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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die schwachen leiten von Kriegsbündnissen
von Theodor Anapp

o mißlich es im allgeineiiien ist, voraussagen zu wollen, was die
Zukunft in ihrem Schoße birgt, so kann mal doch mit großer
Wahrscheinlichkeit behaupten: wenn Deutschland im Laufe der
nächsten Jahre in einen Krieg verwickelt werden sollte, fo wird
dies nicht ein Zweikampf zwischen zwei einzelnen Völkern sein,
sondern es werden sich zwei Gruppen von Mächten gegenüberstehen. Dafür
bürgt auf der einen Seite das mitteleuropäische Bündnis zwischen Deutschland,
Österreich und Italien, auf der andern die Annäherung, die sich seit dem
Jahre 1875 zwischen Frankreich und Nußland vollzieht.

Für einen Krieg verbündeter Mächte gegen einen gemeinsamen Feind ist
am Ende des vorigen Jahrhunderts der Name Kvalitionskrieg aufgebracht
worden. Das Wort Koalition ist abgeleitet von dein lateinischen (xmleseErö
(zusammenwachsen), sollte also eigentlich eine besonders innige Verbindung be¬
zeichnen; es wird aber jetzt in abgeschwächter Bedeutung für eine Vereinigung
überhaupt gebraucht. Eben deshalb, weil das Wort so viel verspricht und
doch am Ende so wenig hält, ist es bei seinein ersten Aufkommen von manchen,
z. B. von dein feinsinnigen Sprachmeister Herder, verspottet und zurückgewiesen
worden. Trotzdem hat es in unsrer Sprache Bürgerrecht erlangt und ist bis
jetzt jedenfalls durch kein andres zu ersetzen.

Koalitionskriege waren nicht nur die Kämpfe der europäischen Mächte
mit dem königlichen, dem republikanischen und dem kaiserlichen Frankreich zwischen
1792 und 1815, sondern auch die Kriege der Jahre 1072 bis 1714 gegen
Ludwig XIV., sodann, um weniger bedeutende beiseite zu lassen, der öster¬
reichische Erbfolgekrieg von 1740--1748 und der siebenjährige Krieg von
1756- 1763. Diese Koalitionskriege haben sich zu den verschiedensten Zeiten,
unter den verschiedenartigsten Bedingungen abgespielt. Gleichwohl bemerken
wir gewisse gemeinsame Züge, deren regelmäßige Wiederkehr den Gedanken
nahe legt, daß wir es mit wesentlichen Merkmalen des Konlitivnskrieges über¬
haupt zu thun haben.

Wir beginnen mit dein ersten, was bei einem Kriege not thut, mit der
Feststellung des .Kriegsplanes. Es ist selbstverständlich nicht möglich, den




Die schwachen leiten von Kriegsbündnissen
von Theodor Anapp

o mißlich es im allgeineiiien ist, voraussagen zu wollen, was die
Zukunft in ihrem Schoße birgt, so kann mal doch mit großer
Wahrscheinlichkeit behaupten: wenn Deutschland im Laufe der
nächsten Jahre in einen Krieg verwickelt werden sollte, fo wird
dies nicht ein Zweikampf zwischen zwei einzelnen Völkern sein,
sondern es werden sich zwei Gruppen von Mächten gegenüberstehen. Dafür
bürgt auf der einen Seite das mitteleuropäische Bündnis zwischen Deutschland,
Österreich und Italien, auf der andern die Annäherung, die sich seit dem
Jahre 1875 zwischen Frankreich und Nußland vollzieht.

Für einen Krieg verbündeter Mächte gegen einen gemeinsamen Feind ist
am Ende des vorigen Jahrhunderts der Name Kvalitionskrieg aufgebracht
worden. Das Wort Koalition ist abgeleitet von dein lateinischen (xmleseErö
(zusammenwachsen), sollte also eigentlich eine besonders innige Verbindung be¬
zeichnen; es wird aber jetzt in abgeschwächter Bedeutung für eine Vereinigung
überhaupt gebraucht. Eben deshalb, weil das Wort so viel verspricht und
doch am Ende so wenig hält, ist es bei seinein ersten Aufkommen von manchen,
z. B. von dein feinsinnigen Sprachmeister Herder, verspottet und zurückgewiesen
worden. Trotzdem hat es in unsrer Sprache Bürgerrecht erlangt und ist bis
jetzt jedenfalls durch kein andres zu ersetzen.

Koalitionskriege waren nicht nur die Kämpfe der europäischen Mächte
mit dem königlichen, dem republikanischen und dem kaiserlichen Frankreich zwischen
1792 und 1815, sondern auch die Kriege der Jahre 1072 bis 1714 gegen
Ludwig XIV., sodann, um weniger bedeutende beiseite zu lassen, der öster¬
reichische Erbfolgekrieg von 1740—1748 und der siebenjährige Krieg von
1756- 1763. Diese Koalitionskriege haben sich zu den verschiedensten Zeiten,
unter den verschiedenartigsten Bedingungen abgespielt. Gleichwohl bemerken
wir gewisse gemeinsame Züge, deren regelmäßige Wiederkehr den Gedanken
nahe legt, daß wir es mit wesentlichen Merkmalen des Konlitivnskrieges über¬
haupt zu thun haben.

Wir beginnen mit dein ersten, was bei einem Kriege not thut, mit der
Feststellung des .Kriegsplanes. Es ist selbstverständlich nicht möglich, den


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[0034] [Abbildung] Die schwachen leiten von Kriegsbündnissen von Theodor Anapp o mißlich es im allgeineiiien ist, voraussagen zu wollen, was die Zukunft in ihrem Schoße birgt, so kann mal doch mit großer Wahrscheinlichkeit behaupten: wenn Deutschland im Laufe der nächsten Jahre in einen Krieg verwickelt werden sollte, fo wird dies nicht ein Zweikampf zwischen zwei einzelnen Völkern sein, sondern es werden sich zwei Gruppen von Mächten gegenüberstehen. Dafür bürgt auf der einen Seite das mitteleuropäische Bündnis zwischen Deutschland, Österreich und Italien, auf der andern die Annäherung, die sich seit dem Jahre 1875 zwischen Frankreich und Nußland vollzieht. Für einen Krieg verbündeter Mächte gegen einen gemeinsamen Feind ist am Ende des vorigen Jahrhunderts der Name Kvalitionskrieg aufgebracht worden. Das Wort Koalition ist abgeleitet von dein lateinischen (xmleseErö (zusammenwachsen), sollte also eigentlich eine besonders innige Verbindung be¬ zeichnen; es wird aber jetzt in abgeschwächter Bedeutung für eine Vereinigung überhaupt gebraucht. Eben deshalb, weil das Wort so viel verspricht und doch am Ende so wenig hält, ist es bei seinein ersten Aufkommen von manchen, z. B. von dein feinsinnigen Sprachmeister Herder, verspottet und zurückgewiesen worden. Trotzdem hat es in unsrer Sprache Bürgerrecht erlangt und ist bis jetzt jedenfalls durch kein andres zu ersetzen. Koalitionskriege waren nicht nur die Kämpfe der europäischen Mächte mit dem königlichen, dem republikanischen und dem kaiserlichen Frankreich zwischen 1792 und 1815, sondern auch die Kriege der Jahre 1072 bis 1714 gegen Ludwig XIV., sodann, um weniger bedeutende beiseite zu lassen, der öster¬ reichische Erbfolgekrieg von 1740—1748 und der siebenjährige Krieg von 1756- 1763. Diese Koalitionskriege haben sich zu den verschiedensten Zeiten, unter den verschiedenartigsten Bedingungen abgespielt. Gleichwohl bemerken wir gewisse gemeinsame Züge, deren regelmäßige Wiederkehr den Gedanken nahe legt, daß wir es mit wesentlichen Merkmalen des Konlitivnskrieges über¬ haupt zu thun haben. Wir beginnen mit dein ersten, was bei einem Kriege not thut, mit der Feststellung des .Kriegsplanes. Es ist selbstverständlich nicht möglich, den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/34>, abgerufen am 26.06.2024.