Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.Neue Novellen Man kann ohne Übertreibung den gegenwärtigen Gebrauch des Wortes Nun weiß ich recht gut, daß es Leute giebt, die wieder sagen werden: Neue Novellen s muß doch etwas an einem Menschen sein, den der alte Bischer Neue Novellen Man kann ohne Übertreibung den gegenwärtigen Gebrauch des Wortes Nun weiß ich recht gut, daß es Leute giebt, die wieder sagen werden: Neue Novellen s muß doch etwas an einem Menschen sein, den der alte Bischer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0429" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207724"/> <fw type="header" place="top"> Neue Novellen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1181"> Man kann ohne Übertreibung den gegenwärtigen Gebrauch des Wortes<lb/> bedingen so bezeichnen: Wenn der Deutsche eine dunkle Ahnung davon hat,<lb/> daß zwei Dinge in irgend welchem Zusammenhange stehen, aber schlechterdings<lb/> weder Neigung noch Fähigkeit, sich und andern diesen Zusammenhang klar zu<lb/> machen, so sagt er einfach: das eine Ding bedingt das andre. In welcher<lb/> Reihenfolge er dabei die beiden Dinge nennt, ob er sagt: Wärme bedingt<lb/> Feuer, oder: Feuer bedingt Wärme, ist ganz gleichgiltig; der Leser wird sich<lb/> schon irgend etwas dabei denken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1182"> Nun weiß ich recht gut, daß es Leute giebt, die wieder sagen werden:<lb/> Freue dich doch, daß das Wort eine solche chamäleonartige Verwandluugs-<lb/> sähigkeit erlangt hat! Wenn es vor dreißig Jahren, wie die Wörterbücher<lb/> zeigen, nnr einen kleinen Bruchteil der zahlreichen Bedeutungen hatte, die es<lb/> heute hat, so ist das doch ein glänzender Beweis für die wunderbare Triebkraft,<lb/> die noch in unsrer Sprache lebt. Aus einem einzigen Worte entfaltet sie noch<lb/> jetzt einen solchen Reichtum! - Ich sehe die Sache doch anders. Wenn zwanzig,<lb/> dreißig Sinn- und lebensvolle Wörter und Wendungen, die zur Verfügung<lb/> stehen und die feinste Schattirung des Gedankens ermöglichen, verschmäht<lb/> werden einem hohlen, ausgeblasenen Wvrtbalg zuliebe, wie dieses bedingen,<lb/> so sehe ich weder Reichtum noch Triebkraft, sondern nur eine alberne Mode.<lb/> Unter den vielen Zeichen der immer mehr zunehmenden Verschwommenheit<lb/> »users Denkens, die namentlich durch die hastige Zeitnngsleserei verschuldet,<lb/> wollte sagen „bedingt" wird, ist mir dieses in allen Farben schillernde Wort<lb/> schon längst als eins der schlimmsten erschienen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Neue Novellen</head><lb/> <p xml:id="ID_1183" next="#ID_1184"> s muß doch etwas an einem Menschen sein, den der alte Bischer<lb/> seines vertraulichen Umgangs gewürdigt hat! Mit diesem besten<lb/> aller Vorurteile schlugen wir den neuen Band „Hamburger<lb/> Novelle»" auf: Zwischen Elbe und Ulster von Ilse Frapan<lb/> „(Berlin, Gebrüder Paetel, 1890), um uns darein zu vertiefen,<lb/> ^»n Ilse Frapan hat sich im vorigen Jahre durch^ihr feinfühliges.Anekdoten-<lb/> Schlei» „Vischer-Eri»»erungen," das uns den alten Meister der Kritik im<lb/> Hvrsml und im Schlafrock zeigte, ein Plätzche» nicht bloß in unserm Herzen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0429]
Neue Novellen
Man kann ohne Übertreibung den gegenwärtigen Gebrauch des Wortes
bedingen so bezeichnen: Wenn der Deutsche eine dunkle Ahnung davon hat,
daß zwei Dinge in irgend welchem Zusammenhange stehen, aber schlechterdings
weder Neigung noch Fähigkeit, sich und andern diesen Zusammenhang klar zu
machen, so sagt er einfach: das eine Ding bedingt das andre. In welcher
Reihenfolge er dabei die beiden Dinge nennt, ob er sagt: Wärme bedingt
Feuer, oder: Feuer bedingt Wärme, ist ganz gleichgiltig; der Leser wird sich
schon irgend etwas dabei denken.
Nun weiß ich recht gut, daß es Leute giebt, die wieder sagen werden:
Freue dich doch, daß das Wort eine solche chamäleonartige Verwandluugs-
sähigkeit erlangt hat! Wenn es vor dreißig Jahren, wie die Wörterbücher
zeigen, nnr einen kleinen Bruchteil der zahlreichen Bedeutungen hatte, die es
heute hat, so ist das doch ein glänzender Beweis für die wunderbare Triebkraft,
die noch in unsrer Sprache lebt. Aus einem einzigen Worte entfaltet sie noch
jetzt einen solchen Reichtum! - Ich sehe die Sache doch anders. Wenn zwanzig,
dreißig Sinn- und lebensvolle Wörter und Wendungen, die zur Verfügung
stehen und die feinste Schattirung des Gedankens ermöglichen, verschmäht
werden einem hohlen, ausgeblasenen Wvrtbalg zuliebe, wie dieses bedingen,
so sehe ich weder Reichtum noch Triebkraft, sondern nur eine alberne Mode.
Unter den vielen Zeichen der immer mehr zunehmenden Verschwommenheit
»users Denkens, die namentlich durch die hastige Zeitnngsleserei verschuldet,
wollte sagen „bedingt" wird, ist mir dieses in allen Farben schillernde Wort
schon längst als eins der schlimmsten erschienen.
Neue Novellen
s muß doch etwas an einem Menschen sein, den der alte Bischer
seines vertraulichen Umgangs gewürdigt hat! Mit diesem besten
aller Vorurteile schlugen wir den neuen Band „Hamburger
Novelle»" auf: Zwischen Elbe und Ulster von Ilse Frapan
„(Berlin, Gebrüder Paetel, 1890), um uns darein zu vertiefen,
^»n Ilse Frapan hat sich im vorigen Jahre durch^ihr feinfühliges.Anekdoten-
Schlei» „Vischer-Eri»»erungen," das uns den alten Meister der Kritik im
Hvrsml und im Schlafrock zeigte, ein Plätzche» nicht bloß in unserm Herzen,
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