Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.Aus dem Wiener Theaterleben or mehr als fünf Jahre" veröffentlichte Ada", Müller-G"tten- Aus dem Wiener Theaterleben or mehr als fünf Jahre» veröffentlichte Ada», Müller-G»tten- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207387"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341851_207294/figures/grenzboten_341851_207294_207387_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Aus dem Wiener Theaterleben</head><lb/> <p xml:id="ID_244" next="#ID_245"> or mehr als fünf Jahre» veröffentlichte Ada», Müller-G»tten-<lb/> brunn eine Broschüre „Wien war eine Theaterstadt" nud er¬<lb/> rang damit einen Erfolg, wie sich ihn großer und nachdrück¬<lb/> licher kein Schriftsteller wünschen kann: die Broschüre hatte<lb/> praktische Wandlungen zur Folge, die Gründung einer Gesell¬<lb/> schaft zum Bau eines neuen Theaters ging urkundlich zugestaudner Weise von<lb/> Müllers Schrift aus. Es giebt ohne Zweifel viel gelehrtere, viel glänzendere<lb/> »ud künstlerisch viel begabtere Theaterkritiker, als Müller in Wien ist; aber<lb/> in der Welt entscheidet oft das zur rechten Zeit gesprochene schlichte Wort,<lb/> das der Volksstimmung Ausdruck giebt, mehr, als die glänzendste Abhandlung<lb/> des feinsten Kopfes, der mehr in sich hinein als hinaus in die Umgebung<lb/> blickt. Daher kommt es, daß oft die eigentlichen Wandlungen der öffentliche»<lb/> Zustände nicht von den feinsten, sondern von den entschiedensten Köpfen her¬<lb/> vorgerufen werden. Diese scheinen ihren Weg durch Rücksichtslosigkeiten zu<lb/> mache», ihr Auftreten ist auch mehr kräftig durch die That, als bedeutend i»<lb/> wissenschaftlicher Beziehung. Aber wen» diese Nücksichtslosigkeiteii nicht der zum<lb/> Durchbruch gelangte Ausdruck einer schon vorhandene», wenn auch unaus-<lb/> gesprochenen öffentlichen Meinung wäre», so würde» sie eben nur als Keck¬<lb/> heiten empfunden werden, ohne ein Echo zu finden und ohne Veränderungen<lb/> zu bewirken. Zu diesen erfolgreich rücksichtslose» Menschen gehört Aden»<lb/> Müller-Guttenbrnn» i» Wien. Er hat eine« volkstümlichen Zug in seiner<lb/> schmucklosen, schnurgerade auf die Sache lossteuernde», die Dinge unverzagt<lb/> beim Namen nennende», derbkörnige» Schreibweise, und darauf beruht seine<lb/> Stellung im Kreise seiner kritischen .Kollege». Mit einer gewissen Naivität<lb/> rückt er den bösen Dingen ans den Leib, haut wohl auch zuweilen über die<lb/> Schnur, erregt Unwillen durch el» allzu starkes Wort, behält aber im ganzen<lb/> die Sympathien auf seiner Seite, weil man sicher ist, daß er es redlich meint-<lb/> Von einem, Kritiker verlangt ma» diese Redlichkeit z» allererst; hat er das<lb/> Vertrauen in sie einmal oder gar öfter getäuscht, dann hat es ein Ende mit<lb/> seiner Macht; auch der kritische Schriftsteller muß den Ton festhalten, den er<lb/> einmal angeschlagen hat, wie jeder Künstler. Freilich kann er damit unter<lb/> Umstände» der Sklave seines Publikums werde». Msiller» war das Glück >N</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0092]
[Abbildung]
Aus dem Wiener Theaterleben
or mehr als fünf Jahre» veröffentlichte Ada», Müller-G»tten-
brunn eine Broschüre „Wien war eine Theaterstadt" nud er¬
rang damit einen Erfolg, wie sich ihn großer und nachdrück¬
licher kein Schriftsteller wünschen kann: die Broschüre hatte
praktische Wandlungen zur Folge, die Gründung einer Gesell¬
schaft zum Bau eines neuen Theaters ging urkundlich zugestaudner Weise von
Müllers Schrift aus. Es giebt ohne Zweifel viel gelehrtere, viel glänzendere
»ud künstlerisch viel begabtere Theaterkritiker, als Müller in Wien ist; aber
in der Welt entscheidet oft das zur rechten Zeit gesprochene schlichte Wort,
das der Volksstimmung Ausdruck giebt, mehr, als die glänzendste Abhandlung
des feinsten Kopfes, der mehr in sich hinein als hinaus in die Umgebung
blickt. Daher kommt es, daß oft die eigentlichen Wandlungen der öffentliche»
Zustände nicht von den feinsten, sondern von den entschiedensten Köpfen her¬
vorgerufen werden. Diese scheinen ihren Weg durch Rücksichtslosigkeiten zu
mache», ihr Auftreten ist auch mehr kräftig durch die That, als bedeutend i»
wissenschaftlicher Beziehung. Aber wen» diese Nücksichtslosigkeiteii nicht der zum
Durchbruch gelangte Ausdruck einer schon vorhandene», wenn auch unaus-
gesprochenen öffentlichen Meinung wäre», so würde» sie eben nur als Keck¬
heiten empfunden werden, ohne ein Echo zu finden und ohne Veränderungen
zu bewirken. Zu diesen erfolgreich rücksichtslose» Menschen gehört Aden»
Müller-Guttenbrnn» i» Wien. Er hat eine« volkstümlichen Zug in seiner
schmucklosen, schnurgerade auf die Sache lossteuernde», die Dinge unverzagt
beim Namen nennende», derbkörnige» Schreibweise, und darauf beruht seine
Stellung im Kreise seiner kritischen .Kollege». Mit einer gewissen Naivität
rückt er den bösen Dingen ans den Leib, haut wohl auch zuweilen über die
Schnur, erregt Unwillen durch el» allzu starkes Wort, behält aber im ganzen
die Sympathien auf seiner Seite, weil man sicher ist, daß er es redlich meint-
Von einem, Kritiker verlangt ma» diese Redlichkeit z» allererst; hat er das
Vertrauen in sie einmal oder gar öfter getäuscht, dann hat es ein Ende mit
seiner Macht; auch der kritische Schriftsteller muß den Ton festhalten, den er
einmal angeschlagen hat, wie jeder Künstler. Freilich kann er damit unter
Umstände» der Sklave seines Publikums werde». Msiller» war das Glück >N
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