Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Buckle und Darwin meint. Versuche, sie zu beantworten, erinnern nur verdrießlich an Carlyles Buckle und Darwin Z it Staunen und Unwillen vernahm Darwin, wie in Deutschland Buckle und Darwin meint. Versuche, sie zu beantworten, erinnern nur verdrießlich an Carlyles Buckle und Darwin Z it Staunen und Unwillen vernahm Darwin, wie in Deutschland <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0515" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206514"/> <fw type="header" place="top"> Buckle und Darwin</fw><lb/> <p xml:id="ID_1751" prev="#ID_1750"> meint. Versuche, sie zu beantworten, erinnern nur verdrießlich an Carlyles<lb/> kräftigen Einspruch gegen ähnliche Versuche, die Verantwortlichkeit für eine<lb/> andre Katastrophe, und zwar für eine schrecklichere als die von 1870, von dem<lb/> wahren Schuldigen hinwegzudeutcln und auf Rechnung andrer zu setzen. Es<lb/> sollte, als vor hundert Jahren die Revolution ausbrach, die Schwäche des<lb/> Königs, die Leichtfertigkeit der Königin, die Selbstsucht des Adels, die schläfrige<lb/> Gleichgültigkeit der Kirche, es sollte dies und es sollte jenes die Ursache ge¬<lb/> wesen sein. „Meine Freunde — sagt der realistische englische Geschicht¬<lb/> schreiber —, es war jener quacksalbernde Scheinmensch, der vorgab, etwas zu<lb/> thun, während er doch nur aß und trank und nichts that." Es war auch<lb/> 1870 das Scheinwesen der Franzosen, mit dem sie der gegen sie heranziehenden<lb/> Wirklichkeit erlagen. Ihre Macht gegenüber Europa und zunächst gegenüber<lb/> Deutschland war Selbsttäuschung und Täuschung andrer, war in doppeltem<lb/> Sinne Schwindel gewesen, der eine ernste Probe nicht aushielt. Der Haus¬<lb/> schwamm der sittlichen Verderbnis hatte das staatliche Gebäude zerfressen, als<lb/> der Oststurm kam, und so sank es rasch vor seinen Stößen zusammen. Napoleon<lb/> hatte diese Trockenfäule nicht hereingebracht, sondern schon vorgefunden und<lb/> nur entwickelt. Die parlamentarische Republik hat sie nicht beseitigt, und so<lb/> kann es einmal ein zweites 1870 geben, wenn man dem friedfertigen Deutsch¬<lb/> land gegenüber das Schicksal herausfordert.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Buckle und Darwin<lb/> Z</head><lb/> <p xml:id="ID_1752" next="#ID_1753"> it Staunen und Unwillen vernahm Darwin, wie in Deutschland<lb/> seine Lehre sogar sür sozialistische Zwecke ausgebeutet werde.<lb/> Dagegen konnte es ihn nicht überraschen, daß in seinen: Vaterlande,<lb/> wo Bibelglänbigkeit zum guten Ton gehört, der Ersatz der Welt-<lb/> schöpfung durch die Zuchtwahl ungeheuern Anstoß erregte. Wir<lb/> übergehen den Streit darüber, der uns Deutsche ja weiter nicht interessirt,<lb/> und beschränken uns darauf, darzuthun, daß Darwins Gelehrtengewissen voll¬<lb/> kommen rein war. Er war weit entfernt davon, gleich manchen Deutschen die<lb/> Descendcnzthevrie nur darum mit Freuden zu begrüßen, weil sie Gott über¬<lb/> flüssig zu mache« schien, oder gar sie zu diesem Zwecke zu vervollkommnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0515]
Buckle und Darwin
meint. Versuche, sie zu beantworten, erinnern nur verdrießlich an Carlyles
kräftigen Einspruch gegen ähnliche Versuche, die Verantwortlichkeit für eine
andre Katastrophe, und zwar für eine schrecklichere als die von 1870, von dem
wahren Schuldigen hinwegzudeutcln und auf Rechnung andrer zu setzen. Es
sollte, als vor hundert Jahren die Revolution ausbrach, die Schwäche des
Königs, die Leichtfertigkeit der Königin, die Selbstsucht des Adels, die schläfrige
Gleichgültigkeit der Kirche, es sollte dies und es sollte jenes die Ursache ge¬
wesen sein. „Meine Freunde — sagt der realistische englische Geschicht¬
schreiber —, es war jener quacksalbernde Scheinmensch, der vorgab, etwas zu
thun, während er doch nur aß und trank und nichts that." Es war auch
1870 das Scheinwesen der Franzosen, mit dem sie der gegen sie heranziehenden
Wirklichkeit erlagen. Ihre Macht gegenüber Europa und zunächst gegenüber
Deutschland war Selbsttäuschung und Täuschung andrer, war in doppeltem
Sinne Schwindel gewesen, der eine ernste Probe nicht aushielt. Der Haus¬
schwamm der sittlichen Verderbnis hatte das staatliche Gebäude zerfressen, als
der Oststurm kam, und so sank es rasch vor seinen Stößen zusammen. Napoleon
hatte diese Trockenfäule nicht hereingebracht, sondern schon vorgefunden und
nur entwickelt. Die parlamentarische Republik hat sie nicht beseitigt, und so
kann es einmal ein zweites 1870 geben, wenn man dem friedfertigen Deutsch¬
land gegenüber das Schicksal herausfordert.
Buckle und Darwin
Z
it Staunen und Unwillen vernahm Darwin, wie in Deutschland
seine Lehre sogar sür sozialistische Zwecke ausgebeutet werde.
Dagegen konnte es ihn nicht überraschen, daß in seinen: Vaterlande,
wo Bibelglänbigkeit zum guten Ton gehört, der Ersatz der Welt-
schöpfung durch die Zuchtwahl ungeheuern Anstoß erregte. Wir
übergehen den Streit darüber, der uns Deutsche ja weiter nicht interessirt,
und beschränken uns darauf, darzuthun, daß Darwins Gelehrtengewissen voll¬
kommen rein war. Er war weit entfernt davon, gleich manchen Deutschen die
Descendcnzthevrie nur darum mit Freuden zu begrüßen, weil sie Gott über¬
flüssig zu mache« schien, oder gar sie zu diesem Zwecke zu vervollkommnen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |