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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der Aronprinz in der AonfMszeit

der großen Verschiedenheit der in den einzelnen deutschen Schutzgebieten vor¬
handenen eingebornen Völkerstnmme wird es allerdings notwendig sein, für
die einzelnen Schutzgebiete besondre Anweisungen zu verfassen, die selbst¬
verständlich einen Überblick über dasjenige zu geben hätten, was uns bezüg¬
lich der Sitten, Gewohnheiten und Einrichtungen der einzelnen Völkerschaften
bereits genügend bekannt ist.

Daß wir in Deutschland die geeigneten Kräfte zur Herstellung solcher
Anweisungen besitzen, bedarf wohl keiner weitern Darlegung. Es wird nur
darauf ankommen, daß die Neichsregierung etwa in Verbindung mit der Ber¬
liner Akademie der Wissenschaften den Anstoß zu solchen Arbeiten giebt und
in geeigneter Weise die betreffenden Gelehrten dafür gewinnt.




Der Kronprinz in der Konfliktszeit

it dem Nachstehenden haben wir nicht die Absicht, die gesamte Hal¬
tung des preußischen Thronerben in der Zeit des Verfaffnngs-
streites darzustellen; wir wollen nur eine Episode seines Ver¬
haltens zu seinem königlichen Vater und dessen Regierung ins
Auge fassen, die jetzt halb vergessen zu sein scheint, obwohl sie
ganz besonders charakteristisch und lehrreich ist.

Es war im Frühjahre 1863, als der Streit zwischen der Mehrheit des
Abgeordnetenhauses und dein Ministerium Bismarck bereits zu großer Heftigkeit
gediehen war und einen bedeutenden Teil des preußischem Volkes mit Erbitte¬
rung gegen die Regierung erfüllt hatte, die dein Drängen der demokratischen
Partei nach Erweiterung der Macht des Hauses über die verfassungsmäßige
Grenze hinaus nicht nachgeben und anderseits nicht in der neuen Militär-
organisation das Mittel zur Ausführung der Absicht des Königs und seines
obersten Rath opfern konnte, die dringend notwendige Besserung der nationalen
Zustände endlich in die Hand zu nehmen. Befangenheit, verblendete Leiden¬
schaft, unnatürliches Mißtrauen hatten infolge des Parteitreibens weithin die
Gemüter ergriffen, es konnte so nicht weiter gehen, ohne mit schwerem Unheil
zu enden und zuletzt eine vollständige Zerrüttung des Staates herbeizuführen..

In dieser Not erging am 1. Juni die bekannte Preßverordnung als be¬
sonders wirksame Maßregel gegen das Übel, das hauptsächlich die aufregende
und verwirrende Thätigkeit der Zeitungen zu solcher Gefährlichkeit gesteigert


Der Aronprinz in der AonfMszeit

der großen Verschiedenheit der in den einzelnen deutschen Schutzgebieten vor¬
handenen eingebornen Völkerstnmme wird es allerdings notwendig sein, für
die einzelnen Schutzgebiete besondre Anweisungen zu verfassen, die selbst¬
verständlich einen Überblick über dasjenige zu geben hätten, was uns bezüg¬
lich der Sitten, Gewohnheiten und Einrichtungen der einzelnen Völkerschaften
bereits genügend bekannt ist.

Daß wir in Deutschland die geeigneten Kräfte zur Herstellung solcher
Anweisungen besitzen, bedarf wohl keiner weitern Darlegung. Es wird nur
darauf ankommen, daß die Neichsregierung etwa in Verbindung mit der Ber¬
liner Akademie der Wissenschaften den Anstoß zu solchen Arbeiten giebt und
in geeigneter Weise die betreffenden Gelehrten dafür gewinnt.




Der Kronprinz in der Konfliktszeit

it dem Nachstehenden haben wir nicht die Absicht, die gesamte Hal¬
tung des preußischen Thronerben in der Zeit des Verfaffnngs-
streites darzustellen; wir wollen nur eine Episode seines Ver¬
haltens zu seinem königlichen Vater und dessen Regierung ins
Auge fassen, die jetzt halb vergessen zu sein scheint, obwohl sie
ganz besonders charakteristisch und lehrreich ist.

Es war im Frühjahre 1863, als der Streit zwischen der Mehrheit des
Abgeordnetenhauses und dein Ministerium Bismarck bereits zu großer Heftigkeit
gediehen war und einen bedeutenden Teil des preußischem Volkes mit Erbitte¬
rung gegen die Regierung erfüllt hatte, die dein Drängen der demokratischen
Partei nach Erweiterung der Macht des Hauses über die verfassungsmäßige
Grenze hinaus nicht nachgeben und anderseits nicht in der neuen Militär-
organisation das Mittel zur Ausführung der Absicht des Königs und seines
obersten Rath opfern konnte, die dringend notwendige Besserung der nationalen
Zustände endlich in die Hand zu nehmen. Befangenheit, verblendete Leiden¬
schaft, unnatürliches Mißtrauen hatten infolge des Parteitreibens weithin die
Gemüter ergriffen, es konnte so nicht weiter gehen, ohne mit schwerem Unheil
zu enden und zuletzt eine vollständige Zerrüttung des Staates herbeizuführen..

In dieser Not erging am 1. Juni die bekannte Preßverordnung als be¬
sonders wirksame Maßregel gegen das Übel, das hauptsächlich die aufregende
und verwirrende Thätigkeit der Zeitungen zu solcher Gefährlichkeit gesteigert


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[0543] Der Aronprinz in der AonfMszeit der großen Verschiedenheit der in den einzelnen deutschen Schutzgebieten vor¬ handenen eingebornen Völkerstnmme wird es allerdings notwendig sein, für die einzelnen Schutzgebiete besondre Anweisungen zu verfassen, die selbst¬ verständlich einen Überblick über dasjenige zu geben hätten, was uns bezüg¬ lich der Sitten, Gewohnheiten und Einrichtungen der einzelnen Völkerschaften bereits genügend bekannt ist. Daß wir in Deutschland die geeigneten Kräfte zur Herstellung solcher Anweisungen besitzen, bedarf wohl keiner weitern Darlegung. Es wird nur darauf ankommen, daß die Neichsregierung etwa in Verbindung mit der Ber¬ liner Akademie der Wissenschaften den Anstoß zu solchen Arbeiten giebt und in geeigneter Weise die betreffenden Gelehrten dafür gewinnt. Der Kronprinz in der Konfliktszeit it dem Nachstehenden haben wir nicht die Absicht, die gesamte Hal¬ tung des preußischen Thronerben in der Zeit des Verfaffnngs- streites darzustellen; wir wollen nur eine Episode seines Ver¬ haltens zu seinem königlichen Vater und dessen Regierung ins Auge fassen, die jetzt halb vergessen zu sein scheint, obwohl sie ganz besonders charakteristisch und lehrreich ist. Es war im Frühjahre 1863, als der Streit zwischen der Mehrheit des Abgeordnetenhauses und dein Ministerium Bismarck bereits zu großer Heftigkeit gediehen war und einen bedeutenden Teil des preußischem Volkes mit Erbitte¬ rung gegen die Regierung erfüllt hatte, die dein Drängen der demokratischen Partei nach Erweiterung der Macht des Hauses über die verfassungsmäßige Grenze hinaus nicht nachgeben und anderseits nicht in der neuen Militär- organisation das Mittel zur Ausführung der Absicht des Königs und seines obersten Rath opfern konnte, die dringend notwendige Besserung der nationalen Zustände endlich in die Hand zu nehmen. Befangenheit, verblendete Leiden¬ schaft, unnatürliches Mißtrauen hatten infolge des Parteitreibens weithin die Gemüter ergriffen, es konnte so nicht weiter gehen, ohne mit schwerem Unheil zu enden und zuletzt eine vollständige Zerrüttung des Staates herbeizuführen.. In dieser Not erging am 1. Juni die bekannte Preßverordnung als be¬ sonders wirksame Maßregel gegen das Übel, das hauptsächlich die aufregende und verwirrende Thätigkeit der Zeitungen zu solcher Gefährlichkeit gesteigert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/543>, abgerufen am 05.02.2025.