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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Tendenzromane

Frankreich und Österreich, hatten sich geeinigt zum gemeinsamen Angriffe gegen
den verwegnen Fürsten, der sich vermaß, einen eignen Willen zu haben, der
sich von niemand dienstbar machen ließ. Was hat denn nun in diesem un¬
gleichen Kampfe Preußen gerettet? Gewiß war es in erster Linie die unver¬
gleichliche Feldherrngabe des großen Friedrich; gewiß hat die Tüchtigkeit des
preußischen, die Liederlichkeit des französischen Heeres, gewiß die Erfindung
des alten Dessauers, der eiserne Ladestock, gewiß Dauns übertriebene Bedächtig¬
keit und die Unfähigkeit des Herzogs von Lothringen das ihrige dazu beige¬
tragen. Aber durch das alles konnte doch das Mißverhältnis der Kräfte nicht
aufgewogen werden. Bei Kunersdorf wurde Friedrich mit seineu 50 000 Preußen
von 80 000 Russen und Österreichern besiegt; sein Heer war vernichtet, der
Weg nach Berlin stand den Feinden offen; der König selbst schrieb an seinen
Vertrauten, den Grafen Finkenstein: Ich halte alles sür verloren, ich werde
den Untergang des Vaterlandes nicht überleben. Aber im entscheidenden
Augenblicke brach zwischen den Verbündeten ein Zerwürfnis ans. Die Russen
meinten, sie hätten nun genug geleistet, jetzt möchten auch die Österreicher
zeigen, was sie könnten. Es kam zu keiner Verständigung; das russische Heer
ging nach der Weichsel zurück, und der preußische Staat war gerettet.

Zwei Jahre später lagen zwei verbündete Heere, ein österreichisches und
ein russisches, neben einander in Schlesien; ihnen gegenüber Friedrich, der nicht
halb so viel Soldaten zur Verfügung hatte wie feine beiden Gegner zusammen.
Aber auch diesmal verhinderte die Eifersucht der beideu Heerführer eiuen ge¬
meinsamen Angriff; wiederum zogen sich nach wochenlanger Unthätigkeit die
Russen nach dem Osten zurück, und Laudon hatte umsonst auf eiuen ver¬
nichtenden Schlag gehofft.

(Schluß folgt)




Tendenzromane

it diesen: Schlagworte wollen wir keineswegs ein ungünstiges
Vorurteil gegen die beiden Werke erwecken, von denen wir hier
sprechen wollen, obwohl wir wissen, daß das Wort einen Übeln
Beigeschmack hat. Wir stellen uns nicht auf deu Standpunkt
einer abstrakt formalistischen Ästhetik, die die Kunst nur der
Kunst wegen geübt wissen will, die ausschließlich nur die Form eines Werkes
in Betracht zieht. Auch folgen wir nicht der von den Naturalisten verzerrten


Tendenzromane

Frankreich und Österreich, hatten sich geeinigt zum gemeinsamen Angriffe gegen
den verwegnen Fürsten, der sich vermaß, einen eignen Willen zu haben, der
sich von niemand dienstbar machen ließ. Was hat denn nun in diesem un¬
gleichen Kampfe Preußen gerettet? Gewiß war es in erster Linie die unver¬
gleichliche Feldherrngabe des großen Friedrich; gewiß hat die Tüchtigkeit des
preußischen, die Liederlichkeit des französischen Heeres, gewiß die Erfindung
des alten Dessauers, der eiserne Ladestock, gewiß Dauns übertriebene Bedächtig¬
keit und die Unfähigkeit des Herzogs von Lothringen das ihrige dazu beige¬
tragen. Aber durch das alles konnte doch das Mißverhältnis der Kräfte nicht
aufgewogen werden. Bei Kunersdorf wurde Friedrich mit seineu 50 000 Preußen
von 80 000 Russen und Österreichern besiegt; sein Heer war vernichtet, der
Weg nach Berlin stand den Feinden offen; der König selbst schrieb an seinen
Vertrauten, den Grafen Finkenstein: Ich halte alles sür verloren, ich werde
den Untergang des Vaterlandes nicht überleben. Aber im entscheidenden
Augenblicke brach zwischen den Verbündeten ein Zerwürfnis ans. Die Russen
meinten, sie hätten nun genug geleistet, jetzt möchten auch die Österreicher
zeigen, was sie könnten. Es kam zu keiner Verständigung; das russische Heer
ging nach der Weichsel zurück, und der preußische Staat war gerettet.

Zwei Jahre später lagen zwei verbündete Heere, ein österreichisches und
ein russisches, neben einander in Schlesien; ihnen gegenüber Friedrich, der nicht
halb so viel Soldaten zur Verfügung hatte wie feine beiden Gegner zusammen.
Aber auch diesmal verhinderte die Eifersucht der beideu Heerführer eiuen ge¬
meinsamen Angriff; wiederum zogen sich nach wochenlanger Unthätigkeit die
Russen nach dem Osten zurück, und Laudon hatte umsonst auf eiuen ver¬
nichtenden Schlag gehofft.

(Schluß folgt)




Tendenzromane

it diesen: Schlagworte wollen wir keineswegs ein ungünstiges
Vorurteil gegen die beiden Werke erwecken, von denen wir hier
sprechen wollen, obwohl wir wissen, daß das Wort einen Übeln
Beigeschmack hat. Wir stellen uns nicht auf deu Standpunkt
einer abstrakt formalistischen Ästhetik, die die Kunst nur der
Kunst wegen geübt wissen will, die ausschließlich nur die Form eines Werkes
in Betracht zieht. Auch folgen wir nicht der von den Naturalisten verzerrten


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[0040] Tendenzromane Frankreich und Österreich, hatten sich geeinigt zum gemeinsamen Angriffe gegen den verwegnen Fürsten, der sich vermaß, einen eignen Willen zu haben, der sich von niemand dienstbar machen ließ. Was hat denn nun in diesem un¬ gleichen Kampfe Preußen gerettet? Gewiß war es in erster Linie die unver¬ gleichliche Feldherrngabe des großen Friedrich; gewiß hat die Tüchtigkeit des preußischen, die Liederlichkeit des französischen Heeres, gewiß die Erfindung des alten Dessauers, der eiserne Ladestock, gewiß Dauns übertriebene Bedächtig¬ keit und die Unfähigkeit des Herzogs von Lothringen das ihrige dazu beige¬ tragen. Aber durch das alles konnte doch das Mißverhältnis der Kräfte nicht aufgewogen werden. Bei Kunersdorf wurde Friedrich mit seineu 50 000 Preußen von 80 000 Russen und Österreichern besiegt; sein Heer war vernichtet, der Weg nach Berlin stand den Feinden offen; der König selbst schrieb an seinen Vertrauten, den Grafen Finkenstein: Ich halte alles sür verloren, ich werde den Untergang des Vaterlandes nicht überleben. Aber im entscheidenden Augenblicke brach zwischen den Verbündeten ein Zerwürfnis ans. Die Russen meinten, sie hätten nun genug geleistet, jetzt möchten auch die Österreicher zeigen, was sie könnten. Es kam zu keiner Verständigung; das russische Heer ging nach der Weichsel zurück, und der preußische Staat war gerettet. Zwei Jahre später lagen zwei verbündete Heere, ein österreichisches und ein russisches, neben einander in Schlesien; ihnen gegenüber Friedrich, der nicht halb so viel Soldaten zur Verfügung hatte wie feine beiden Gegner zusammen. Aber auch diesmal verhinderte die Eifersucht der beideu Heerführer eiuen ge¬ meinsamen Angriff; wiederum zogen sich nach wochenlanger Unthätigkeit die Russen nach dem Osten zurück, und Laudon hatte umsonst auf eiuen ver¬ nichtenden Schlag gehofft. (Schluß folgt) Tendenzromane it diesen: Schlagworte wollen wir keineswegs ein ungünstiges Vorurteil gegen die beiden Werke erwecken, von denen wir hier sprechen wollen, obwohl wir wissen, daß das Wort einen Übeln Beigeschmack hat. Wir stellen uns nicht auf deu Standpunkt einer abstrakt formalistischen Ästhetik, die die Kunst nur der Kunst wegen geübt wissen will, die ausschließlich nur die Form eines Werkes in Betracht zieht. Auch folgen wir nicht der von den Naturalisten verzerrten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/40>, abgerufen am 26.12.2024.