Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.Bedingen und andre Modewörter seit drei Jahren gemachte Erfahrung bedingt (war entstanden, war die Folge) -- Überblicken wir die angeführten Beispiele, so "erhellt" daraus folgendes. Nun brauchen aber andre das Wort in dem Sinne von bewirken und Nun wird aber noch ein weiterer Schritt gethan, namentlich in der pas¬ Bedingen und andre Modewörter seit drei Jahren gemachte Erfahrung bedingt (war entstanden, war die Folge) — Überblicken wir die angeführten Beispiele, so „erhellt" daraus folgendes. Nun brauchen aber andre das Wort in dem Sinne von bewirken und Nun wird aber noch ein weiterer Schritt gethan, namentlich in der pas¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207723"/> <fw type="header" place="top"> Bedingen und andre Modewörter</fw><lb/> <p xml:id="ID_1177" prev="#ID_1176"> seit drei Jahren gemachte Erfahrung bedingt (war entstanden, war die Folge) —<lb/> Glück wird durch Leistungsfähigkeit bedingt (entsteht) — die Gefahr für den<lb/> innern Frieden ist in Deutschland ausschließlich bedingt durch den Gegensatz<lb/> zwischen Besitz nud Besitzlosigkeit (liegt in, beruht auf, entsteht ans) — die<lb/> durch den Reichtum bedingten Lebensgenusse (ermöglichten) u, s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_1178"> Überblicken wir die angeführten Beispiele, so „erhellt" daraus folgendes.<lb/> Die einen brauchen das unpersönliche bedingen in dem Sinne von: zur<lb/> Voraussetzung haben. A bedingt B, das heißt A hat B zur Boraus¬<lb/> setzung, A hängt von B ab, A ist unmöglich, undenkbar, wenn B nicht ist,<lb/> A erfordert, erheischt, verlangt also B. Ich will gleich hinzufügen, daß ich<lb/> das jetzt für die einzig vernünftige und berechtigte Anwendung des Wortes<lb/> halte; nur aus ihr erklärt sich das Wort Bedingung. Die Aufführung der<lb/> Oper bedingt großen Aufwand — das verstehe ich sofort; es heißt: die Oper<lb/> ist ohne großen Aufwand nicht ausführbar, der Aufwand ist die Voraussetzung,<lb/> die Bedingung einer wirkungsvollen Aufführung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1179"> Nun brauchen aber andre das Wort in dem Sinne von bewirken und<lb/> den zahlreichen ihm sinnverwandten Wörtern (schaffen, erzengen, hervorbringen,<lb/> hervorrufen, verursachen, zur Folge haben). A bedingt B heißt dann: A ist<lb/> die Ursache von B; passiv ausgedrückt: B wird durch A bedingt heißt:<lb/> B ist die Folge vou A. Ich gestehe, daß meine geistige Fähigkeit, mein<lb/> „Können," wie man jetzt sagt, nicht ausreicht, mir diesen Bedeutungswandel<lb/> zu erklären. Ich sehe nicht ein, wie der Begriff der Voraussetzung zu dem<lb/> der Schöpfung soll werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1180"> Nun wird aber noch ein weiterer Schritt gethan, namentlich in der pas¬<lb/> siven Anwendung des Wortes. B wird durch A bedingt heißt endlich nicht<lb/> bloß: B wird durch A bewirkt, sondern B wird nur (!) durch A bewirkt,<lb/> es kann durch nichts andres entstehen als durch A, mit andern Worten also:<lb/> V hat A zur Voraussetzung. Und da wären wir denn glücklich bei der<lb/> vollständigen Verrücktheit angelangt. Denn wenn es jemandem ganz gleichgiltig<lb/> ist, ob er sagt: A hat Ä zur Voraussetzung, oder B hat A zur Voraussetzung,<lb/> B ist die Voraussetzung von A, oder A ist die Voraussetzung von B, wenn<lb/> er das beides (!) mit dem Satze ausdrückt: A bedingt B (oder passiv: B<lb/> wird durch A bedingt), mit andern Worten: wenn es ihm ganz gleichgiltig<lb/> ist, ob er sagt bedingen oder bedingt werden, so ist das doch die voll¬<lb/> ständige Verrücktheit. Auf diesem Punkte stehen wir aber jetzt thatsächlich. Ge¬<lb/> schrieben wird: Glück wird durch Leistungsfähigkeit bedingt — die Zulassung<lb/> zur Fakultät wird durch den Magistergrad bedingt, also aktiv ausgedrückt:<lb/> Leistungsfähigkeit bedingt Glück- der Magistergrad bedingt die Zulassung<lb/> zur Fakultät. Gemeine ist aber: Glück bedingt (d. h. ist nicht denkbar ohne)<lb/> Leistungsfähigkeit — die Zulassung zur Fakultät bedingt (d. h. ist nicht zu<lb/> erlangen ohne) den Magistergrad.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Bedingen und andre Modewörter
seit drei Jahren gemachte Erfahrung bedingt (war entstanden, war die Folge) —
Glück wird durch Leistungsfähigkeit bedingt (entsteht) — die Gefahr für den
innern Frieden ist in Deutschland ausschließlich bedingt durch den Gegensatz
zwischen Besitz nud Besitzlosigkeit (liegt in, beruht auf, entsteht ans) — die
durch den Reichtum bedingten Lebensgenusse (ermöglichten) u, s. w.
Überblicken wir die angeführten Beispiele, so „erhellt" daraus folgendes.
Die einen brauchen das unpersönliche bedingen in dem Sinne von: zur
Voraussetzung haben. A bedingt B, das heißt A hat B zur Boraus¬
setzung, A hängt von B ab, A ist unmöglich, undenkbar, wenn B nicht ist,
A erfordert, erheischt, verlangt also B. Ich will gleich hinzufügen, daß ich
das jetzt für die einzig vernünftige und berechtigte Anwendung des Wortes
halte; nur aus ihr erklärt sich das Wort Bedingung. Die Aufführung der
Oper bedingt großen Aufwand — das verstehe ich sofort; es heißt: die Oper
ist ohne großen Aufwand nicht ausführbar, der Aufwand ist die Voraussetzung,
die Bedingung einer wirkungsvollen Aufführung.
Nun brauchen aber andre das Wort in dem Sinne von bewirken und
den zahlreichen ihm sinnverwandten Wörtern (schaffen, erzengen, hervorbringen,
hervorrufen, verursachen, zur Folge haben). A bedingt B heißt dann: A ist
die Ursache von B; passiv ausgedrückt: B wird durch A bedingt heißt:
B ist die Folge vou A. Ich gestehe, daß meine geistige Fähigkeit, mein
„Können," wie man jetzt sagt, nicht ausreicht, mir diesen Bedeutungswandel
zu erklären. Ich sehe nicht ein, wie der Begriff der Voraussetzung zu dem
der Schöpfung soll werden können.
Nun wird aber noch ein weiterer Schritt gethan, namentlich in der pas¬
siven Anwendung des Wortes. B wird durch A bedingt heißt endlich nicht
bloß: B wird durch A bewirkt, sondern B wird nur (!) durch A bewirkt,
es kann durch nichts andres entstehen als durch A, mit andern Worten also:
V hat A zur Voraussetzung. Und da wären wir denn glücklich bei der
vollständigen Verrücktheit angelangt. Denn wenn es jemandem ganz gleichgiltig
ist, ob er sagt: A hat Ä zur Voraussetzung, oder B hat A zur Voraussetzung,
B ist die Voraussetzung von A, oder A ist die Voraussetzung von B, wenn
er das beides (!) mit dem Satze ausdrückt: A bedingt B (oder passiv: B
wird durch A bedingt), mit andern Worten: wenn es ihm ganz gleichgiltig
ist, ob er sagt bedingen oder bedingt werden, so ist das doch die voll¬
ständige Verrücktheit. Auf diesem Punkte stehen wir aber jetzt thatsächlich. Ge¬
schrieben wird: Glück wird durch Leistungsfähigkeit bedingt — die Zulassung
zur Fakultät wird durch den Magistergrad bedingt, also aktiv ausgedrückt:
Leistungsfähigkeit bedingt Glück- der Magistergrad bedingt die Zulassung
zur Fakultät. Gemeine ist aber: Glück bedingt (d. h. ist nicht denkbar ohne)
Leistungsfähigkeit — die Zulassung zur Fakultät bedingt (d. h. ist nicht zu
erlangen ohne) den Magistergrad.
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