Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.sein; aber bedarf der Zar, der über so viele Hunderttausende von Quadrat- Die böhmische Königskrönung le Hoffnung, daß die Neuwahlen zum böhmischen Landtag und sein; aber bedarf der Zar, der über so viele Hunderttausende von Quadrat- Die böhmische Königskrönung le Hoffnung, daß die Neuwahlen zum böhmischen Landtag und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206214"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_736" prev="#ID_735"> sein; aber bedarf der Zar, der über so viele Hunderttausende von Quadrat-<lb/> Meilen gebietet, wirklich so dringend noch ein paar tausend, daß es ihm das<lb/> Schwert in die Hand druckte? Der Pauslawismus war 1877 eine Macht und<lb/> könnte bei einem Kriege mit Österreich wieder eine Macht sein, Aber Alexander<lb/> der Dritte ist nicht Alexander der Zweite, sondern ein fester, willensstarker<lb/> Herr, der einen phantastischen Krieg scheut und weiß, was eine Niederlage<lb/> für die innern Angelegenheiten seines Reiches zu bedeuten hätte, und der sich<lb/> vermutlich auch klar darüber ist, daß selbst ein Sieg diesen Angelegenheiten<lb/> keinen Segen bringen würde. Brachten doch die russischen Offiziere 1814 ans<lb/> dem Westen die Keime zu den spätern demokratischen Verschwörungen und zu<lb/> dem heutigen Nihilismus mit nach Hause. Wir gelangen also auch ans diesem<lb/> Wege mit ziemlicher Sicherheit zu der Annahme, daß der Himmel sich auf¬<lb/> gehellt hat, und daß wir für das nächste Frühjahr wenigstens keinen Krieg<lb/> zu befürchten haben, der Friede vielmehr gesichert erscheint — es müßte sich<lb/> denn etwas ereignen, was sich gar nicht ahnen und folglich auch nicht in die<lb/> Rechnung setzen läßt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die böhmische Königskrönung</head><lb/> <p xml:id="ID_737" next="#ID_738"> le Hoffnung, daß die Neuwahlen zum böhmischen Landtag und<lb/> der Zusammentritt desselben am 10. Oktober den Ausgangspunkt<lb/> zu eiuer Verständigung der beiden Nationalitäten des Königreiches<lb/> bilden würden, hat sich nicht erfüllt. Das Exekutivkomitee der<lb/> deutschen Landtagsabgeordneten hat sich schon am 15. September,<lb/> nachdem vorher durch den „verfassungstreuen" Fürsten Schönlmrg Ausgleichs¬<lb/> verhandlungen angeregt worden waren, dahin entschieden, diese zurückzuweisen,<lb/> wenn nicht vor Beginn derselben von der Regierung eine Erklärung darüber<lb/> abgegeben werde, welche Stellung sie zu der Frage der Königskrönuug einnehme.<lb/> Die Regierung hat sich dazu nicht veranlaßt gesehen, da vou ihrer Seite diese<lb/> 6'ruge nicht aufgeworfen worden, sie darüber auch höchst wahrscheinlich noch<lb/> gar nicht schlüssig geworden war, was nach der eigentümlichen Beschaffenheit<lb/> dieser Frage und in Anbetracht der Abneigung der Negierung gegen staats¬<lb/> rechtliche Erörterungen nicht überraschen kann. Infolge dessen unterblieben die<lb/> ni Aussicht genommenen Komnnssionsberatnngeu von Vertrauensmännern beider<lb/> Parteien, und die am 6. Oktober in Prag versammelten dentschböhmischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0215]
sein; aber bedarf der Zar, der über so viele Hunderttausende von Quadrat-
Meilen gebietet, wirklich so dringend noch ein paar tausend, daß es ihm das
Schwert in die Hand druckte? Der Pauslawismus war 1877 eine Macht und
könnte bei einem Kriege mit Österreich wieder eine Macht sein, Aber Alexander
der Dritte ist nicht Alexander der Zweite, sondern ein fester, willensstarker
Herr, der einen phantastischen Krieg scheut und weiß, was eine Niederlage
für die innern Angelegenheiten seines Reiches zu bedeuten hätte, und der sich
vermutlich auch klar darüber ist, daß selbst ein Sieg diesen Angelegenheiten
keinen Segen bringen würde. Brachten doch die russischen Offiziere 1814 ans
dem Westen die Keime zu den spätern demokratischen Verschwörungen und zu
dem heutigen Nihilismus mit nach Hause. Wir gelangen also auch ans diesem
Wege mit ziemlicher Sicherheit zu der Annahme, daß der Himmel sich auf¬
gehellt hat, und daß wir für das nächste Frühjahr wenigstens keinen Krieg
zu befürchten haben, der Friede vielmehr gesichert erscheint — es müßte sich
denn etwas ereignen, was sich gar nicht ahnen und folglich auch nicht in die
Rechnung setzen läßt.
Die böhmische Königskrönung
le Hoffnung, daß die Neuwahlen zum böhmischen Landtag und
der Zusammentritt desselben am 10. Oktober den Ausgangspunkt
zu eiuer Verständigung der beiden Nationalitäten des Königreiches
bilden würden, hat sich nicht erfüllt. Das Exekutivkomitee der
deutschen Landtagsabgeordneten hat sich schon am 15. September,
nachdem vorher durch den „verfassungstreuen" Fürsten Schönlmrg Ausgleichs¬
verhandlungen angeregt worden waren, dahin entschieden, diese zurückzuweisen,
wenn nicht vor Beginn derselben von der Regierung eine Erklärung darüber
abgegeben werde, welche Stellung sie zu der Frage der Königskrönuug einnehme.
Die Regierung hat sich dazu nicht veranlaßt gesehen, da vou ihrer Seite diese
6'ruge nicht aufgeworfen worden, sie darüber auch höchst wahrscheinlich noch
gar nicht schlüssig geworden war, was nach der eigentümlichen Beschaffenheit
dieser Frage und in Anbetracht der Abneigung der Negierung gegen staats¬
rechtliche Erörterungen nicht überraschen kann. Infolge dessen unterblieben die
ni Aussicht genommenen Komnnssionsberatnngeu von Vertrauensmännern beider
Parteien, und die am 6. Oktober in Prag versammelten dentschböhmischen
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