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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Raimund-Reliquien

.Was soll eine Personifikation des Proteus Phantasie, die nach ihrer Entfesselung
den Dichter feurig durchströmt? Der Göttin, welcher Goethe den Preis giebt.


Der ewig beweglichen
Immer neuen
seltsamen Tochter Jovis,
Seinem Schoßkinde
Der Phantasie.

Wäre demnach Amphios Preislied das denkbar größte Wunderwerk der Dichter¬
phantasie? Wahrlich, uns sind die mit Ingrimm eingeschalteten komischen
Intermezzi willkommener als der leere Zwang, sowie der Harfenist Nachtigall
hier, "ach seiner poetischen Ideenfülle gefragt, die gefüllten Ideen gleich den
üefüllteu Krapfen den nngefnllten vorzieht. Es hilft nichts, dieser lustige Kerl,
^'r die mangelnde Kenntnis des Homer durch eine" dreisten "Hmnnr" wett-
"weht. bleibt die einzige lebendige Figur des Stückes, das mit seiner Ver¬
folgung der Dichterphantasie durch Vipria und Arrogautia gewiß persönlichen
Erfahrungen und Verstimmungen Raimunds entstiegen ist." (Seite
Und >n,u das Merkwürdigste:' wie klein ist die Rolle, die der ..Klotz" von
wie", Harfenisten, die Krone des Stückes, in der folgende" Inhalts¬
angabe spielt!

Inhalt des ZanberspieleS
Die gefesselte 1,'wi.nwkio.

Hermione die Königinn der Halbinsel Flora, welche unter dein göttlichen
Schuhe des Apollo steht, weil nicht nur ihre Beherrscherinn, sondern auch alle Be¬
wohner derselben, von der Natur mit poetischem Gemüthe beschenkt, und dnrch die
U'werwelkiichen Reihe des Landes begeistert, mit edler Leidenschaft der Poesie ^ob-
^gen; läßt daS Oracle" dieses Gottes befragen, durch welche Mittel die Ber-
!^r>mqssucht zweyer Zauberschwestern zu bändigen sey, welche sich in ihrem fried.
'."hin Lande niedergelassen, und es gänzlich zu verwüsten drohen. Das wracket
Ipricht: Wenn Hermione sich vermählt, und dein Lande einen würdigen Nomg
^)n>le, wird sie/die Macht der Zanberschwestern dadurch ltthmeiu mich prophezeiet
A dein Reiche einen Herrscher ans dem Hause von Athnnt. Das trieggeünnte
Königlich Athnnt gränzt an Hernüvnens Reich und sein Herrscher, erschien 4 Jahre*)
dem jetzigen Zeitpunkte mit seinem l kjährigen Sohn an dem Hof HermionenS.
!'ud warb für sich um ihre Hand. Hermione erwiderte entschuldigend, sie hätte
"" Tempel des Apollo ein Gelübde abgelegt, ihren Thron nur mit einem Dichter
teilen, und wenn er auch der Aermste ihres Volkes untre.

Der König von Athuut, dem Poesie ganz fremd ist und dessen Leidenschaften
"'ehr dem Kriege als der Liebe angehören, ehrt diesen Schwur, und dem Reiche
^'en Schutz versprechend, verläßt er es. Doch Amphio sein Sohn, wird von
^t'ger Liebe gegen Hermione ergriffen, und durchirrt verzweifelnd über den
schwur der Königinn" die Wälder von Athnnt. Da sinkt die Phantasie an,
Ebenen Wolken zu ihm nieder, gesendet vom Apoll, der die Prophezeihung seines
Orakels erfüllen will. Sie weihet ihn zum Dichter ein. und schwebt mit ihm nacb



Im Stück ist nur vo" zwei Jahren die Rede.
Raimund-Reliquien

.Was soll eine Personifikation des Proteus Phantasie, die nach ihrer Entfesselung
den Dichter feurig durchströmt? Der Göttin, welcher Goethe den Preis giebt.


Der ewig beweglichen
Immer neuen
seltsamen Tochter Jovis,
Seinem Schoßkinde
Der Phantasie.

Wäre demnach Amphios Preislied das denkbar größte Wunderwerk der Dichter¬
phantasie? Wahrlich, uns sind die mit Ingrimm eingeschalteten komischen
Intermezzi willkommener als der leere Zwang, sowie der Harfenist Nachtigall
hier, »ach seiner poetischen Ideenfülle gefragt, die gefüllten Ideen gleich den
üefüllteu Krapfen den nngefnllten vorzieht. Es hilft nichts, dieser lustige Kerl,
^'r die mangelnde Kenntnis des Homer durch eine» dreisten „Hmnnr" wett-
"weht. bleibt die einzige lebendige Figur des Stückes, das mit seiner Ver¬
folgung der Dichterphantasie durch Vipria und Arrogautia gewiß persönlichen
Erfahrungen und Verstimmungen Raimunds entstiegen ist." (Seite
Und >n,u das Merkwürdigste:' wie klein ist die Rolle, die der ..Klotz" von
wie», Harfenisten, die Krone des Stückes, in der folgende» Inhalts¬
angabe spielt!

Inhalt des ZanberspieleS
Die gefesselte 1,'wi.nwkio.

Hermione die Königinn der Halbinsel Flora, welche unter dein göttlichen
Schuhe des Apollo steht, weil nicht nur ihre Beherrscherinn, sondern auch alle Be¬
wohner derselben, von der Natur mit poetischem Gemüthe beschenkt, und dnrch die
U'werwelkiichen Reihe des Landes begeistert, mit edler Leidenschaft der Poesie ^ob-
^gen; läßt daS Oracle« dieses Gottes befragen, durch welche Mittel die Ber-
!^r>mqssucht zweyer Zauberschwestern zu bändigen sey, welche sich in ihrem fried.
'."hin Lande niedergelassen, und es gänzlich zu verwüsten drohen. Das wracket
Ipricht: Wenn Hermione sich vermählt, und dein Lande einen würdigen Nomg
^)n>le, wird sie/die Macht der Zanberschwestern dadurch ltthmeiu mich prophezeiet
A dein Reiche einen Herrscher ans dem Hause von Athnnt. Das trieggeünnte
Königlich Athnnt gränzt an Hernüvnens Reich und sein Herrscher, erschien 4 Jahre*)
dem jetzigen Zeitpunkte mit seinem l kjährigen Sohn an dem Hof HermionenS.
!'ud warb für sich um ihre Hand. Hermione erwiderte entschuldigend, sie hätte
"» Tempel des Apollo ein Gelübde abgelegt, ihren Thron nur mit einem Dichter
teilen, und wenn er auch der Aermste ihres Volkes untre.

Der König von Athuut, dem Poesie ganz fremd ist und dessen Leidenschaften
"'ehr dem Kriege als der Liebe angehören, ehrt diesen Schwur, und dem Reiche
^'en Schutz versprechend, verläßt er es. Doch Amphio sein Sohn, wird von
^t'ger Liebe gegen Hermione ergriffen, und durchirrt verzweifelnd über den
schwur der Königinn" die Wälder von Athnnt. Da sinkt die Phantasie an,
Ebenen Wolken zu ihm nieder, gesendet vom Apoll, der die Prophezeihung seines
Orakels erfüllen will. Sie weihet ihn zum Dichter ein. und schwebt mit ihm nacb



Im Stück ist nur vo» zwei Jahren die Rede.
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[0283] Raimund-Reliquien .Was soll eine Personifikation des Proteus Phantasie, die nach ihrer Entfesselung den Dichter feurig durchströmt? Der Göttin, welcher Goethe den Preis giebt. Der ewig beweglichen Immer neuen seltsamen Tochter Jovis, Seinem Schoßkinde Der Phantasie. Wäre demnach Amphios Preislied das denkbar größte Wunderwerk der Dichter¬ phantasie? Wahrlich, uns sind die mit Ingrimm eingeschalteten komischen Intermezzi willkommener als der leere Zwang, sowie der Harfenist Nachtigall hier, »ach seiner poetischen Ideenfülle gefragt, die gefüllten Ideen gleich den üefüllteu Krapfen den nngefnllten vorzieht. Es hilft nichts, dieser lustige Kerl, ^'r die mangelnde Kenntnis des Homer durch eine» dreisten „Hmnnr" wett- "weht. bleibt die einzige lebendige Figur des Stückes, das mit seiner Ver¬ folgung der Dichterphantasie durch Vipria und Arrogautia gewiß persönlichen Erfahrungen und Verstimmungen Raimunds entstiegen ist." (Seite Und >n,u das Merkwürdigste:' wie klein ist die Rolle, die der ..Klotz" von wie», Harfenisten, die Krone des Stückes, in der folgende» Inhalts¬ angabe spielt! Inhalt des ZanberspieleS Die gefesselte 1,'wi.nwkio. Hermione die Königinn der Halbinsel Flora, welche unter dein göttlichen Schuhe des Apollo steht, weil nicht nur ihre Beherrscherinn, sondern auch alle Be¬ wohner derselben, von der Natur mit poetischem Gemüthe beschenkt, und dnrch die U'werwelkiichen Reihe des Landes begeistert, mit edler Leidenschaft der Poesie ^ob- ^gen; läßt daS Oracle« dieses Gottes befragen, durch welche Mittel die Ber- !^r>mqssucht zweyer Zauberschwestern zu bändigen sey, welche sich in ihrem fried. '."hin Lande niedergelassen, und es gänzlich zu verwüsten drohen. Das wracket Ipricht: Wenn Hermione sich vermählt, und dein Lande einen würdigen Nomg ^)n>le, wird sie/die Macht der Zanberschwestern dadurch ltthmeiu mich prophezeiet A dein Reiche einen Herrscher ans dem Hause von Athnnt. Das trieggeünnte Königlich Athnnt gränzt an Hernüvnens Reich und sein Herrscher, erschien 4 Jahre*) dem jetzigen Zeitpunkte mit seinem l kjährigen Sohn an dem Hof HermionenS. !'ud warb für sich um ihre Hand. Hermione erwiderte entschuldigend, sie hätte "» Tempel des Apollo ein Gelübde abgelegt, ihren Thron nur mit einem Dichter teilen, und wenn er auch der Aermste ihres Volkes untre. Der König von Athuut, dem Poesie ganz fremd ist und dessen Leidenschaften "'ehr dem Kriege als der Liebe angehören, ehrt diesen Schwur, und dem Reiche ^'en Schutz versprechend, verläßt er es. Doch Amphio sein Sohn, wird von ^t'ger Liebe gegen Hermione ergriffen, und durchirrt verzweifelnd über den schwur der Königinn" die Wälder von Athnnt. Da sinkt die Phantasie an, Ebenen Wolken zu ihm nieder, gesendet vom Apoll, der die Prophezeihung seines Orakels erfüllen will. Sie weihet ihn zum Dichter ein. und schwebt mit ihm nacb Im Stück ist nur vo» zwei Jahren die Rede.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/283>, abgerufen am 26.06.2024.