Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Der Eindruck von Kunst und Wirklichkeit v Uarl Erd manu on le Wörter Realismus, Naturalismus, Verismus, die alle in In deu folgenden Untersuchungen wird beabsichtigt -- ohne die Voraus¬ Diese Fragen haben natürlich so lange gar keinen Sinn, als wir die ver- Der Eindruck von Kunst und Wirklichkeit v Uarl Erd manu on le Wörter Realismus, Naturalismus, Verismus, die alle in In deu folgenden Untersuchungen wird beabsichtigt — ohne die Voraus¬ Diese Fragen haben natürlich so lange gar keinen Sinn, als wir die ver- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0613" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208550"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341851_207936/figures/grenzboten_341851_207936_208550_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Eindruck von Kunst und Wirklichkeit<lb/> v<note type="byline"> Uarl Erd manu</note> on </head><lb/> <p xml:id="ID_1881"> le Wörter Realismus, Naturalismus, Verismus, die alle in<lb/> mehr oder minder klarer Weise einen Grad von Naturwahrheit<lb/> bei Kunstwerken ausdrücken, könne» vernünftigerweise nur bei<lb/> den Künsten angewendet werden, die sich mit einer Nachbildung<lb/> der Wirklichkeit befassen. Wenigstens würden diese Begriffe eine<lb/> andre Bedeutung annehmen, wenn man sie auf die übrige« Künste anwenden<lb/> und etwa von einer realistischen Musik, Architektur oder Tanzkunst reden<lb/> wollte. Die nachfolgenden Betrachtungen sollen sich daher im allgemeinen<lb/> nur auf die nachbildenden Künste erstrecken; unter einem Kunstwerk schlechthin<lb/> soll immer nur eins aus den nachbildenden Künsten verstanden werden. Dabei<lb/> erscheint es zweckmäßig, das, was nachgebildet wird, mit einem bestimmten<lb/> Ausdruck, etwa als die dein Kunstwerke entsprechende Wirklichkeit oder das<lb/> dem Kunstschönen entsprechende Naturschöne zu bezeichnen, wenn es gestattet<lb/> ist, das so unbestimmte, gleichzeitig viel- und nichtssagende Wort „schön" im<lb/> allgemeinsten Sinne zu verwenden. Ich lege übrigens auf diesen Ausdruck keinen<lb/> Wert und knüpfe durchaus keine Voraussetzungen daran. Er mag alles zusammen-<lb/> fassen, was geeignet erscheint, irgendwie bedeutende Gefühle in uns zu erregen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1882"> In deu folgenden Untersuchungen wird beabsichtigt — ohne die Voraus¬<lb/> setzung irgend welcher ästhetischen Theorien und ohne Voreingenommenheit für<lb/> bestimmte Kunstrichtungen —, die beiden Eindrücke mit einander zu vergleichen,<lb/> die einerseits ein Kunstwerk, anderseits die genau entsprechende Wirklichkeit<lb/> verursacht. Können beide gleich sein? Gefällt uns ein Kunstwerk nur des¬<lb/> wegen, weil es ein Naturschönes nachbildet, das uns als solches auch gefallen<lb/> würde, oder ist es nicht nötig, daß die einem wirkungsvollen Kunstwerke zu<lb/> Grunde liegende Wirklichkeit uns ebenfalls entzücke? Erzeugt eine Landschaft<lb/> einen wesentlich andern Eindrnck als ein Gemälde derselben? Ist das beim<lb/> Betrachten eines Kunstwerkes hinzutretende Bewußtsein, es mit einer Nach¬<lb/> bildung zu thun zu haben, von ausschlaggebender Bedeutung?</p><lb/> <p xml:id="ID_1883" next="#ID_1884"> Diese Fragen haben natürlich so lange gar keinen Sinn, als wir die ver-<lb/> schiednen Kunstrichtungen (die realistische, idealistische, phantastische) und die<lb/> verschiednen Kunstgattungen (z. B. Märchen, Romane, Dramen, Gedichte) un-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0613]
[Abbildung]
Der Eindruck von Kunst und Wirklichkeit
v Uarl Erd manu on
le Wörter Realismus, Naturalismus, Verismus, die alle in
mehr oder minder klarer Weise einen Grad von Naturwahrheit
bei Kunstwerken ausdrücken, könne» vernünftigerweise nur bei
den Künsten angewendet werden, die sich mit einer Nachbildung
der Wirklichkeit befassen. Wenigstens würden diese Begriffe eine
andre Bedeutung annehmen, wenn man sie auf die übrige« Künste anwenden
und etwa von einer realistischen Musik, Architektur oder Tanzkunst reden
wollte. Die nachfolgenden Betrachtungen sollen sich daher im allgemeinen
nur auf die nachbildenden Künste erstrecken; unter einem Kunstwerk schlechthin
soll immer nur eins aus den nachbildenden Künsten verstanden werden. Dabei
erscheint es zweckmäßig, das, was nachgebildet wird, mit einem bestimmten
Ausdruck, etwa als die dein Kunstwerke entsprechende Wirklichkeit oder das
dem Kunstschönen entsprechende Naturschöne zu bezeichnen, wenn es gestattet
ist, das so unbestimmte, gleichzeitig viel- und nichtssagende Wort „schön" im
allgemeinsten Sinne zu verwenden. Ich lege übrigens auf diesen Ausdruck keinen
Wert und knüpfe durchaus keine Voraussetzungen daran. Er mag alles zusammen-
fassen, was geeignet erscheint, irgendwie bedeutende Gefühle in uns zu erregen.
In deu folgenden Untersuchungen wird beabsichtigt — ohne die Voraus¬
setzung irgend welcher ästhetischen Theorien und ohne Voreingenommenheit für
bestimmte Kunstrichtungen —, die beiden Eindrücke mit einander zu vergleichen,
die einerseits ein Kunstwerk, anderseits die genau entsprechende Wirklichkeit
verursacht. Können beide gleich sein? Gefällt uns ein Kunstwerk nur des¬
wegen, weil es ein Naturschönes nachbildet, das uns als solches auch gefallen
würde, oder ist es nicht nötig, daß die einem wirkungsvollen Kunstwerke zu
Grunde liegende Wirklichkeit uns ebenfalls entzücke? Erzeugt eine Landschaft
einen wesentlich andern Eindrnck als ein Gemälde derselben? Ist das beim
Betrachten eines Kunstwerkes hinzutretende Bewußtsein, es mit einer Nach¬
bildung zu thun zu haben, von ausschlaggebender Bedeutung?
Diese Fragen haben natürlich so lange gar keinen Sinn, als wir die ver-
schiednen Kunstrichtungen (die realistische, idealistische, phantastische) und die
verschiednen Kunstgattungen (z. B. Märchen, Romane, Dramen, Gedichte) un-
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