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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Junge Liebe

lange" Tage, an denen ihre Thür kaum geöffnet wurde, konnte sie ganz still
mit ihrer Näharbeit ans ihrem Stuhle sitzen und nur dem ewigen Brausen
des Waldes lauschen, das ihre Ohren nicht verließ.

Am Abend kam dann der Klub. Und dann war es ihr ein wehmütiger
Trost, die Gesichter der alten Freunde von Zufriedenheit und Freude strahlen
zu sehen. Sie lies; sich auch ruhig die Wange küssen, nahm sogar zu Zeiten
ohne Widerwillen zwischen ihnen Platz, ganz wie in alten Tagen, und ging
ihnen mit Krug und Becher zur Hand wie eine tüchtige kleine Hausfrau.

Aber hin und wieder, wenn die Trunkenheit stieg und der Streit allge¬
mein wurde, glitt sie unbemerkt aus dem Zimmer, setzte sich auf die Fliesen,
bedeckte ihr Antlitz mit der Schürze und weinte bitterlich.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Zur religiösen Erziehung der Kinder aus Mischehen hat der evan¬
gelische Bund fast einstimmig folgende Anträge seines engern Vorstandes ange¬
nommen:

1. Die Vorschrift der ^ 1509 und 1658 des Entwurfs eines bürgerliche"
Gesetzbuches, wonach die Bestimmung, in welchem religiösen Bekenntnisse die Kinder
zu erziehen sind, den einzelnen Landesgesetzen überlassen bleibt, erscheint unberechtigt
und dem Wohle unsrer Kirche unzuträglich; es liegt vielmehr im kirchlichen Inter¬
esse, daß auch die Frage der religiösen Erziehung für ganz Deutschland einheitlich
geregelt werde. Ebenso widerstreitet es dem Wohle der Kirche, daß mich dem
bezeichneten Entwurf das bürgerliche Gesetzbuch die Bestimmung, daß bei Bestellung
der Vormünder auf das religiöse Bekenntnis des Mündels Rücksicht zu nehmen ist,
nicht enthalten soll.

2. Mit Rücksicht hierauf wird der Zentrnlvvrstaud beauftragt, beim Neichs-
kauzleramt (Reichsjustiznmt) dahin zu wirken, daß in den Entwurf des bürgerlichen
Gesetzbuches aufgenommen werde:

1a. an Stelle der §8 1K09 und 1058 folgende Bestimmung: "1. In welcher
Religion (oder Konfession) die Kinder erzogen werden sollen, bestimmt unbeschränkt
bis zum vollendete" vierzehnte" Lebensjahre derselben, wo ihnen die Wahl der
Religion oder Konfession freisteht, bei eheliche" und legitimirten Kindern der Vater,
bei unehelichen Kinder", sie mögen vom Vater anerkannt sein oder nicht, die Mutter,
bei Findlingen aber diejenige Person oder Anstalt, die das Erziehungsrecht ausübt.
2. Ist von dem erziehuttgSberechligteu Vater oder der erziehuugsberechtigteu unehe¬
lichen Mutter bis zur Beendigung ihres Erziehungsrechtes eine Bestimmung über


Junge Liebe

lange» Tage, an denen ihre Thür kaum geöffnet wurde, konnte sie ganz still
mit ihrer Näharbeit ans ihrem Stuhle sitzen und nur dem ewigen Brausen
des Waldes lauschen, das ihre Ohren nicht verließ.

Am Abend kam dann der Klub. Und dann war es ihr ein wehmütiger
Trost, die Gesichter der alten Freunde von Zufriedenheit und Freude strahlen
zu sehen. Sie lies; sich auch ruhig die Wange küssen, nahm sogar zu Zeiten
ohne Widerwillen zwischen ihnen Platz, ganz wie in alten Tagen, und ging
ihnen mit Krug und Becher zur Hand wie eine tüchtige kleine Hausfrau.

Aber hin und wieder, wenn die Trunkenheit stieg und der Streit allge¬
mein wurde, glitt sie unbemerkt aus dem Zimmer, setzte sich auf die Fliesen,
bedeckte ihr Antlitz mit der Schürze und weinte bitterlich.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Zur religiösen Erziehung der Kinder aus Mischehen hat der evan¬
gelische Bund fast einstimmig folgende Anträge seines engern Vorstandes ange¬
nommen:

1. Die Vorschrift der ^ 1509 und 1658 des Entwurfs eines bürgerliche»
Gesetzbuches, wonach die Bestimmung, in welchem religiösen Bekenntnisse die Kinder
zu erziehen sind, den einzelnen Landesgesetzen überlassen bleibt, erscheint unberechtigt
und dem Wohle unsrer Kirche unzuträglich; es liegt vielmehr im kirchlichen Inter¬
esse, daß auch die Frage der religiösen Erziehung für ganz Deutschland einheitlich
geregelt werde. Ebenso widerstreitet es dem Wohle der Kirche, daß mich dem
bezeichneten Entwurf das bürgerliche Gesetzbuch die Bestimmung, daß bei Bestellung
der Vormünder auf das religiöse Bekenntnis des Mündels Rücksicht zu nehmen ist,
nicht enthalten soll.

2. Mit Rücksicht hierauf wird der Zentrnlvvrstaud beauftragt, beim Neichs-
kauzleramt (Reichsjustiznmt) dahin zu wirken, daß in den Entwurf des bürgerlichen
Gesetzbuches aufgenommen werde:

1a. an Stelle der §8 1K09 und 1058 folgende Bestimmung: „1. In welcher
Religion (oder Konfession) die Kinder erzogen werden sollen, bestimmt unbeschränkt
bis zum vollendete» vierzehnte» Lebensjahre derselben, wo ihnen die Wahl der
Religion oder Konfession freisteht, bei eheliche» und legitimirten Kindern der Vater,
bei unehelichen Kinder», sie mögen vom Vater anerkannt sein oder nicht, die Mutter,
bei Findlingen aber diejenige Person oder Anstalt, die das Erziehungsrecht ausübt.
2. Ist von dem erziehuttgSberechligteu Vater oder der erziehuugsberechtigteu unehe¬
lichen Mutter bis zur Beendigung ihres Erziehungsrechtes eine Bestimmung über


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[0251] Junge Liebe lange» Tage, an denen ihre Thür kaum geöffnet wurde, konnte sie ganz still mit ihrer Näharbeit ans ihrem Stuhle sitzen und nur dem ewigen Brausen des Waldes lauschen, das ihre Ohren nicht verließ. Am Abend kam dann der Klub. Und dann war es ihr ein wehmütiger Trost, die Gesichter der alten Freunde von Zufriedenheit und Freude strahlen zu sehen. Sie lies; sich auch ruhig die Wange küssen, nahm sogar zu Zeiten ohne Widerwillen zwischen ihnen Platz, ganz wie in alten Tagen, und ging ihnen mit Krug und Becher zur Hand wie eine tüchtige kleine Hausfrau. Aber hin und wieder, wenn die Trunkenheit stieg und der Streit allge¬ mein wurde, glitt sie unbemerkt aus dem Zimmer, setzte sich auf die Fliesen, bedeckte ihr Antlitz mit der Schürze und weinte bitterlich. (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Zur religiösen Erziehung der Kinder aus Mischehen hat der evan¬ gelische Bund fast einstimmig folgende Anträge seines engern Vorstandes ange¬ nommen: 1. Die Vorschrift der ^ 1509 und 1658 des Entwurfs eines bürgerliche» Gesetzbuches, wonach die Bestimmung, in welchem religiösen Bekenntnisse die Kinder zu erziehen sind, den einzelnen Landesgesetzen überlassen bleibt, erscheint unberechtigt und dem Wohle unsrer Kirche unzuträglich; es liegt vielmehr im kirchlichen Inter¬ esse, daß auch die Frage der religiösen Erziehung für ganz Deutschland einheitlich geregelt werde. Ebenso widerstreitet es dem Wohle der Kirche, daß mich dem bezeichneten Entwurf das bürgerliche Gesetzbuch die Bestimmung, daß bei Bestellung der Vormünder auf das religiöse Bekenntnis des Mündels Rücksicht zu nehmen ist, nicht enthalten soll. 2. Mit Rücksicht hierauf wird der Zentrnlvvrstaud beauftragt, beim Neichs- kauzleramt (Reichsjustiznmt) dahin zu wirken, daß in den Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuches aufgenommen werde: 1a. an Stelle der §8 1K09 und 1058 folgende Bestimmung: „1. In welcher Religion (oder Konfession) die Kinder erzogen werden sollen, bestimmt unbeschränkt bis zum vollendete» vierzehnte» Lebensjahre derselben, wo ihnen die Wahl der Religion oder Konfession freisteht, bei eheliche» und legitimirten Kindern der Vater, bei unehelichen Kinder», sie mögen vom Vater anerkannt sein oder nicht, die Mutter, bei Findlingen aber diejenige Person oder Anstalt, die das Erziehungsrecht ausübt. 2. Ist von dem erziehuttgSberechligteu Vater oder der erziehuugsberechtigteu unehe¬ lichen Mutter bis zur Beendigung ihres Erziehungsrechtes eine Bestimmung über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/251>, abgerufen am 21.12.2024.