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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Neue Radinmgen

Heer durch den Rückzug nach der deutschen Grenze in Sicherheit zu bringen,
hätte er nicht statt dessen vielmehr auf jede Gefahr hin die Verbindung mit
Wellington aufrecht erhalten, hätte nicht der alte Marschall Vorwärts trotz der
Ermattung seiner Leute, trotz der eignen Verwundung, trotz der Grundlosigkeit
der Wege sein Wort gelöst und sich rechtzeitig auf dem Schlachtfeld einge-
funden, so wäre Wellington bei aller Tapferkeit seiner Soldaten verloren ge¬
wesen. Trotzdem war der englische Feldherr unedel genug, die Ehre des
Sieges allein für sich und England in Anspruch zu nehmen, sodnß noch zwei¬
undzwanzig Jahre nach der Schlacht der preußische General Grolmnn zur Feder
greifen mußte, um deu Anteil der Preußen ins rechte Licht zu setzen.

Das sind die Schattenseiten des Koalitionskrieges. Was folgt daraus?
Etwa daß das Bündnis, mit dem die Staatskunst des Fürsten Bismarck uns
beschenkt hat, keinen Wert habe? Gewiß nicht. Denn fürs erste: es ist ja
nicht zum gemeinsamen Angriff geschlossen, sondern zur gemeinsamen Aufrecht¬
haltung des Friedens. Diese Aufgabe hat es bisher gelöst und wird sie, hoffen
nur, auch künftig lösen, wie einst 1668 die "Tripelallianz" zwischen Holland,
England und Schweden den Ausbruch eines europäischen Krieges verhindert und
Ludwig dem Vierzehnten in seinem Ervberungslaufe Halt geboten, wie einst durch
die "Quadrupeln llianz" des Jahres 1718 Kaiser Karl VI. im Bunde mit Eng¬
land, Holland und Frankreich das kriegslustige Spanien zur Ruhe verwiesen hat.

Fürs zweite: im Fall eines Krieges würden unter deu Schäden einer
Koalition unsre Gegner sicherlich viel mehr zu leiden haben als wir; denn
nichts ist unberechenbarer als die Launen eiuer entfesselten Masse und -- eines
unumschränkten Selbstherrschers.

Aber das geht aus deu Erfahrungen aller Koalitionskriege hervor, daß
Deutschland durch das Vertrauen auf die Hilfe seiner Verbündeten sich nicht
in falsche Sicherheit einwiegen lassen darf, daß es seinen Schutz und seine
Stärke in erster Linie in sich selbst suchen muß.




Neue Radirungen.

?er Aufschwung, der sich in neuester Zeit auf deu meisten
Gebieten der technischen Künste bemerkbar macht, äußert sich,
ebenso wie im Kunstgewerbe, so in erfreulichster Weise auch in
der zunehmenden Fähigkeit zur Herstellung künstlerisch hervor-
"ragender Werke der Knpferradirung. Diese ehedem in so wunder¬
barer Blüte stehende, dann mehr und mehr vernachlässigte Technik ist heutzutage
wieder zu verdienten Ehren gelangt. Seitdem sich die Anfmerksamkeit und>-^N"W
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Neue Radinmgen

Heer durch den Rückzug nach der deutschen Grenze in Sicherheit zu bringen,
hätte er nicht statt dessen vielmehr auf jede Gefahr hin die Verbindung mit
Wellington aufrecht erhalten, hätte nicht der alte Marschall Vorwärts trotz der
Ermattung seiner Leute, trotz der eignen Verwundung, trotz der Grundlosigkeit
der Wege sein Wort gelöst und sich rechtzeitig auf dem Schlachtfeld einge-
funden, so wäre Wellington bei aller Tapferkeit seiner Soldaten verloren ge¬
wesen. Trotzdem war der englische Feldherr unedel genug, die Ehre des
Sieges allein für sich und England in Anspruch zu nehmen, sodnß noch zwei¬
undzwanzig Jahre nach der Schlacht der preußische General Grolmnn zur Feder
greifen mußte, um deu Anteil der Preußen ins rechte Licht zu setzen.

Das sind die Schattenseiten des Koalitionskrieges. Was folgt daraus?
Etwa daß das Bündnis, mit dem die Staatskunst des Fürsten Bismarck uns
beschenkt hat, keinen Wert habe? Gewiß nicht. Denn fürs erste: es ist ja
nicht zum gemeinsamen Angriff geschlossen, sondern zur gemeinsamen Aufrecht¬
haltung des Friedens. Diese Aufgabe hat es bisher gelöst und wird sie, hoffen
nur, auch künftig lösen, wie einst 1668 die „Tripelallianz" zwischen Holland,
England und Schweden den Ausbruch eines europäischen Krieges verhindert und
Ludwig dem Vierzehnten in seinem Ervberungslaufe Halt geboten, wie einst durch
die „Quadrupeln llianz" des Jahres 1718 Kaiser Karl VI. im Bunde mit Eng¬
land, Holland und Frankreich das kriegslustige Spanien zur Ruhe verwiesen hat.

Fürs zweite: im Fall eines Krieges würden unter deu Schäden einer
Koalition unsre Gegner sicherlich viel mehr zu leiden haben als wir; denn
nichts ist unberechenbarer als die Launen eiuer entfesselten Masse und — eines
unumschränkten Selbstherrschers.

Aber das geht aus deu Erfahrungen aller Koalitionskriege hervor, daß
Deutschland durch das Vertrauen auf die Hilfe seiner Verbündeten sich nicht
in falsche Sicherheit einwiegen lassen darf, daß es seinen Schutz und seine
Stärke in erster Linie in sich selbst suchen muß.




Neue Radirungen.

?er Aufschwung, der sich in neuester Zeit auf deu meisten
Gebieten der technischen Künste bemerkbar macht, äußert sich,
ebenso wie im Kunstgewerbe, so in erfreulichster Weise auch in
der zunehmenden Fähigkeit zur Herstellung künstlerisch hervor-
«ragender Werke der Knpferradirung. Diese ehedem in so wunder¬
barer Blüte stehende, dann mehr und mehr vernachlässigte Technik ist heutzutage
wieder zu verdienten Ehren gelangt. Seitdem sich die Anfmerksamkeit und>-^N«W
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[0086] Neue Radinmgen Heer durch den Rückzug nach der deutschen Grenze in Sicherheit zu bringen, hätte er nicht statt dessen vielmehr auf jede Gefahr hin die Verbindung mit Wellington aufrecht erhalten, hätte nicht der alte Marschall Vorwärts trotz der Ermattung seiner Leute, trotz der eignen Verwundung, trotz der Grundlosigkeit der Wege sein Wort gelöst und sich rechtzeitig auf dem Schlachtfeld einge- funden, so wäre Wellington bei aller Tapferkeit seiner Soldaten verloren ge¬ wesen. Trotzdem war der englische Feldherr unedel genug, die Ehre des Sieges allein für sich und England in Anspruch zu nehmen, sodnß noch zwei¬ undzwanzig Jahre nach der Schlacht der preußische General Grolmnn zur Feder greifen mußte, um deu Anteil der Preußen ins rechte Licht zu setzen. Das sind die Schattenseiten des Koalitionskrieges. Was folgt daraus? Etwa daß das Bündnis, mit dem die Staatskunst des Fürsten Bismarck uns beschenkt hat, keinen Wert habe? Gewiß nicht. Denn fürs erste: es ist ja nicht zum gemeinsamen Angriff geschlossen, sondern zur gemeinsamen Aufrecht¬ haltung des Friedens. Diese Aufgabe hat es bisher gelöst und wird sie, hoffen nur, auch künftig lösen, wie einst 1668 die „Tripelallianz" zwischen Holland, England und Schweden den Ausbruch eines europäischen Krieges verhindert und Ludwig dem Vierzehnten in seinem Ervberungslaufe Halt geboten, wie einst durch die „Quadrupeln llianz" des Jahres 1718 Kaiser Karl VI. im Bunde mit Eng¬ land, Holland und Frankreich das kriegslustige Spanien zur Ruhe verwiesen hat. Fürs zweite: im Fall eines Krieges würden unter deu Schäden einer Koalition unsre Gegner sicherlich viel mehr zu leiden haben als wir; denn nichts ist unberechenbarer als die Launen eiuer entfesselten Masse und — eines unumschränkten Selbstherrschers. Aber das geht aus deu Erfahrungen aller Koalitionskriege hervor, daß Deutschland durch das Vertrauen auf die Hilfe seiner Verbündeten sich nicht in falsche Sicherheit einwiegen lassen darf, daß es seinen Schutz und seine Stärke in erster Linie in sich selbst suchen muß. Neue Radirungen. ?er Aufschwung, der sich in neuester Zeit auf deu meisten Gebieten der technischen Künste bemerkbar macht, äußert sich, ebenso wie im Kunstgewerbe, so in erfreulichster Weise auch in der zunehmenden Fähigkeit zur Herstellung künstlerisch hervor- «ragender Werke der Knpferradirung. Diese ehedem in so wunder¬ barer Blüte stehende, dann mehr und mehr vernachlässigte Technik ist heutzutage wieder zu verdienten Ehren gelangt. Seitdem sich die Anfmerksamkeit und>-^N«W M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/86>, abgerufen am 26.06.2024.