Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Wer sich über die sittlichen Vvrnussetzmige" leichtfertig hinwegsetzt, nus denen
im Grunde alle unsre Rechtsverhältnisse beruhen, wer beständig die Gefahr
der Verbreitung ansteckender Krankheiten bietet, der darf vom Staat und von
der Gesellschaft nicht die Behandlung und den Schutz erwarten, die sonst jedem
Staatsbürger zu teil werden. Es ist keine Frage, daß damit eine völlige
Neuordnung der ganzen Sittenpolizei notwendig wird. In Belgien hat man
mit dieser Neugestaltung bereits den Anfang gemacht. Von der ^o-iÄsmia <Jo
mväsomö zu Brüssel siud uach einer langen und eingehende" Beratung im
Jahre 1887 folgende These" nugenvmmeu worden:

1. Die Akademie hält eine gesetzmäßige Beaufsichtigung der Prostitution für
notwendig, um die Verbreitung der geschlechtlichen Krankheiten zu beschränken.

2. Die Prostitution, die sich auf den Straßen, den Promenaden und den
öffentlichen Plätzen breit macht und die hauptsächlichste Ursache jener Verbreitung
ist, muß untersagt werden.

3. Die Frauen, die überführt werden, sich gewohnheitsmäßig der Unzucht
hinzugeben, sind einzutragen und ärztlichen Untersuchungen zu unterwerfen.

4. Die Eintragungen und die Untersuchungen werden mit der Rücksicht aus¬
geführt, die unter allen Umständen auf jede Person zu nehmen ist.

5. Die königlich belgische Akademie der Arzneiwissenschaft halt dafür, daß die
häufigen ärztlichen Untersuchungen das wirksamste Mittel bilden, die Verbreitung
der ansteckenden Krankheiten aufzuhalten.

In Paris werden gegenwärtig ähnliche Bestimmungen getroffen. Aber
mich in Dentschland ist es notwendig, daß sich die Verwaltung, die Ärzte und
die Sittenlehrer vereinigen, um gegen das wachsende Übel gemeinsam in ver¬
schärften Maße vorzugehen. Deal nirgends mehr als da, wo es sich um die
sittlichen Güter der Nation handelt, darf man der Regierung zurufen: Land¬
graf, werde hart!




Schopenhauer und Richard Wagner
von Lark Fuchs

on musikalische" Halbphilosophe" ist nicht wenig über "das Ver¬
hältnis der Schopenhauerischeu Philosophie zur Wagnerischen
Musik" gefabelt worden, in der Überzeugung, die natürlich
allemal im voraus feststand, daß dabei etwas sehr Feierliches
und Tiefes, etwas kulturgeschichtlich Bedeutsames herauskommen
?uüsse. Ich gedenke zu zeigen, daß jenes Verhältnis nur ein Mißverhältnis
ist: Wagner hatte sich zwar die Gruudstiuuuung der Schopeuhauerischen Meta-


Wer sich über die sittlichen Vvrnussetzmige» leichtfertig hinwegsetzt, nus denen
im Grunde alle unsre Rechtsverhältnisse beruhen, wer beständig die Gefahr
der Verbreitung ansteckender Krankheiten bietet, der darf vom Staat und von
der Gesellschaft nicht die Behandlung und den Schutz erwarten, die sonst jedem
Staatsbürger zu teil werden. Es ist keine Frage, daß damit eine völlige
Neuordnung der ganzen Sittenpolizei notwendig wird. In Belgien hat man
mit dieser Neugestaltung bereits den Anfang gemacht. Von der ^o-iÄsmia <Jo
mväsomö zu Brüssel siud uach einer langen und eingehende» Beratung im
Jahre 1887 folgende These» nugenvmmeu worden:

1. Die Akademie hält eine gesetzmäßige Beaufsichtigung der Prostitution für
notwendig, um die Verbreitung der geschlechtlichen Krankheiten zu beschränken.

2. Die Prostitution, die sich auf den Straßen, den Promenaden und den
öffentlichen Plätzen breit macht und die hauptsächlichste Ursache jener Verbreitung
ist, muß untersagt werden.

3. Die Frauen, die überführt werden, sich gewohnheitsmäßig der Unzucht
hinzugeben, sind einzutragen und ärztlichen Untersuchungen zu unterwerfen.

4. Die Eintragungen und die Untersuchungen werden mit der Rücksicht aus¬
geführt, die unter allen Umständen auf jede Person zu nehmen ist.

5. Die königlich belgische Akademie der Arzneiwissenschaft halt dafür, daß die
häufigen ärztlichen Untersuchungen das wirksamste Mittel bilden, die Verbreitung
der ansteckenden Krankheiten aufzuhalten.

In Paris werden gegenwärtig ähnliche Bestimmungen getroffen. Aber
mich in Dentschland ist es notwendig, daß sich die Verwaltung, die Ärzte und
die Sittenlehrer vereinigen, um gegen das wachsende Übel gemeinsam in ver¬
schärften Maße vorzugehen. Deal nirgends mehr als da, wo es sich um die
sittlichen Güter der Nation handelt, darf man der Regierung zurufen: Land¬
graf, werde hart!




Schopenhauer und Richard Wagner
von Lark Fuchs

on musikalische» Halbphilosophe» ist nicht wenig über „das Ver¬
hältnis der Schopenhauerischeu Philosophie zur Wagnerischen
Musik" gefabelt worden, in der Überzeugung, die natürlich
allemal im voraus feststand, daß dabei etwas sehr Feierliches
und Tiefes, etwas kulturgeschichtlich Bedeutsames herauskommen
?uüsse. Ich gedenke zu zeigen, daß jenes Verhältnis nur ein Mißverhältnis
ist: Wagner hatte sich zwar die Gruudstiuuuung der Schopeuhauerischen Meta-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207764"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1293" prev="#ID_1292"> Wer sich über die sittlichen Vvrnussetzmige» leichtfertig hinwegsetzt, nus denen<lb/>
im Grunde alle unsre Rechtsverhältnisse beruhen, wer beständig die Gefahr<lb/>
der Verbreitung ansteckender Krankheiten bietet, der darf vom Staat und von<lb/>
der Gesellschaft nicht die Behandlung und den Schutz erwarten, die sonst jedem<lb/>
Staatsbürger zu teil werden. Es ist keine Frage, daß damit eine völlige<lb/>
Neuordnung der ganzen Sittenpolizei notwendig wird. In Belgien hat man<lb/>
mit dieser Neugestaltung bereits den Anfang gemacht. Von der ^o-iÄsmia &lt;Jo<lb/>
mväsomö zu Brüssel siud uach einer langen und eingehende» Beratung im<lb/>
Jahre 1887 folgende These» nugenvmmeu worden:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1294"> 1. Die Akademie hält eine gesetzmäßige Beaufsichtigung der Prostitution für<lb/>
notwendig, um die Verbreitung der geschlechtlichen Krankheiten zu beschränken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1295"> 2. Die Prostitution, die sich auf den Straßen, den Promenaden und den<lb/>
öffentlichen Plätzen breit macht und die hauptsächlichste Ursache jener Verbreitung<lb/>
ist, muß untersagt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1296"> 3. Die Frauen, die überführt werden, sich gewohnheitsmäßig der Unzucht<lb/>
hinzugeben, sind einzutragen und ärztlichen Untersuchungen zu unterwerfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1297"> 4. Die Eintragungen und die Untersuchungen werden mit der Rücksicht aus¬<lb/>
geführt, die unter allen Umständen auf jede Person zu nehmen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1298"> 5. Die königlich belgische Akademie der Arzneiwissenschaft halt dafür, daß die<lb/>
häufigen ärztlichen Untersuchungen das wirksamste Mittel bilden, die Verbreitung<lb/>
der ansteckenden Krankheiten aufzuhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1299"> In Paris werden gegenwärtig ähnliche Bestimmungen getroffen. Aber<lb/>
mich in Dentschland ist es notwendig, daß sich die Verwaltung, die Ärzte und<lb/>
die Sittenlehrer vereinigen, um gegen das wachsende Übel gemeinsam in ver¬<lb/>
schärften Maße vorzugehen. Deal nirgends mehr als da, wo es sich um die<lb/>
sittlichen Güter der Nation handelt, darf man der Regierung zurufen: Land¬<lb/>
graf, werde hart!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Schopenhauer und Richard Wagner<lb/><note type="byline"> von Lark Fuchs</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_1300" next="#ID_1301"> on musikalische» Halbphilosophe» ist nicht wenig über &#x201E;das Ver¬<lb/>
hältnis der Schopenhauerischeu Philosophie zur Wagnerischen<lb/>
Musik" gefabelt worden, in der Überzeugung, die natürlich<lb/>
allemal im voraus feststand, daß dabei etwas sehr Feierliches<lb/>
und Tiefes, etwas kulturgeschichtlich Bedeutsames herauskommen<lb/>
?uüsse. Ich gedenke zu zeigen, daß jenes Verhältnis nur ein Mißverhältnis<lb/>
ist: Wagner hatte sich zwar die Gruudstiuuuung der Schopeuhauerischen Meta-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0469] Wer sich über die sittlichen Vvrnussetzmige» leichtfertig hinwegsetzt, nus denen im Grunde alle unsre Rechtsverhältnisse beruhen, wer beständig die Gefahr der Verbreitung ansteckender Krankheiten bietet, der darf vom Staat und von der Gesellschaft nicht die Behandlung und den Schutz erwarten, die sonst jedem Staatsbürger zu teil werden. Es ist keine Frage, daß damit eine völlige Neuordnung der ganzen Sittenpolizei notwendig wird. In Belgien hat man mit dieser Neugestaltung bereits den Anfang gemacht. Von der ^o-iÄsmia <Jo mväsomö zu Brüssel siud uach einer langen und eingehende» Beratung im Jahre 1887 folgende These» nugenvmmeu worden: 1. Die Akademie hält eine gesetzmäßige Beaufsichtigung der Prostitution für notwendig, um die Verbreitung der geschlechtlichen Krankheiten zu beschränken. 2. Die Prostitution, die sich auf den Straßen, den Promenaden und den öffentlichen Plätzen breit macht und die hauptsächlichste Ursache jener Verbreitung ist, muß untersagt werden. 3. Die Frauen, die überführt werden, sich gewohnheitsmäßig der Unzucht hinzugeben, sind einzutragen und ärztlichen Untersuchungen zu unterwerfen. 4. Die Eintragungen und die Untersuchungen werden mit der Rücksicht aus¬ geführt, die unter allen Umständen auf jede Person zu nehmen ist. 5. Die königlich belgische Akademie der Arzneiwissenschaft halt dafür, daß die häufigen ärztlichen Untersuchungen das wirksamste Mittel bilden, die Verbreitung der ansteckenden Krankheiten aufzuhalten. In Paris werden gegenwärtig ähnliche Bestimmungen getroffen. Aber mich in Dentschland ist es notwendig, daß sich die Verwaltung, die Ärzte und die Sittenlehrer vereinigen, um gegen das wachsende Übel gemeinsam in ver¬ schärften Maße vorzugehen. Deal nirgends mehr als da, wo es sich um die sittlichen Güter der Nation handelt, darf man der Regierung zurufen: Land¬ graf, werde hart! Schopenhauer und Richard Wagner von Lark Fuchs on musikalische» Halbphilosophe» ist nicht wenig über „das Ver¬ hältnis der Schopenhauerischeu Philosophie zur Wagnerischen Musik" gefabelt worden, in der Überzeugung, die natürlich allemal im voraus feststand, daß dabei etwas sehr Feierliches und Tiefes, etwas kulturgeschichtlich Bedeutsames herauskommen ?uüsse. Ich gedenke zu zeigen, daß jenes Verhältnis nur ein Mißverhältnis ist: Wagner hatte sich zwar die Gruudstiuuuung der Schopeuhauerischen Meta-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/469
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/469>, abgerufen am 26.06.2024.