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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die Ausstellung altniederländischer Kunstwerke in Berlin

Plumpe Stil nuf die Dauer den Eindruck einer lähmenden Gewalt und brutalen
Größe ausübt in inniger Übereinstimmung mit der Macht des taube", er¬
barmungslosen Schicksals, das über dem großen Epos l_.o,8 1ion^0n-IVIava.uÄrt
lagert und brütet.

Auf die fehlerhafte, widerspruchsvolle Charakteristik haben wir schon hin¬
gedeutet; es giebt in dem ganzen Roman nur eine Figur, die einigermaßen
der Wahrheit entspricht, gut gezeichnet ist und das Interesse des anständigen
Lesers in Anspruch nehmen kann, das ist der Steinbrecher und Fnhrtnecht
Cnbuchon, jener unglückliche Mensch mit der Hünengestalt und dem Kinder¬
herzen, der einzige ehrliche Kerl in dem ganzen Buche, der aber das Unglück
hat, in jede Mordgeschichte verwickelt zu werden und schließlich infolge seiner
geistigen Beschränktheit für alle unschuldig büßen muß. Im Grunde wäre also
die menschliche Dummheit 1-^ bßw buirmino -- wie konnte sich Zoln diesen
Gedanken entgehen lassen? Die Dummheit -- welche wunderbare Lösung, welche
weltgeschichtliche Wahrheit!




Die Ausstellung altniederländischer Kunstwerke
in Berlin
von Adolf Rosenberg

le schwankenden politischen Verhältnisse Frankreichs, der erbitterte
,>lampf der Parteien und die unsichere Haltung der Regierung
auf die gebietende, den I on ansehende Stellung von Paris
dem europäische" Kuustmarkte nicht den geringsten Eiiuluß
geübt. In Paris werden die größten und inhaltsvollsten Kunst-
sammlungen aus altadlichem Besitz wie aus den in guter Zeit gemachten Er¬
werbungen verkrachter Gründer politischen oder kaufmännischen Charakters ver¬
steigert; nach Paris strömen die reichen Kunstliebhaber ans aller Herren Ländern
zusammen und lassen ihr Gold auf deu öffentliche" Versteigerungen im Hotel
Drouot glüuzen. Außer denk Vorteil, el" mehr oder minder gutes Bild er¬
worben zu haben, schlagen sie, je nach dem aufgewendeten Preise, noch eine
Reklame heraus. Denn die geschickten Neklcuncmacher, die jede Pariser Ver¬
steigerung alter und neuer Kunstwerke in alle Welt hinausschreie" und durch
die Versendung üppig ausgestatteter Kataloge mit Ehrfurcht gebietenden Ra¬
dirungen und Heliogravüren unterstützen, erweisen sich hinterher auch dankbar


Die Ausstellung altniederländischer Kunstwerke in Berlin

Plumpe Stil nuf die Dauer den Eindruck einer lähmenden Gewalt und brutalen
Größe ausübt in inniger Übereinstimmung mit der Macht des taube», er¬
barmungslosen Schicksals, das über dem großen Epos l_.o,8 1ion^0n-IVIava.uÄrt
lagert und brütet.

Auf die fehlerhafte, widerspruchsvolle Charakteristik haben wir schon hin¬
gedeutet; es giebt in dem ganzen Roman nur eine Figur, die einigermaßen
der Wahrheit entspricht, gut gezeichnet ist und das Interesse des anständigen
Lesers in Anspruch nehmen kann, das ist der Steinbrecher und Fnhrtnecht
Cnbuchon, jener unglückliche Mensch mit der Hünengestalt und dem Kinder¬
herzen, der einzige ehrliche Kerl in dem ganzen Buche, der aber das Unglück
hat, in jede Mordgeschichte verwickelt zu werden und schließlich infolge seiner
geistigen Beschränktheit für alle unschuldig büßen muß. Im Grunde wäre also
die menschliche Dummheit 1-^ bßw buirmino — wie konnte sich Zoln diesen
Gedanken entgehen lassen? Die Dummheit — welche wunderbare Lösung, welche
weltgeschichtliche Wahrheit!




Die Ausstellung altniederländischer Kunstwerke
in Berlin
von Adolf Rosenberg

le schwankenden politischen Verhältnisse Frankreichs, der erbitterte
,>lampf der Parteien und die unsichere Haltung der Regierung
auf die gebietende, den I on ansehende Stellung von Paris
dem europäische» Kuustmarkte nicht den geringsten Eiiuluß
geübt. In Paris werden die größten und inhaltsvollsten Kunst-
sammlungen aus altadlichem Besitz wie aus den in guter Zeit gemachten Er¬
werbungen verkrachter Gründer politischen oder kaufmännischen Charakters ver¬
steigert; nach Paris strömen die reichen Kunstliebhaber ans aller Herren Ländern
zusammen und lassen ihr Gold auf deu öffentliche» Versteigerungen im Hotel
Drouot glüuzen. Außer denk Vorteil, el» mehr oder minder gutes Bild er¬
worben zu haben, schlagen sie, je nach dem aufgewendeten Preise, noch eine
Reklame heraus. Denn die geschickten Neklcuncmacher, die jede Pariser Ver¬
steigerung alter und neuer Kunstwerke in alle Welt hinausschreie» und durch
die Versendung üppig ausgestatteter Kataloge mit Ehrfurcht gebietenden Ra¬
dirungen und Heliogravüren unterstützen, erweisen sich hinterher auch dankbar


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[0186] Die Ausstellung altniederländischer Kunstwerke in Berlin Plumpe Stil nuf die Dauer den Eindruck einer lähmenden Gewalt und brutalen Größe ausübt in inniger Übereinstimmung mit der Macht des taube», er¬ barmungslosen Schicksals, das über dem großen Epos l_.o,8 1ion^0n-IVIava.uÄrt lagert und brütet. Auf die fehlerhafte, widerspruchsvolle Charakteristik haben wir schon hin¬ gedeutet; es giebt in dem ganzen Roman nur eine Figur, die einigermaßen der Wahrheit entspricht, gut gezeichnet ist und das Interesse des anständigen Lesers in Anspruch nehmen kann, das ist der Steinbrecher und Fnhrtnecht Cnbuchon, jener unglückliche Mensch mit der Hünengestalt und dem Kinder¬ herzen, der einzige ehrliche Kerl in dem ganzen Buche, der aber das Unglück hat, in jede Mordgeschichte verwickelt zu werden und schließlich infolge seiner geistigen Beschränktheit für alle unschuldig büßen muß. Im Grunde wäre also die menschliche Dummheit 1-^ bßw buirmino — wie konnte sich Zoln diesen Gedanken entgehen lassen? Die Dummheit — welche wunderbare Lösung, welche weltgeschichtliche Wahrheit! Die Ausstellung altniederländischer Kunstwerke in Berlin von Adolf Rosenberg le schwankenden politischen Verhältnisse Frankreichs, der erbitterte ,>lampf der Parteien und die unsichere Haltung der Regierung auf die gebietende, den I on ansehende Stellung von Paris dem europäische» Kuustmarkte nicht den geringsten Eiiuluß geübt. In Paris werden die größten und inhaltsvollsten Kunst- sammlungen aus altadlichem Besitz wie aus den in guter Zeit gemachten Er¬ werbungen verkrachter Gründer politischen oder kaufmännischen Charakters ver¬ steigert; nach Paris strömen die reichen Kunstliebhaber ans aller Herren Ländern zusammen und lassen ihr Gold auf deu öffentliche» Versteigerungen im Hotel Drouot glüuzen. Außer denk Vorteil, el» mehr oder minder gutes Bild er¬ worben zu haben, schlagen sie, je nach dem aufgewendeten Preise, noch eine Reklame heraus. Denn die geschickten Neklcuncmacher, die jede Pariser Ver¬ steigerung alter und neuer Kunstwerke in alle Welt hinausschreie» und durch die Versendung üppig ausgestatteter Kataloge mit Ehrfurcht gebietenden Ra¬ dirungen und Heliogravüren unterstützen, erweisen sich hinterher auch dankbar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/186>, abgerufen am 26.06.2024.