Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Allerhand Sprachdnmmheiten Seine Abneigung gegen Bevormundung verleitet Buckle zu dem Paradoxon: Allerhand ^prachdummheiten (Fortsetzung) "s- ! "TAWlM."^ Allerhand Sprachdnmmheiten Seine Abneigung gegen Bevormundung verleitet Buckle zu dem Paradoxon: Allerhand ^prachdummheiten (Fortsetzung) «s- ! «TAWlM.«^ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206475"/> <fw type="header" place="top"> Allerhand Sprachdnmmheiten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1623"> Seine Abneigung gegen Bevormundung verleitet Buckle zu dem Paradoxon:<lb/> chlechte Monarchen seien guten und schwache, unfähige Regierungen den starken<lb/> und erfolgreichen vorzuziehen, weil die erstern das Volk zwängen, seine Ange¬<lb/> legenheiten selbst in die Hand zu nehmen, während es den letztern gegenüber<lb/> leicht aus Liebe und Ehrfurcht vertrauensvoll auf seine Selbständigkeit Verzicht<lb/> leiste. Weit milder drückt Gustav Freytag in seinen „Erinnerungsblättern"<lb/> einen ähnlichen Gedanken aus, wenn er sagt, die treue deutsche Nation verziehe<lb/> unablässig ihre Gebieter, am meisten die, die sie am meisten liebe. Gegen Buckles<lb/> Theorie wäre u. a. einzuwenden, daß ein tüchtiges Volk sich gewöhnlich auch eine<lb/> tüchtige Negierung schaffen wird, und daß unsre festländischen Staaten unter<lb/> schwachen Regierungen Gefahr laufen, ihre Selbständigkeit zu verlieren, während<lb/> das Inselreich bisher einen feindlichen Einfall kaum zu fürchten hatte. Jeden¬<lb/> falls war die glorreiche Regierungszeit Wilhelms I. uicht die geeignete Zeit<lb/> zur Verbreitung derartiger Grundsätze in Deutschland; und wenn Buckle sehen<lb/> könnte, welcher Wertschätzung sich heute der von ihm verachtete Soldatenstand<lb/> sogar in England erfreut, so würde er sich verwundert fragen: Wer von uns<lb/> beiden schreitet nun eigentlich zurück: ich oder die Zivilisation?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Allerhand ^prachdummheiten<lb/> (Fortsetzung)</head><lb/> <p xml:id="ID_1624" next="#ID_1625"> «s- ! «TAWlM.«^<lb/> ^WWM'<lb/> M)om sind denn aber eigentlich unsre Schulen da, vor allem<lb/> unsre höhern Schulen? Wird denn an ihnen nicht oder nicht<lb/> mehr gut und richtig deutsch schreiben gelehrt? Wozu bedarf<lb/> es überhaupt eines Sprachvereins, wenn die Schule ihre<lb/> Schuldigkeit thut? — Damit komme ich zu einem etwas heikeln<lb/> Punkte. Die Wahrheit ist: Nein, im allgemeinen wird es nicht gelehrt. Ich will<lb/> uicht von der Volksschule reden. Ihre Aufgabe ist es uicht, Schriftsteller zu<lb/> bilden, ihre Schüler zu einem kunstmäßigen Gebrauch der Sprache zu erziehen.<lb/> Wenn der Handwerker, der die Volksschule besucht hat, eiuen leidlichen Ge¬<lb/> schäftsbrief schreiben, eine Rechnung richtig ausstellen kann, so hat er genug<lb/> gelernt. Außerdem sollte es die Volksschule freilich dahin bringen, daß die<lb/> Jungen ein Fremdwort von einem deutschen Worte zu unterscheiden wissen,<lb/> daß sie sich mit Fremdwörtern möglichst in Acht nehmen lernen, sie vermeiden,<lb/> wo sie nur irgeud können, und daß sie alle Prahlerei mit Fremdwörtern als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0476]
Allerhand Sprachdnmmheiten
Seine Abneigung gegen Bevormundung verleitet Buckle zu dem Paradoxon:
chlechte Monarchen seien guten und schwache, unfähige Regierungen den starken
und erfolgreichen vorzuziehen, weil die erstern das Volk zwängen, seine Ange¬
legenheiten selbst in die Hand zu nehmen, während es den letztern gegenüber
leicht aus Liebe und Ehrfurcht vertrauensvoll auf seine Selbständigkeit Verzicht
leiste. Weit milder drückt Gustav Freytag in seinen „Erinnerungsblättern"
einen ähnlichen Gedanken aus, wenn er sagt, die treue deutsche Nation verziehe
unablässig ihre Gebieter, am meisten die, die sie am meisten liebe. Gegen Buckles
Theorie wäre u. a. einzuwenden, daß ein tüchtiges Volk sich gewöhnlich auch eine
tüchtige Negierung schaffen wird, und daß unsre festländischen Staaten unter
schwachen Regierungen Gefahr laufen, ihre Selbständigkeit zu verlieren, während
das Inselreich bisher einen feindlichen Einfall kaum zu fürchten hatte. Jeden¬
falls war die glorreiche Regierungszeit Wilhelms I. uicht die geeignete Zeit
zur Verbreitung derartiger Grundsätze in Deutschland; und wenn Buckle sehen
könnte, welcher Wertschätzung sich heute der von ihm verachtete Soldatenstand
sogar in England erfreut, so würde er sich verwundert fragen: Wer von uns
beiden schreitet nun eigentlich zurück: ich oder die Zivilisation?
Allerhand ^prachdummheiten
(Fortsetzung)
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M)om sind denn aber eigentlich unsre Schulen da, vor allem
unsre höhern Schulen? Wird denn an ihnen nicht oder nicht
mehr gut und richtig deutsch schreiben gelehrt? Wozu bedarf
es überhaupt eines Sprachvereins, wenn die Schule ihre
Schuldigkeit thut? — Damit komme ich zu einem etwas heikeln
Punkte. Die Wahrheit ist: Nein, im allgemeinen wird es nicht gelehrt. Ich will
uicht von der Volksschule reden. Ihre Aufgabe ist es uicht, Schriftsteller zu
bilden, ihre Schüler zu einem kunstmäßigen Gebrauch der Sprache zu erziehen.
Wenn der Handwerker, der die Volksschule besucht hat, eiuen leidlichen Ge¬
schäftsbrief schreiben, eine Rechnung richtig ausstellen kann, so hat er genug
gelernt. Außerdem sollte es die Volksschule freilich dahin bringen, daß die
Jungen ein Fremdwort von einem deutschen Worte zu unterscheiden wissen,
daß sie sich mit Fremdwörtern möglichst in Acht nehmen lernen, sie vermeiden,
wo sie nur irgeud können, und daß sie alle Prahlerei mit Fremdwörtern als
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