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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Der Zunftzwang

beharrlich mit demselben Maße gemessen werden, gelten ihm, wenn er mit
seinem ^ose unzufrieden ist, als glückliche Fanlenzer. Die Grenzboten brachten
kürzlich einen Aussatz, worin die Tnnschnngen geschildert wurden, die el" nen
angetretener junger Pfarrer im ersten Jahre seiner Thätigkeit zu erfahren hatte.
Ähnliches und noch Niederschlagenderes erlebt jeder, der dieses Amt wählt.
Wir brauchen die Besten ans unsrer Jugend! Man helfe dazu, daß die Besten
kommen, man weigere auch den eignen Sohn nicht dem Dienste der Kirche,
man begleite mit seiner Teilnahme das Wirken des protestantischen Land-
Pfarrers, wenn man zu denen gehört, die wollen, daß unser schönes, großes,
herrliches Vaterland in den Grundlagen seiner Macht und Kraft erhalten werde.




Der Zunftzwang

aß der Handwerkerstand als gewerblicher Mittelstand das Haupt¬
bollwerk gegen die Svzinldemokratie bilden würde, wenn seine
Wiederherstellung gelänge, ist schon längst ein Gemeinplatz ge¬
worden. Ein Teil der Fabrikarbeiter würde dann in den Gesellen-
, stand zurücktreten, und die Gesellen würden sich nicht mehr als
"Arbeiter," sondern wieder als Gehilfen des mitarbeitenden Meisters und als
zukünftige Meister fühlen nud benehmen. Die unglückselige Spaltung in
"Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber" würde auf einen geringern Umfang zurück¬
geführt werden. Nachdem durch die kaiserlichen Erlasse die Arbeiterfrage aufs
neue in Fluß geraten und in ein andres Bett gelenkt worden ist, werden sich
auch die Handwerker mit ihren Beschwerden und Wünschen bald wieder melden,
umso mehr, als der Kaiser schon wiederholt lebhafte Teilnahme für ihre Be¬
strebungen geäußert hat. Da ist es denn an der Zeit, es auszusprechen, daß
die Zünftler unter schadenfroher Beihilfe ihrer Feinde den Wagen gründlich
verfahren haben. Erstens schon dadurch, daß sie immer vom Handwerk in der
Einzahl sprechen, während doch die verschiednen Handwerke sich in sehr ver-
schiednen Lagen befinden und ganz verschiedne Bedürfnisse haben; wenn irgendwo,
so, war hier ans diesem reichen und bunten Gebiete das Verallgemeinern vom
Übel. Zweitens dadurch, daß sie den Zwang in den Vordergrund stellen, und
damit nicht allein bekunden, wie wenig sie das Wesen ihrer Borbilder, der
nider Handwerkerkvrperschaften, und ihre eignen Bedürfnisse begriffen hnbeii,


Der Zunftzwang

beharrlich mit demselben Maße gemessen werden, gelten ihm, wenn er mit
seinem ^ose unzufrieden ist, als glückliche Fanlenzer. Die Grenzboten brachten
kürzlich einen Aussatz, worin die Tnnschnngen geschildert wurden, die el» nen
angetretener junger Pfarrer im ersten Jahre seiner Thätigkeit zu erfahren hatte.
Ähnliches und noch Niederschlagenderes erlebt jeder, der dieses Amt wählt.
Wir brauchen die Besten ans unsrer Jugend! Man helfe dazu, daß die Besten
kommen, man weigere auch den eignen Sohn nicht dem Dienste der Kirche,
man begleite mit seiner Teilnahme das Wirken des protestantischen Land-
Pfarrers, wenn man zu denen gehört, die wollen, daß unser schönes, großes,
herrliches Vaterland in den Grundlagen seiner Macht und Kraft erhalten werde.




Der Zunftzwang

aß der Handwerkerstand als gewerblicher Mittelstand das Haupt¬
bollwerk gegen die Svzinldemokratie bilden würde, wenn seine
Wiederherstellung gelänge, ist schon längst ein Gemeinplatz ge¬
worden. Ein Teil der Fabrikarbeiter würde dann in den Gesellen-
, stand zurücktreten, und die Gesellen würden sich nicht mehr als
„Arbeiter," sondern wieder als Gehilfen des mitarbeitenden Meisters und als
zukünftige Meister fühlen nud benehmen. Die unglückselige Spaltung in
„Arbeitnehmer" und „Arbeitgeber" würde auf einen geringern Umfang zurück¬
geführt werden. Nachdem durch die kaiserlichen Erlasse die Arbeiterfrage aufs
neue in Fluß geraten und in ein andres Bett gelenkt worden ist, werden sich
auch die Handwerker mit ihren Beschwerden und Wünschen bald wieder melden,
umso mehr, als der Kaiser schon wiederholt lebhafte Teilnahme für ihre Be¬
strebungen geäußert hat. Da ist es denn an der Zeit, es auszusprechen, daß
die Zünftler unter schadenfroher Beihilfe ihrer Feinde den Wagen gründlich
verfahren haben. Erstens schon dadurch, daß sie immer vom Handwerk in der
Einzahl sprechen, während doch die verschiednen Handwerke sich in sehr ver-
schiednen Lagen befinden und ganz verschiedne Bedürfnisse haben; wenn irgendwo,
so, war hier ans diesem reichen und bunten Gebiete das Verallgemeinern vom
Übel. Zweitens dadurch, daß sie den Zwang in den Vordergrund stellen, und
damit nicht allein bekunden, wie wenig sie das Wesen ihrer Borbilder, der
nider Handwerkerkvrperschaften, und ihre eignen Bedürfnisse begriffen hnbeii,


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[0455] Der Zunftzwang beharrlich mit demselben Maße gemessen werden, gelten ihm, wenn er mit seinem ^ose unzufrieden ist, als glückliche Fanlenzer. Die Grenzboten brachten kürzlich einen Aussatz, worin die Tnnschnngen geschildert wurden, die el» nen angetretener junger Pfarrer im ersten Jahre seiner Thätigkeit zu erfahren hatte. Ähnliches und noch Niederschlagenderes erlebt jeder, der dieses Amt wählt. Wir brauchen die Besten ans unsrer Jugend! Man helfe dazu, daß die Besten kommen, man weigere auch den eignen Sohn nicht dem Dienste der Kirche, man begleite mit seiner Teilnahme das Wirken des protestantischen Land- Pfarrers, wenn man zu denen gehört, die wollen, daß unser schönes, großes, herrliches Vaterland in den Grundlagen seiner Macht und Kraft erhalten werde. Der Zunftzwang aß der Handwerkerstand als gewerblicher Mittelstand das Haupt¬ bollwerk gegen die Svzinldemokratie bilden würde, wenn seine Wiederherstellung gelänge, ist schon längst ein Gemeinplatz ge¬ worden. Ein Teil der Fabrikarbeiter würde dann in den Gesellen- , stand zurücktreten, und die Gesellen würden sich nicht mehr als „Arbeiter," sondern wieder als Gehilfen des mitarbeitenden Meisters und als zukünftige Meister fühlen nud benehmen. Die unglückselige Spaltung in „Arbeitnehmer" und „Arbeitgeber" würde auf einen geringern Umfang zurück¬ geführt werden. Nachdem durch die kaiserlichen Erlasse die Arbeiterfrage aufs neue in Fluß geraten und in ein andres Bett gelenkt worden ist, werden sich auch die Handwerker mit ihren Beschwerden und Wünschen bald wieder melden, umso mehr, als der Kaiser schon wiederholt lebhafte Teilnahme für ihre Be¬ strebungen geäußert hat. Da ist es denn an der Zeit, es auszusprechen, daß die Zünftler unter schadenfroher Beihilfe ihrer Feinde den Wagen gründlich verfahren haben. Erstens schon dadurch, daß sie immer vom Handwerk in der Einzahl sprechen, während doch die verschiednen Handwerke sich in sehr ver- schiednen Lagen befinden und ganz verschiedne Bedürfnisse haben; wenn irgendwo, so, war hier ans diesem reichen und bunten Gebiete das Verallgemeinern vom Übel. Zweitens dadurch, daß sie den Zwang in den Vordergrund stellen, und damit nicht allein bekunden, wie wenig sie das Wesen ihrer Borbilder, der nider Handwerkerkvrperschaften, und ihre eignen Bedürfnisse begriffen hnbeii,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/455>, abgerufen am 03.07.2024.