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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Schweizer Sympathien

or längerer Zeit parodirte jemand: "Ein echter Schlveizerkerl
kann keinen Deutschen leiden, doch seine Thaler nimmt er gern,"
und das paßt anch nach der Einführung der Markwährnng, wie
Reisende, Gelehrte, die in das Land berufen worden waren, und
Mißvergnügte, welche Luft der Freiheit atmen wollten, einmütig
bestätigen. Nicht minder bestätigt das ein Aufsatz von Widmcmn in Bern in
einer neuen Wochenschrift. Wir sind weit entfernt davon, die Schuld ausschließ-
lich auf der Schweizer Seite zu suchen. Das Talent, sich unbeliebt zu macheu,
findet sich leider bei unsern Landsleuten sehr häufig, und es fragt sich, was
uns in der Fremde mehr schadet, das dreiste und laute Absprechen der Einen
über alles, was anders ist, als sie es gewohnt sind, oder das bübische Schmähen
der Heimat, das in "Martin Salnnder" gebührend gekennzeichnet ist. Ander¬
seits äußern sich republikanischer Dünkel und engherzigstes Spießbürgertum oft
in eben so aufdringlicher als lächerlicher Weise, und wenn dagegen der Deutsche
heute empfindlicher ist als vor vierzig und fünfzig Jahren, so kann ihm das
uieiuaud verübeln.

Daß wir von fremden Völkern, mit denen wir Götzendienst getrieben, keinen
Dank zu erwarten haben, ist uns von Franzosen und Engländern, Amerikanern
und Schweizern so deutlich gezeigt worden, daß mit Ausnahme der FrMäudler-^
Sekte es jedermann begriffen hat. lind es geschah ja auch keineswegs aus^Be-'
rechnung, wenn vom Teil bis hinab zu Clnurens Mimili, und von Meiners
Briefen bis auf die jährlich in neuen Auflagen erscheinenden Reiseführer unab¬
lässig und in allen Tonarten Schweiz und Schweizertum verherrlicht wurden,
und Gelehrte und Ungelehrte noch standhaft für NvMhelden schwärmten, die
von den Schweizern selbst bereits in das Reich der Sage verwiesen waren.


Grenzboten t V 1889 2"


Schweizer Sympathien

or längerer Zeit parodirte jemand: „Ein echter Schlveizerkerl
kann keinen Deutschen leiden, doch seine Thaler nimmt er gern,"
und das paßt anch nach der Einführung der Markwährnng, wie
Reisende, Gelehrte, die in das Land berufen worden waren, und
Mißvergnügte, welche Luft der Freiheit atmen wollten, einmütig
bestätigen. Nicht minder bestätigt das ein Aufsatz von Widmcmn in Bern in
einer neuen Wochenschrift. Wir sind weit entfernt davon, die Schuld ausschließ-
lich auf der Schweizer Seite zu suchen. Das Talent, sich unbeliebt zu macheu,
findet sich leider bei unsern Landsleuten sehr häufig, und es fragt sich, was
uns in der Fremde mehr schadet, das dreiste und laute Absprechen der Einen
über alles, was anders ist, als sie es gewohnt sind, oder das bübische Schmähen
der Heimat, das in „Martin Salnnder" gebührend gekennzeichnet ist. Ander¬
seits äußern sich republikanischer Dünkel und engherzigstes Spießbürgertum oft
in eben so aufdringlicher als lächerlicher Weise, und wenn dagegen der Deutsche
heute empfindlicher ist als vor vierzig und fünfzig Jahren, so kann ihm das
uieiuaud verübeln.

Daß wir von fremden Völkern, mit denen wir Götzendienst getrieben, keinen
Dank zu erwarten haben, ist uns von Franzosen und Engländern, Amerikanern
und Schweizern so deutlich gezeigt worden, daß mit Ausnahme der FrMäudler-^
Sekte es jedermann begriffen hat. lind es geschah ja auch keineswegs aus^Be-'
rechnung, wenn vom Teil bis hinab zu Clnurens Mimili, und von Meiners
Briefen bis auf die jährlich in neuen Auflagen erscheinenden Reiseführer unab¬
lässig und in allen Tonarten Schweiz und Schweizertum verherrlicht wurden,
und Gelehrte und Ungelehrte noch standhaft für NvMhelden schwärmten, die
von den Schweizern selbst bereits in das Reich der Sage verwiesen waren.


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[0161] [Abbildung] Schweizer Sympathien or längerer Zeit parodirte jemand: „Ein echter Schlveizerkerl kann keinen Deutschen leiden, doch seine Thaler nimmt er gern," und das paßt anch nach der Einführung der Markwährnng, wie Reisende, Gelehrte, die in das Land berufen worden waren, und Mißvergnügte, welche Luft der Freiheit atmen wollten, einmütig bestätigen. Nicht minder bestätigt das ein Aufsatz von Widmcmn in Bern in einer neuen Wochenschrift. Wir sind weit entfernt davon, die Schuld ausschließ- lich auf der Schweizer Seite zu suchen. Das Talent, sich unbeliebt zu macheu, findet sich leider bei unsern Landsleuten sehr häufig, und es fragt sich, was uns in der Fremde mehr schadet, das dreiste und laute Absprechen der Einen über alles, was anders ist, als sie es gewohnt sind, oder das bübische Schmähen der Heimat, das in „Martin Salnnder" gebührend gekennzeichnet ist. Ander¬ seits äußern sich republikanischer Dünkel und engherzigstes Spießbürgertum oft in eben so aufdringlicher als lächerlicher Weise, und wenn dagegen der Deutsche heute empfindlicher ist als vor vierzig und fünfzig Jahren, so kann ihm das uieiuaud verübeln. Daß wir von fremden Völkern, mit denen wir Götzendienst getrieben, keinen Dank zu erwarten haben, ist uns von Franzosen und Engländern, Amerikanern und Schweizern so deutlich gezeigt worden, daß mit Ausnahme der FrMäudler-^ Sekte es jedermann begriffen hat. lind es geschah ja auch keineswegs aus^Be-' rechnung, wenn vom Teil bis hinab zu Clnurens Mimili, und von Meiners Briefen bis auf die jährlich in neuen Auflagen erscheinenden Reiseführer unab¬ lässig und in allen Tonarten Schweiz und Schweizertum verherrlicht wurden, und Gelehrte und Ungelehrte noch standhaft für NvMhelden schwärmten, die von den Schweizern selbst bereits in das Reich der Sage verwiesen waren. Grenzboten t V 1889 2"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/161>, abgerufen am 23.06.2024.