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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Schopenhauer und Richard Zvagner

sind, zählte im Jahre 1880 4^ Millionen wehrfähige Männer, Deutschland
nicht ganz 5 Millionen. Ohne die Auswanderung würde Deutschland uicht
nur ^ Millionen wehrfähiger Männer mehr haben als Frankreich, sondern
fast 1^/z Millionen mehr. Das sind Zahlen, die für sich selbst sprechen.

Was die Entvölkerung des platten Landes anbetrifft, so ist es Thatsache,
daß mit ihrem Fortschreiten die Zahl der wehrfähigen Männer schnell ab¬
nimmt. Leider lassen sich Zahlen im großen als Beweis nicht beibringen, denn
eine Statistik hierüber fehlt noch; doch ist nach der Erfahrung an der körper¬
lichen Entartung der Stadtbevölkerung nicht zu zweifeln.

Von 1880 bis 1885 ist nun die Bevölkerung des deutscheu Reiches vou
45,2 auf 46,8 Millionen gestiegen. In demselben Zeitraume hat aber die
ländliche Bevölkerung trotz des großen Überschusses der Geburten auf dein
Lande gegenüber der Stadt abgenommen, und zwar um etwa 113000, während
die städtische um ungefähr 1730000 gestiegen ist. Das Ungesunde dieser
beiden Prozesse ist von den Nationalökonomien längst erkannt; es war aber
nötig, auch auf ihre Gefahr für die Wehrkraft des Landes hinzuweisen. Unter
keinen Umständen durfte es überflüssig sein, sie bei Gelegenheit der bevor¬
stehenden Heeresverfassttngsrcform zur Sprache zu bringen.


Hans Jdel


Schopenhauer und Richard Wagner
von Carl Luchs (Schluß)

/T^LlM
(^)
^".5^
Mez^agner nahm den Pessimismus ernst, ernster als Schopenhauer
selbst, und endigte folgerichtig bei der Religion, denn bei ihr,
der zwar hart gescholtenen, endet noleng volML auch bereits
die Schopeuhauerische Philosophie: der Wille zum Leben als
einziger Schöpfer und Erhalter der Welt jenseits aller mensch¬
lichen Vernunft ist durchaus nichts andres als Jehova, namentlich wie
ihn auch der gebildete Jude von heute versteht; und Wagner machte aus
diesem noch passabel vernünftigen Judaismus ein taumelseliges, halbbrahma-
"isches, halb mittelalterliches, schließlich modernstes Allerweltschristentum und
wollte mit ,,Parsifal" so wenig wie früher mit den "Nibelungen" nud dein
,,Triften" etwas andres, als das Lebe" vou der Bühne aus gestalten, zuletzt,


Schopenhauer und Richard Zvagner

sind, zählte im Jahre 1880 4^ Millionen wehrfähige Männer, Deutschland
nicht ganz 5 Millionen. Ohne die Auswanderung würde Deutschland uicht
nur ^ Millionen wehrfähiger Männer mehr haben als Frankreich, sondern
fast 1^/z Millionen mehr. Das sind Zahlen, die für sich selbst sprechen.

Was die Entvölkerung des platten Landes anbetrifft, so ist es Thatsache,
daß mit ihrem Fortschreiten die Zahl der wehrfähigen Männer schnell ab¬
nimmt. Leider lassen sich Zahlen im großen als Beweis nicht beibringen, denn
eine Statistik hierüber fehlt noch; doch ist nach der Erfahrung an der körper¬
lichen Entartung der Stadtbevölkerung nicht zu zweifeln.

Von 1880 bis 1885 ist nun die Bevölkerung des deutscheu Reiches vou
45,2 auf 46,8 Millionen gestiegen. In demselben Zeitraume hat aber die
ländliche Bevölkerung trotz des großen Überschusses der Geburten auf dein
Lande gegenüber der Stadt abgenommen, und zwar um etwa 113000, während
die städtische um ungefähr 1730000 gestiegen ist. Das Ungesunde dieser
beiden Prozesse ist von den Nationalökonomien längst erkannt; es war aber
nötig, auch auf ihre Gefahr für die Wehrkraft des Landes hinzuweisen. Unter
keinen Umständen durfte es überflüssig sein, sie bei Gelegenheit der bevor¬
stehenden Heeresverfassttngsrcform zur Sprache zu bringen.


Hans Jdel


Schopenhauer und Richard Wagner
von Carl Luchs (Schluß)

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Mez^agner nahm den Pessimismus ernst, ernster als Schopenhauer
selbst, und endigte folgerichtig bei der Religion, denn bei ihr,
der zwar hart gescholtenen, endet noleng volML auch bereits
die Schopeuhauerische Philosophie: der Wille zum Leben als
einziger Schöpfer und Erhalter der Welt jenseits aller mensch¬
lichen Vernunft ist durchaus nichts andres als Jehova, namentlich wie
ihn auch der gebildete Jude von heute versteht; und Wagner machte aus
diesem noch passabel vernünftigen Judaismus ein taumelseliges, halbbrahma-
»isches, halb mittelalterliches, schließlich modernstes Allerweltschristentum und
wollte mit ,,Parsifal" so wenig wie früher mit den „Nibelungen" nud dein
,,Triften" etwas andres, als das Lebe» vou der Bühne aus gestalten, zuletzt,


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[0509] Schopenhauer und Richard Zvagner sind, zählte im Jahre 1880 4^ Millionen wehrfähige Männer, Deutschland nicht ganz 5 Millionen. Ohne die Auswanderung würde Deutschland uicht nur ^ Millionen wehrfähiger Männer mehr haben als Frankreich, sondern fast 1^/z Millionen mehr. Das sind Zahlen, die für sich selbst sprechen. Was die Entvölkerung des platten Landes anbetrifft, so ist es Thatsache, daß mit ihrem Fortschreiten die Zahl der wehrfähigen Männer schnell ab¬ nimmt. Leider lassen sich Zahlen im großen als Beweis nicht beibringen, denn eine Statistik hierüber fehlt noch; doch ist nach der Erfahrung an der körper¬ lichen Entartung der Stadtbevölkerung nicht zu zweifeln. Von 1880 bis 1885 ist nun die Bevölkerung des deutscheu Reiches vou 45,2 auf 46,8 Millionen gestiegen. In demselben Zeitraume hat aber die ländliche Bevölkerung trotz des großen Überschusses der Geburten auf dein Lande gegenüber der Stadt abgenommen, und zwar um etwa 113000, während die städtische um ungefähr 1730000 gestiegen ist. Das Ungesunde dieser beiden Prozesse ist von den Nationalökonomien längst erkannt; es war aber nötig, auch auf ihre Gefahr für die Wehrkraft des Landes hinzuweisen. Unter keinen Umständen durfte es überflüssig sein, sie bei Gelegenheit der bevor¬ stehenden Heeresverfassttngsrcform zur Sprache zu bringen. Hans Jdel Schopenhauer und Richard Wagner von Carl Luchs (Schluß) /T^LlM (^) ^«.5^ Mez^agner nahm den Pessimismus ernst, ernster als Schopenhauer selbst, und endigte folgerichtig bei der Religion, denn bei ihr, der zwar hart gescholtenen, endet noleng volML auch bereits die Schopeuhauerische Philosophie: der Wille zum Leben als einziger Schöpfer und Erhalter der Welt jenseits aller mensch¬ lichen Vernunft ist durchaus nichts andres als Jehova, namentlich wie ihn auch der gebildete Jude von heute versteht; und Wagner machte aus diesem noch passabel vernünftigen Judaismus ein taumelseliges, halbbrahma- »isches, halb mittelalterliches, schließlich modernstes Allerweltschristentum und wollte mit ,,Parsifal" so wenig wie früher mit den „Nibelungen" nud dein ,,Triften" etwas andres, als das Lebe» vou der Bühne aus gestalten, zuletzt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/509>, abgerufen am 26.06.2024.