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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Allerhand Svrachdmmnheiteu

wenn er solchergestalt den dummen Gedanken einer geistlosen Welt für den
Kern von Darwins Hypothese ansgiel't, so verunglimpft er den Meister. Das;
das Salz der Erde dumm wird, erlebt man leider zuweilen; allein ganz un-
erhört ist es, daß jemals ein Dummkopf weise geworden wäre. Die Materie
aber, der geistlose Stoff, ist das Artname in der Welt; und ehe ich glaube,
daß blind sich stoßende Körpermassen von selber schöne und kunstvolle Gebilde
hervorbringen oder auch nur das schwächste Geistesfünklein erzengen, glaube
ich lieber an die schwebende Bratpfanne zu Resan.




Allerhand Hprachdummheiten
(Fortsetzung)

n der Deklination der Adjektiva herrscht ein garstiger Mißbrauch
bei den Adjektiven, deren Stamm ans --el und -er endigt, wie
edel, eitel, übel, dunkel, lauter, wacker; auch alle Kom-
parativstänune, wie besser, größer, unser, euer, immer,
außer, ander, gehören hierher. Bei diesen Adjektiven kommen
in der Deklination zwei Silben mit kurzem c zusammen, also: des eitelen
Menschen, dem übelen Rufe, dem dunkelen Grunde, unseres Wissens, mit
besserem Erfolge, aus härterem Holze. Diese Formen sind unerträglich,
man schreibt sie wohl bisweilen, aber niemand spricht sie, eins der beiden e
muß weichen; aber welches von beiden? Die richtige Antwort darauf giebt
der Infinitiv der Verba, die von Stämmen auf --el und --er gebildet sind.
Soviel ich weiß, ist es nur in einer Gegend Deutschlands, in Hannover, Sitte,
zu sagen: labten, handlen, wandle", veredlen, vereitlen, verdunklen,
verwechsle,!, cinsbeutlen, andren, Verwundren, erinureu, erschütt¬
ren, veräußren, versilbren, erläutreu; im ganzen übrigen Deutschland
sagt man tadeln, veredeln, erinnern, erläutern, d. h. man opfert das e
der Endung und bewahrt das e des Stammes. Und so ist es gut und ver¬
nünftig.") Nicht nur daß das Stamm-e wichtiger ist, als das der Endung,
die Formen ans -- ein, -- ern klingen auch voller, kräftiger, sie erfordern



*) Ebenso in der Flexion: er vereitelt, verände re, nicht er vereitlet, veriindret.
Eigentlich gehören hierher auch noch die Berbalstämme auf n, wie rechen, orden, also über¬
haupt alle, die aus eine sogenannte Liquida (l, r, n) ausgehen. Die Infinitive können hier
natürlich nnr rechnen, ordnen lauten, wen" ein e geopfert werden soll, das Partizip aber
z. B., das wir jetzt gerechnet, geordnet bilde", lautete im sechzehnten und siebzehnten Jahr-
hundert allgemein gerecheui, geordent. Auch da also die vollen, kräftigen Formen!
Allerhand Svrachdmmnheiteu

wenn er solchergestalt den dummen Gedanken einer geistlosen Welt für den
Kern von Darwins Hypothese ansgiel't, so verunglimpft er den Meister. Das;
das Salz der Erde dumm wird, erlebt man leider zuweilen; allein ganz un-
erhört ist es, daß jemals ein Dummkopf weise geworden wäre. Die Materie
aber, der geistlose Stoff, ist das Artname in der Welt; und ehe ich glaube,
daß blind sich stoßende Körpermassen von selber schöne und kunstvolle Gebilde
hervorbringen oder auch nur das schwächste Geistesfünklein erzengen, glaube
ich lieber an die schwebende Bratpfanne zu Resan.




Allerhand Hprachdummheiten
(Fortsetzung)

n der Deklination der Adjektiva herrscht ein garstiger Mißbrauch
bei den Adjektiven, deren Stamm ans —el und -er endigt, wie
edel, eitel, übel, dunkel, lauter, wacker; auch alle Kom-
parativstänune, wie besser, größer, unser, euer, immer,
außer, ander, gehören hierher. Bei diesen Adjektiven kommen
in der Deklination zwei Silben mit kurzem c zusammen, also: des eitelen
Menschen, dem übelen Rufe, dem dunkelen Grunde, unseres Wissens, mit
besserem Erfolge, aus härterem Holze. Diese Formen sind unerträglich,
man schreibt sie wohl bisweilen, aber niemand spricht sie, eins der beiden e
muß weichen; aber welches von beiden? Die richtige Antwort darauf giebt
der Infinitiv der Verba, die von Stämmen auf —el und —er gebildet sind.
Soviel ich weiß, ist es nur in einer Gegend Deutschlands, in Hannover, Sitte,
zu sagen: labten, handlen, wandle», veredlen, vereitlen, verdunklen,
verwechsle,!, cinsbeutlen, andren, Verwundren, erinureu, erschütt¬
ren, veräußren, versilbren, erläutreu; im ganzen übrigen Deutschland
sagt man tadeln, veredeln, erinnern, erläutern, d. h. man opfert das e
der Endung und bewahrt das e des Stammes. Und so ist es gut und ver¬
nünftig.") Nicht nur daß das Stamm-e wichtiger ist, als das der Endung,
die Formen ans — ein, — ern klingen auch voller, kräftiger, sie erfordern



*) Ebenso in der Flexion: er vereitelt, verände re, nicht er vereitlet, veriindret.
Eigentlich gehören hierher auch noch die Berbalstämme auf n, wie rechen, orden, also über¬
haupt alle, die aus eine sogenannte Liquida (l, r, n) ausgehen. Die Infinitive können hier
natürlich nnr rechnen, ordnen lauten, wen» ein e geopfert werden soll, das Partizip aber
z. B., das wir jetzt gerechnet, geordnet bilde», lautete im sechzehnten und siebzehnten Jahr-
hundert allgemein gerecheui, geordent. Auch da also die vollen, kräftigen Formen!
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[0524] Allerhand Svrachdmmnheiteu wenn er solchergestalt den dummen Gedanken einer geistlosen Welt für den Kern von Darwins Hypothese ansgiel't, so verunglimpft er den Meister. Das; das Salz der Erde dumm wird, erlebt man leider zuweilen; allein ganz un- erhört ist es, daß jemals ein Dummkopf weise geworden wäre. Die Materie aber, der geistlose Stoff, ist das Artname in der Welt; und ehe ich glaube, daß blind sich stoßende Körpermassen von selber schöne und kunstvolle Gebilde hervorbringen oder auch nur das schwächste Geistesfünklein erzengen, glaube ich lieber an die schwebende Bratpfanne zu Resan. Allerhand Hprachdummheiten (Fortsetzung) n der Deklination der Adjektiva herrscht ein garstiger Mißbrauch bei den Adjektiven, deren Stamm ans —el und -er endigt, wie edel, eitel, übel, dunkel, lauter, wacker; auch alle Kom- parativstänune, wie besser, größer, unser, euer, immer, außer, ander, gehören hierher. Bei diesen Adjektiven kommen in der Deklination zwei Silben mit kurzem c zusammen, also: des eitelen Menschen, dem übelen Rufe, dem dunkelen Grunde, unseres Wissens, mit besserem Erfolge, aus härterem Holze. Diese Formen sind unerträglich, man schreibt sie wohl bisweilen, aber niemand spricht sie, eins der beiden e muß weichen; aber welches von beiden? Die richtige Antwort darauf giebt der Infinitiv der Verba, die von Stämmen auf —el und —er gebildet sind. Soviel ich weiß, ist es nur in einer Gegend Deutschlands, in Hannover, Sitte, zu sagen: labten, handlen, wandle», veredlen, vereitlen, verdunklen, verwechsle,!, cinsbeutlen, andren, Verwundren, erinureu, erschütt¬ ren, veräußren, versilbren, erläutreu; im ganzen übrigen Deutschland sagt man tadeln, veredeln, erinnern, erläutern, d. h. man opfert das e der Endung und bewahrt das e des Stammes. Und so ist es gut und ver¬ nünftig.") Nicht nur daß das Stamm-e wichtiger ist, als das der Endung, die Formen ans — ein, — ern klingen auch voller, kräftiger, sie erfordern *) Ebenso in der Flexion: er vereitelt, verände re, nicht er vereitlet, veriindret. Eigentlich gehören hierher auch noch die Berbalstämme auf n, wie rechen, orden, also über¬ haupt alle, die aus eine sogenannte Liquida (l, r, n) ausgehen. Die Infinitive können hier natürlich nnr rechnen, ordnen lauten, wen» ein e geopfert werden soll, das Partizip aber z. B., das wir jetzt gerechnet, geordnet bilde», lautete im sechzehnten und siebzehnten Jahr- hundert allgemein gerecheui, geordent. Auch da also die vollen, kräftigen Formen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/524>, abgerufen am 23.06.2024.