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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die Berliner Erklärung zögen den Allgemeinen Deutschen Sprachverein

überzeugen uns also wiederum, daß es an jedem haltbaren Grunde fehlt, die
Bildnisse von Rubajcit aus der Sphäre der mittlern und untern Stände höher
hinauf zu rücken.

Aus alledem ergiebt sich, daß die Portrütmalerei in Ägypten vor zwei¬
tausend Jahren noch viel höher gestanden haben muß, als dies ans den besten
dieser für den Totenkult kopirten Bildnisse von Leuten aus mittlern Ständen
hervorgeht. Hiermit fällt aber neues Licht anf das Kunstleben der Ägypter,
und dies bestätigt, was die innere Forschung aus (leider ebenso seltenen) Be¬
weisstücken einer frei entwickelten Bildhauerkunst nachgewiesen hat: eine freie
Entfaltung der schönen Künste neben der kirchlichen (hieratischen) Kunst. Die
Mumienbildnisse von Rubajat haben also das Recht auf einen bevorzugten
Platz in unsern ägyptischen Museen.




Die Berliner Erklärung wider den Allgemeinen
Deutschen Sprachverein")
von Rudolf Hildebrand

lese Erklärung, in den Preußischen Jahrbüchern abgegeben unter
dem Datum Berlin, 28. Februar 1889 und in alle größern
Blätter aufgenommen, ist auf alle Fülle ein Ereignis in unsern,
neuen deutscheu Leben, dessen Gesamthnuch sich immer deutlicher
und mächtiger geltend macht gegenüber anfänglichen Zweifeln,
auch in der Erklärung selber nach Geist und Wortlaut. Es ist, als hätte
Einer (mau wüßte gern den Namen) in Deutschland herum von den Hohen
der Geisteswelt einen "Congreß" nach Berlin berufen, um von da aus, recht
von oben her, siegreiche Stellung zu nehmen zu der vom Allgemeinen Deutschen
Sprachverein angefachten Bewegung, die mehr in volksmäßigen Kreisen oder
bei vvlksmäßig Gesinnten arbeitet und ihre Kreise immer weiter zieht. Die
Erklärung wird in eiuer spätern Geschichte der deutschen Sprache jedenfalls
einmal eine wichtige Stelle einnehmen, das verbürgen die Namen der Unter¬
zeichner, darunter nicht wenige mit dem besten Glänze um sich, den wir zur
Zeit im Vaterlande sehen: aber welche Stelle? ja das wird mit Sicherheit
doch erst um 1950 oder so gesagt werden können. Aber auch jetzt schon kann
man sich auf eine Höhe stellen, von wo man weit rückwärts mit Sicher-



*) Nachdruck erwünscht.
Die Berliner Erklärung zögen den Allgemeinen Deutschen Sprachverein

überzeugen uns also wiederum, daß es an jedem haltbaren Grunde fehlt, die
Bildnisse von Rubajcit aus der Sphäre der mittlern und untern Stände höher
hinauf zu rücken.

Aus alledem ergiebt sich, daß die Portrütmalerei in Ägypten vor zwei¬
tausend Jahren noch viel höher gestanden haben muß, als dies ans den besten
dieser für den Totenkult kopirten Bildnisse von Leuten aus mittlern Ständen
hervorgeht. Hiermit fällt aber neues Licht anf das Kunstleben der Ägypter,
und dies bestätigt, was die innere Forschung aus (leider ebenso seltenen) Be¬
weisstücken einer frei entwickelten Bildhauerkunst nachgewiesen hat: eine freie
Entfaltung der schönen Künste neben der kirchlichen (hieratischen) Kunst. Die
Mumienbildnisse von Rubajat haben also das Recht auf einen bevorzugten
Platz in unsern ägyptischen Museen.




Die Berliner Erklärung wider den Allgemeinen
Deutschen Sprachverein")
von Rudolf Hildebrand

lese Erklärung, in den Preußischen Jahrbüchern abgegeben unter
dem Datum Berlin, 28. Februar 1889 und in alle größern
Blätter aufgenommen, ist auf alle Fülle ein Ereignis in unsern,
neuen deutscheu Leben, dessen Gesamthnuch sich immer deutlicher
und mächtiger geltend macht gegenüber anfänglichen Zweifeln,
auch in der Erklärung selber nach Geist und Wortlaut. Es ist, als hätte
Einer (mau wüßte gern den Namen) in Deutschland herum von den Hohen
der Geisteswelt einen „Congreß" nach Berlin berufen, um von da aus, recht
von oben her, siegreiche Stellung zu nehmen zu der vom Allgemeinen Deutschen
Sprachverein angefachten Bewegung, die mehr in volksmäßigen Kreisen oder
bei vvlksmäßig Gesinnten arbeitet und ihre Kreise immer weiter zieht. Die
Erklärung wird in eiuer spätern Geschichte der deutschen Sprache jedenfalls
einmal eine wichtige Stelle einnehmen, das verbürgen die Namen der Unter¬
zeichner, darunter nicht wenige mit dem besten Glänze um sich, den wir zur
Zeit im Vaterlande sehen: aber welche Stelle? ja das wird mit Sicherheit
doch erst um 1950 oder so gesagt werden können. Aber auch jetzt schon kann
man sich auf eine Höhe stellen, von wo man weit rückwärts mit Sicher-



*) Nachdruck erwünscht.
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[0583] Die Berliner Erklärung zögen den Allgemeinen Deutschen Sprachverein überzeugen uns also wiederum, daß es an jedem haltbaren Grunde fehlt, die Bildnisse von Rubajcit aus der Sphäre der mittlern und untern Stände höher hinauf zu rücken. Aus alledem ergiebt sich, daß die Portrütmalerei in Ägypten vor zwei¬ tausend Jahren noch viel höher gestanden haben muß, als dies ans den besten dieser für den Totenkult kopirten Bildnisse von Leuten aus mittlern Ständen hervorgeht. Hiermit fällt aber neues Licht anf das Kunstleben der Ägypter, und dies bestätigt, was die innere Forschung aus (leider ebenso seltenen) Be¬ weisstücken einer frei entwickelten Bildhauerkunst nachgewiesen hat: eine freie Entfaltung der schönen Künste neben der kirchlichen (hieratischen) Kunst. Die Mumienbildnisse von Rubajat haben also das Recht auf einen bevorzugten Platz in unsern ägyptischen Museen. Die Berliner Erklärung wider den Allgemeinen Deutschen Sprachverein") von Rudolf Hildebrand lese Erklärung, in den Preußischen Jahrbüchern abgegeben unter dem Datum Berlin, 28. Februar 1889 und in alle größern Blätter aufgenommen, ist auf alle Fülle ein Ereignis in unsern, neuen deutscheu Leben, dessen Gesamthnuch sich immer deutlicher und mächtiger geltend macht gegenüber anfänglichen Zweifeln, auch in der Erklärung selber nach Geist und Wortlaut. Es ist, als hätte Einer (mau wüßte gern den Namen) in Deutschland herum von den Hohen der Geisteswelt einen „Congreß" nach Berlin berufen, um von da aus, recht von oben her, siegreiche Stellung zu nehmen zu der vom Allgemeinen Deutschen Sprachverein angefachten Bewegung, die mehr in volksmäßigen Kreisen oder bei vvlksmäßig Gesinnten arbeitet und ihre Kreise immer weiter zieht. Die Erklärung wird in eiuer spätern Geschichte der deutschen Sprache jedenfalls einmal eine wichtige Stelle einnehmen, das verbürgen die Namen der Unter¬ zeichner, darunter nicht wenige mit dem besten Glänze um sich, den wir zur Zeit im Vaterlande sehen: aber welche Stelle? ja das wird mit Sicherheit doch erst um 1950 oder so gesagt werden können. Aber auch jetzt schon kann man sich auf eine Höhe stellen, von wo man weit rückwärts mit Sicher- *) Nachdruck erwünscht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/583>, abgerufen am 28.06.2024.