seinen Reichtümern hatte. Erst Sir John
Glover, der 1378 Gouverneur war, unternahm eine Durchforschung des Landes,
das keineswegs, wie man sich meist vorstellt, von ewigen Nebeln verhüllt ist,
und fand im Innern nicht nur große, fischreiche Seen und Wälder mit wert¬
vollen Schiffshölzern und ackerbares Land, sondern auch zahlreiche Mineral¬
lager von Gold, Kupfer, Blei, Marmor und Kohle.

Mit der allmählichen Zunahme der Bevölkerung, hauptsächlich durch
Einwanderung aus England, fühlte sich aber die Insel in ihrer Haupt¬
beschäftigung, dem Fischfang, durch die unbequemen und in herausfordernder
Form ausgeübten Privilegien der stammesfremden Franzosen oft tief verletzt,
zumal dn trotz aller Aufforderungen der beschädigten einheimischen Bevölkerung
England nicht die zum Schutze notwendigen Kreuzer entsendete. So wuchs
besonders in dieser Zeit von 1815 bis 1841 der Übermut der französischen
Fischer auf das Höchste, sodaß sie sich auch nach Labrador hin Übergriffe zu
Schulden kommen ließen.

Als dann endlich 1841 auch englische 5Üreuzer in diesen Meeren erschienen,
fand die einheimische Bevölkerung doch nicht ihr Recht, da die Kapitäne von
der englischen Regierung angewiesen waren, jeden Anlaß zu einem neuen Zu¬
sammenstoß zu vermeiden. Welchen Umfang der Unfug, den die französischen
Fischer trieben, allmählich angenommen hatte, beweisen die amtlichen Mit¬
teilungen des englischen Kreuzerkapitäus Kennedy, die vor fünf Jahren ver¬
öffentlicht wurden: die englische Regierung hatte befohlen, daß innerhalb einer
halben Meile von der Flutgrenze die French-Shore als den französischen An¬
sprüchen unterworfen anzusehen sei. Dieses ganz freiwillige Entgegenkommen
Englands mißbrauchten die Franzosen, indem sie erstens an einer ganzen An¬
zahl von Stellen die französische Flagge aufzogen, sie allerdings auf englische
Aufforderung sofort wieder niederließen, daß sie serner auch über jene Grenzen
hinaus durch die Absperrung der lachsreichen Küstenflüsse mit Grundnetzen
den ganzen Fischbestand durch diese unverschämte Naubsischerei auf Jahre hin¬
aus vernichteten, obgleich ihnen vertragsmäßig nur der Stocksischsang zustand.
Alles der Aulnge eines Bahnhofes für die Verbindungsbahn der Orte um der
Westküste, sowie dem Betriebe einer Mine bei Port-an-port in der Nähe ihrer
Küstenstrecken setzten sie einen ganz grundlosen und daher um so beleidigendereil
Widerstand entgegen. Ja, obgleich auch der Hummernfaug nicht zu ihren
Privilegien gehört, verlangten sie doch die Schließung zweier Konservirungs-
fcibriken in Se. Barbe und ebenso die Auflassung einer Kupfermine bei Mings-
Right, ohne freilich mit ihren Ansprüchen durchzuringen. Auch auf offenem


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[0196] Die Seefischerei von Neufundland Rücksicht zu nehmen; war sie doch Allfang dieses Jahrhunderts, nachdem 1818 bereits der Sitz des Gouverneurs nach der Insel verlegt war, knapp auf 10 000 Seelen gewachsen, die allerdings nur an der Küste lebten. Das Innere des Landes hatte bis 1822 kein Weißer betreten, sodaß man nicht die geringste Vorstellung von seinen Reichtümern hatte. Erst Sir John Glover, der 1378 Gouverneur war, unternahm eine Durchforschung des Landes, das keineswegs, wie man sich meist vorstellt, von ewigen Nebeln verhüllt ist, und fand im Innern nicht nur große, fischreiche Seen und Wälder mit wert¬ vollen Schiffshölzern und ackerbares Land, sondern auch zahlreiche Mineral¬ lager von Gold, Kupfer, Blei, Marmor und Kohle. Mit der allmählichen Zunahme der Bevölkerung, hauptsächlich durch Einwanderung aus England, fühlte sich aber die Insel in ihrer Haupt¬ beschäftigung, dem Fischfang, durch die unbequemen und in herausfordernder Form ausgeübten Privilegien der stammesfremden Franzosen oft tief verletzt, zumal dn trotz aller Aufforderungen der beschädigten einheimischen Bevölkerung England nicht die zum Schutze notwendigen Kreuzer entsendete. So wuchs besonders in dieser Zeit von 1815 bis 1841 der Übermut der französischen Fischer auf das Höchste, sodaß sie sich auch nach Labrador hin Übergriffe zu Schulden kommen ließen. Als dann endlich 1841 auch englische 5Üreuzer in diesen Meeren erschienen, fand die einheimische Bevölkerung doch nicht ihr Recht, da die Kapitäne von der englischen Regierung angewiesen waren, jeden Anlaß zu einem neuen Zu¬ sammenstoß zu vermeiden. Welchen Umfang der Unfug, den die französischen Fischer trieben, allmählich angenommen hatte, beweisen die amtlichen Mit¬ teilungen des englischen Kreuzerkapitäus Kennedy, die vor fünf Jahren ver¬ öffentlicht wurden: die englische Regierung hatte befohlen, daß innerhalb einer halben Meile von der Flutgrenze die French-Shore als den französischen An¬ sprüchen unterworfen anzusehen sei. Dieses ganz freiwillige Entgegenkommen Englands mißbrauchten die Franzosen, indem sie erstens an einer ganzen An¬ zahl von Stellen die französische Flagge aufzogen, sie allerdings auf englische Aufforderung sofort wieder niederließen, daß sie serner auch über jene Grenzen hinaus durch die Absperrung der lachsreichen Küstenflüsse mit Grundnetzen den ganzen Fischbestand durch diese unverschämte Naubsischerei auf Jahre hin¬ aus vernichteten, obgleich ihnen vertragsmäßig nur der Stocksischsang zustand. Alles der Aulnge eines Bahnhofes für die Verbindungsbahn der Orte um der Westküste, sowie dem Betriebe einer Mine bei Port-an-port in der Nähe ihrer Küstenstrecken setzten sie einen ganz grundlosen und daher um so beleidigendereil Widerstand entgegen. Ja, obgleich auch der Hummernfaug nicht zu ihren Privilegien gehört, verlangten sie doch die Schließung zweier Konservirungs- fcibriken in Se. Barbe und ebenso die Auflassung einer Kupfermine bei Mings- Right, ohne freilich mit ihren Ansprüchen durchzuringen. Auch auf offenem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/196>, abgerufen am 23.07.2024.