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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Akademisches Studium und allgemeine Bildung' )
von Hans Orntz

(MA
^^"WM>Ueun die Statuten der Albertus-Universität dem abgehenden Rektor
die Pflicht auferlegen, die feierliche Übergabe des Amtes an
seinen Nachfolger durch eine Rede einzuleiten, so hat es ihm natür¬
lich unbenommen sein sollen, deren Gegenstand aus dem Gebiete
seiner besondern Wissenschaft zu wählen. Meist haben wir uns
daher bei dieser Gelegenheit fachwissenschaftlicher Vortrage zu erfreuen gehabt,
die einen dankenswerteil Einblick in ein fremdes Forschungsgebiet eröffneten
und dadurch, daß sie des Redners Anteil an der fortschreitenden Entwicklung
seiner Wissenschaft und seine Stellung zu den sie augenblicklich bewegenden
Fragen erkennen ließen, ein persönliches Interesse erregten.

Auch ich hätte daher ans der Fülle der Probleme, welche die Geschichts¬
wissenschaft beschäftigen, eins oder das andre herausgreifen können, um die
durch große Meister vervollkommnete Methode der historischen Forschung uach
Arbeitsart und Leistungsfähigkeit zu veranschaulichen.

Wenn ich statt dessen zum Gegenstande "reiner Rede eine Frage von mehr
allgemeiner Natur gewählt habe, so leitete mich dabei einmal die Erwägung,
daß es der Stellung, in der ich heute zum letztenmale die Ehre habe, zu Ihnen
zu sprechen, doch wohl angemessener sei, wenn ich nicht bloß die Teilnahme
der Kollegen, sondern namentlich auch die Aufmerksamkeit der Kommilitonen
auf gewisse Verhältnisse lenkte, die für den Betrieb des akademischen
Studiums überhaupt und daher für alle deutschen Universitäten von Vedentnng
sind. Auch geht man ja während des Jahres, in dem man zu der Ehre be¬
rufen ist, die Universität als ein Ganzes zu vertreten, gern den Beziehungen
nach, in denen sich die verschiedenen Interessen berühren, und sucht mit Vor¬
liebe die Punkte auf, wo eingesetzt werden müßte, nur gleichzeitig nach ver¬
schiedenen Seiten hin anzuregen und die Lebensgemeinschaft der in der Uni¬
versität vereinigten Wissenschaften fester z" gestalten und zu kräftigerer und
fruchtbarerer Bethätigung zu steigern.

Zudem schließen sich die Beobachtungen, von denen ich ausgehen will,



') Rede, gehalten bei der Übergabe des Rektorats der Albertus-Universität in Königsberg
am 14. April 1889.


Akademisches Studium und allgemeine Bildung' )
von Hans Orntz

(MA
^^«WM>Ueun die Statuten der Albertus-Universität dem abgehenden Rektor
die Pflicht auferlegen, die feierliche Übergabe des Amtes an
seinen Nachfolger durch eine Rede einzuleiten, so hat es ihm natür¬
lich unbenommen sein sollen, deren Gegenstand aus dem Gebiete
seiner besondern Wissenschaft zu wählen. Meist haben wir uns
daher bei dieser Gelegenheit fachwissenschaftlicher Vortrage zu erfreuen gehabt,
die einen dankenswerteil Einblick in ein fremdes Forschungsgebiet eröffneten
und dadurch, daß sie des Redners Anteil an der fortschreitenden Entwicklung
seiner Wissenschaft und seine Stellung zu den sie augenblicklich bewegenden
Fragen erkennen ließen, ein persönliches Interesse erregten.

Auch ich hätte daher ans der Fülle der Probleme, welche die Geschichts¬
wissenschaft beschäftigen, eins oder das andre herausgreifen können, um die
durch große Meister vervollkommnete Methode der historischen Forschung uach
Arbeitsart und Leistungsfähigkeit zu veranschaulichen.

Wenn ich statt dessen zum Gegenstande »reiner Rede eine Frage von mehr
allgemeiner Natur gewählt habe, so leitete mich dabei einmal die Erwägung,
daß es der Stellung, in der ich heute zum letztenmale die Ehre habe, zu Ihnen
zu sprechen, doch wohl angemessener sei, wenn ich nicht bloß die Teilnahme
der Kollegen, sondern namentlich auch die Aufmerksamkeit der Kommilitonen
auf gewisse Verhältnisse lenkte, die für den Betrieb des akademischen
Studiums überhaupt und daher für alle deutschen Universitäten von Vedentnng
sind. Auch geht man ja während des Jahres, in dem man zu der Ehre be¬
rufen ist, die Universität als ein Ganzes zu vertreten, gern den Beziehungen
nach, in denen sich die verschiedenen Interessen berühren, und sucht mit Vor¬
liebe die Punkte auf, wo eingesetzt werden müßte, nur gleichzeitig nach ver¬
schiedenen Seiten hin anzuregen und die Lebensgemeinschaft der in der Uni¬
versität vereinigten Wissenschaften fester z» gestalten und zu kräftigerer und
fruchtbarerer Bethätigung zu steigern.

Zudem schließen sich die Beobachtungen, von denen ich ausgehen will,



') Rede, gehalten bei der Übergabe des Rektorats der Albertus-Universität in Königsberg
am 14. April 1889.
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[0220] [Abbildung] Akademisches Studium und allgemeine Bildung' ) von Hans Orntz (MA ^^«WM>Ueun die Statuten der Albertus-Universität dem abgehenden Rektor die Pflicht auferlegen, die feierliche Übergabe des Amtes an seinen Nachfolger durch eine Rede einzuleiten, so hat es ihm natür¬ lich unbenommen sein sollen, deren Gegenstand aus dem Gebiete seiner besondern Wissenschaft zu wählen. Meist haben wir uns daher bei dieser Gelegenheit fachwissenschaftlicher Vortrage zu erfreuen gehabt, die einen dankenswerteil Einblick in ein fremdes Forschungsgebiet eröffneten und dadurch, daß sie des Redners Anteil an der fortschreitenden Entwicklung seiner Wissenschaft und seine Stellung zu den sie augenblicklich bewegenden Fragen erkennen ließen, ein persönliches Interesse erregten. Auch ich hätte daher ans der Fülle der Probleme, welche die Geschichts¬ wissenschaft beschäftigen, eins oder das andre herausgreifen können, um die durch große Meister vervollkommnete Methode der historischen Forschung uach Arbeitsart und Leistungsfähigkeit zu veranschaulichen. Wenn ich statt dessen zum Gegenstande »reiner Rede eine Frage von mehr allgemeiner Natur gewählt habe, so leitete mich dabei einmal die Erwägung, daß es der Stellung, in der ich heute zum letztenmale die Ehre habe, zu Ihnen zu sprechen, doch wohl angemessener sei, wenn ich nicht bloß die Teilnahme der Kollegen, sondern namentlich auch die Aufmerksamkeit der Kommilitonen auf gewisse Verhältnisse lenkte, die für den Betrieb des akademischen Studiums überhaupt und daher für alle deutschen Universitäten von Vedentnng sind. Auch geht man ja während des Jahres, in dem man zu der Ehre be¬ rufen ist, die Universität als ein Ganzes zu vertreten, gern den Beziehungen nach, in denen sich die verschiedenen Interessen berühren, und sucht mit Vor¬ liebe die Punkte auf, wo eingesetzt werden müßte, nur gleichzeitig nach ver¬ schiedenen Seiten hin anzuregen und die Lebensgemeinschaft der in der Uni¬ versität vereinigten Wissenschaften fester z» gestalten und zu kräftigerer und fruchtbarerer Bethätigung zu steigern. Zudem schließen sich die Beobachtungen, von denen ich ausgehen will, ') Rede, gehalten bei der Übergabe des Rektorats der Albertus-Universität in Königsberg am 14. April 1889.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/220>, abgerufen am 05.02.2025.