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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Vismarck und die sozialpolitische Gesetzgebung

n einem Bortrage, den kürzlich Regierungsrat or. Nuinpelt über
den Stand der deutschen Sozialrefvrm in einem Dresdner Be¬
zirksverein hielt, wies er auch darauf hin, daß, wie es sich auch
immer mit dem Widerspruch Bismarcks gegen die Weiterbildung
der sogenannten Arbeiterschutzgesetzgebung verhalten möge, einem
Widerspruch, der bekanntlich die hauptsächlichste Schuld an dem Scheiden
Bismarcks aus dem amtlichen Leben tragen soll, wir nicht vergessen könnten,
daß Fürst Bismarck "nicht nur der gewaltige Einiger Deutschlands, sondern
auch der Vater unsrer heutigen Sozialreform gewesen ist. Sein nnbeugsnmer
Wille, seine eiserne Hand haben zu einer Zeit, wo Staatshilfe auf sozialem
Gebiete noch für einen nationalökonomischen Greuel galt, die besitzenden Klassen
genötigt, die Verhältnisse der besitzlosen Arbeiterbevölkerung durch Versicherungs¬
gesetze zu heben und zu verbessern." Wie es nun heutzutage im Interesse aller
derer liegt, die mit der Fortschrittspartei und den Ultramontanen in irgend
einem Zusammenhange stehen, die Dankesschuld des deutschen Volkes gegen
den Schöpfer seiner Einheit, Macht und Größe dadurch auszulöschen, daß man
die Blätter der Geschichte zudeckt, auf denen das "Fort mit Bismarck!" ver¬
zeichnet ist, wie man ihn gern als den Baumeister unsers Staates beiseite
schieben möchte, so unb noch viel mehr möchte man ihn auch als den Schöpfer
unsrer Sozialreform beiseite schieben; man möchte sie am liebsten erst mit
den kaiserlichen Erlassen vom 4. Februar und mit der internationalen Arbeiter¬
schutzkonferenz vom 15. März dieses Jahres beginnen. Aber wie mau einst
w der Kvnfliktszeit unter sein Bild die Worte Homers schreiben konnte: "Einer
allein ist der Mann, die andern sind wankende Schatten," so wird man auch
u> Bezug auf die deutsche Sozialrefvrm, die einst nicht mehr bloß die deutsche
bleiben wird, mit Rudolph Genve sagen können:


G'enzbvien II 1890 43


Vismarck und die sozialpolitische Gesetzgebung

n einem Bortrage, den kürzlich Regierungsrat or. Nuinpelt über
den Stand der deutschen Sozialrefvrm in einem Dresdner Be¬
zirksverein hielt, wies er auch darauf hin, daß, wie es sich auch
immer mit dem Widerspruch Bismarcks gegen die Weiterbildung
der sogenannten Arbeiterschutzgesetzgebung verhalten möge, einem
Widerspruch, der bekanntlich die hauptsächlichste Schuld an dem Scheiden
Bismarcks aus dem amtlichen Leben tragen soll, wir nicht vergessen könnten,
daß Fürst Bismarck „nicht nur der gewaltige Einiger Deutschlands, sondern
auch der Vater unsrer heutigen Sozialreform gewesen ist. Sein nnbeugsnmer
Wille, seine eiserne Hand haben zu einer Zeit, wo Staatshilfe auf sozialem
Gebiete noch für einen nationalökonomischen Greuel galt, die besitzenden Klassen
genötigt, die Verhältnisse der besitzlosen Arbeiterbevölkerung durch Versicherungs¬
gesetze zu heben und zu verbessern." Wie es nun heutzutage im Interesse aller
derer liegt, die mit der Fortschrittspartei und den Ultramontanen in irgend
einem Zusammenhange stehen, die Dankesschuld des deutschen Volkes gegen
den Schöpfer seiner Einheit, Macht und Größe dadurch auszulöschen, daß man
die Blätter der Geschichte zudeckt, auf denen das „Fort mit Bismarck!" ver¬
zeichnet ist, wie man ihn gern als den Baumeister unsers Staates beiseite
schieben möchte, so unb noch viel mehr möchte man ihn auch als den Schöpfer
unsrer Sozialreform beiseite schieben; man möchte sie am liebsten erst mit
den kaiserlichen Erlassen vom 4. Februar und mit der internationalen Arbeiter¬
schutzkonferenz vom 15. März dieses Jahres beginnen. Aber wie mau einst
w der Kvnfliktszeit unter sein Bild die Worte Homers schreiben konnte: „Einer
allein ist der Mann, die andern sind wankende Schatten," so wird man auch
u> Bezug auf die deutsche Sozialrefvrm, die einst nicht mehr bloß die deutsche
bleiben wird, mit Rudolph Genve sagen können:


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[0345] [Abbildung] Vismarck und die sozialpolitische Gesetzgebung n einem Bortrage, den kürzlich Regierungsrat or. Nuinpelt über den Stand der deutschen Sozialrefvrm in einem Dresdner Be¬ zirksverein hielt, wies er auch darauf hin, daß, wie es sich auch immer mit dem Widerspruch Bismarcks gegen die Weiterbildung der sogenannten Arbeiterschutzgesetzgebung verhalten möge, einem Widerspruch, der bekanntlich die hauptsächlichste Schuld an dem Scheiden Bismarcks aus dem amtlichen Leben tragen soll, wir nicht vergessen könnten, daß Fürst Bismarck „nicht nur der gewaltige Einiger Deutschlands, sondern auch der Vater unsrer heutigen Sozialreform gewesen ist. Sein nnbeugsnmer Wille, seine eiserne Hand haben zu einer Zeit, wo Staatshilfe auf sozialem Gebiete noch für einen nationalökonomischen Greuel galt, die besitzenden Klassen genötigt, die Verhältnisse der besitzlosen Arbeiterbevölkerung durch Versicherungs¬ gesetze zu heben und zu verbessern." Wie es nun heutzutage im Interesse aller derer liegt, die mit der Fortschrittspartei und den Ultramontanen in irgend einem Zusammenhange stehen, die Dankesschuld des deutschen Volkes gegen den Schöpfer seiner Einheit, Macht und Größe dadurch auszulöschen, daß man die Blätter der Geschichte zudeckt, auf denen das „Fort mit Bismarck!" ver¬ zeichnet ist, wie man ihn gern als den Baumeister unsers Staates beiseite schieben möchte, so unb noch viel mehr möchte man ihn auch als den Schöpfer unsrer Sozialreform beiseite schieben; man möchte sie am liebsten erst mit den kaiserlichen Erlassen vom 4. Februar und mit der internationalen Arbeiter¬ schutzkonferenz vom 15. März dieses Jahres beginnen. Aber wie mau einst w der Kvnfliktszeit unter sein Bild die Worte Homers schreiben konnte: „Einer allein ist der Mann, die andern sind wankende Schatten," so wird man auch u> Bezug auf die deutsche Sozialrefvrm, die einst nicht mehr bloß die deutsche bleiben wird, mit Rudolph Genve sagen können: G'enzbvien II 1890 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/345>, abgerufen am 26.06.2024.