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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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^ind die heutigen Arbeiterunterstützungsverbände
Versicherungsgesellschaften?
(Schluß,)

ach alledem kann man behaupten, daß die durch die modernen
Rechtsbedürfnisse erzeugte Mittelbildung zwischen der juristisch¬
persönlichen Korporation und der gewöhnlichen Sozietät ihre
klassische Begriffsbestimmung bisher weder in der Gesetzgebung
noch in der Rechtswissenschaft gefunden hat. Hiernach dürfte
die Unsicherheit in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis auf dem hier
behandelten Gebiete umso erklärlicher erscheinen, als die angedeutete Rechts-
cntwicklung noch keineswegs abgeschlossen ist, vielmehr immer neue Bildungen
entstehen läßt, sodaß die Abgrenzung nach der einen oder andern Sei. .licht
so scharf ist, daß die Begriffsbestimmung im Einzelfall, d. h. die Zurech¬
nung einer bestimmten Gesellschaft zu dieser oder jener Klasse, immer zweifellos
wäre. Im allgemeinen wird es genügen, an der grundsätzlichen Unterscheidung
zwischen den (öffentlich-rechtlichen) Korporationen und den (privatrechtlichen)
Sozietäten festzuhalten, und alle Gesellschaften, die sich nicht unter eine dieser
beiden Grundformen bringen lassen, ohne weiteres jener Mittelgruppe zuzu¬
weisen. Dabei wird insbesondre zu beachten sein, daß alle sogenannten Zwangs¬
organisationen zweifellos zu den Korporationen zu zählen sind, weil der Staat
durch die Einführung des staatlichen Zwanges derartige Bildungen zur Mit¬
arbeit an der Lösung der Staatsausgaben für notwendig erklärt und sie damit
gewissermaßen zu Bestandteilen des Staatsorganismus macht; dieser Auffassung
entspricht z. B. die reichsgesetzliche Behandlung der sogenannten Zwangskranken¬
kassen und der Uufallberufsgenossenschaften im Gegensatz zu den freien Hilfs¬
kassen, was sich besonders darin kund giebt, daß bei jenen die Mitwirkung des
Staates keineswegs eine bloß kontrolirende ist, auch die Verteilung des Ver¬
mögens bei etwaiger Auflösung unter die Mitglieder ganz ausgeschlossen bleibt.

Fast noch mehr Schwierigkeiten als die Feststellung der privatrechtlichen
Stellung jener Mittelgruppe von Gesellschaften bietet die Bestimmung ihrer
öffentlich-rechtlichen Stellung, d. h. ihrer Beziehungen zur Staatsgewalt.

In dieser Hinsicht kann zunächst als unbestritten gelten oder doch aus den




^ind die heutigen Arbeiterunterstützungsverbände
Versicherungsgesellschaften?
(Schluß,)

ach alledem kann man behaupten, daß die durch die modernen
Rechtsbedürfnisse erzeugte Mittelbildung zwischen der juristisch¬
persönlichen Korporation und der gewöhnlichen Sozietät ihre
klassische Begriffsbestimmung bisher weder in der Gesetzgebung
noch in der Rechtswissenschaft gefunden hat. Hiernach dürfte
die Unsicherheit in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis auf dem hier
behandelten Gebiete umso erklärlicher erscheinen, als die angedeutete Rechts-
cntwicklung noch keineswegs abgeschlossen ist, vielmehr immer neue Bildungen
entstehen läßt, sodaß die Abgrenzung nach der einen oder andern Sei. .licht
so scharf ist, daß die Begriffsbestimmung im Einzelfall, d. h. die Zurech¬
nung einer bestimmten Gesellschaft zu dieser oder jener Klasse, immer zweifellos
wäre. Im allgemeinen wird es genügen, an der grundsätzlichen Unterscheidung
zwischen den (öffentlich-rechtlichen) Korporationen und den (privatrechtlichen)
Sozietäten festzuhalten, und alle Gesellschaften, die sich nicht unter eine dieser
beiden Grundformen bringen lassen, ohne weiteres jener Mittelgruppe zuzu¬
weisen. Dabei wird insbesondre zu beachten sein, daß alle sogenannten Zwangs¬
organisationen zweifellos zu den Korporationen zu zählen sind, weil der Staat
durch die Einführung des staatlichen Zwanges derartige Bildungen zur Mit¬
arbeit an der Lösung der Staatsausgaben für notwendig erklärt und sie damit
gewissermaßen zu Bestandteilen des Staatsorganismus macht; dieser Auffassung
entspricht z. B. die reichsgesetzliche Behandlung der sogenannten Zwangskranken¬
kassen und der Uufallberufsgenossenschaften im Gegensatz zu den freien Hilfs¬
kassen, was sich besonders darin kund giebt, daß bei jenen die Mitwirkung des
Staates keineswegs eine bloß kontrolirende ist, auch die Verteilung des Ver¬
mögens bei etwaiger Auflösung unter die Mitglieder ganz ausgeschlossen bleibt.

Fast noch mehr Schwierigkeiten als die Feststellung der privatrechtlichen
Stellung jener Mittelgruppe von Gesellschaften bietet die Bestimmung ihrer
öffentlich-rechtlichen Stellung, d. h. ihrer Beziehungen zur Staatsgewalt.

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[0206] [Abbildung] ^ind die heutigen Arbeiterunterstützungsverbände Versicherungsgesellschaften? (Schluß,) ach alledem kann man behaupten, daß die durch die modernen Rechtsbedürfnisse erzeugte Mittelbildung zwischen der juristisch¬ persönlichen Korporation und der gewöhnlichen Sozietät ihre klassische Begriffsbestimmung bisher weder in der Gesetzgebung noch in der Rechtswissenschaft gefunden hat. Hiernach dürfte die Unsicherheit in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis auf dem hier behandelten Gebiete umso erklärlicher erscheinen, als die angedeutete Rechts- cntwicklung noch keineswegs abgeschlossen ist, vielmehr immer neue Bildungen entstehen läßt, sodaß die Abgrenzung nach der einen oder andern Sei. .licht so scharf ist, daß die Begriffsbestimmung im Einzelfall, d. h. die Zurech¬ nung einer bestimmten Gesellschaft zu dieser oder jener Klasse, immer zweifellos wäre. Im allgemeinen wird es genügen, an der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen den (öffentlich-rechtlichen) Korporationen und den (privatrechtlichen) Sozietäten festzuhalten, und alle Gesellschaften, die sich nicht unter eine dieser beiden Grundformen bringen lassen, ohne weiteres jener Mittelgruppe zuzu¬ weisen. Dabei wird insbesondre zu beachten sein, daß alle sogenannten Zwangs¬ organisationen zweifellos zu den Korporationen zu zählen sind, weil der Staat durch die Einführung des staatlichen Zwanges derartige Bildungen zur Mit¬ arbeit an der Lösung der Staatsausgaben für notwendig erklärt und sie damit gewissermaßen zu Bestandteilen des Staatsorganismus macht; dieser Auffassung entspricht z. B. die reichsgesetzliche Behandlung der sogenannten Zwangskranken¬ kassen und der Uufallberufsgenossenschaften im Gegensatz zu den freien Hilfs¬ kassen, was sich besonders darin kund giebt, daß bei jenen die Mitwirkung des Staates keineswegs eine bloß kontrolirende ist, auch die Verteilung des Ver¬ mögens bei etwaiger Auflösung unter die Mitglieder ganz ausgeschlossen bleibt. Fast noch mehr Schwierigkeiten als die Feststellung der privatrechtlichen Stellung jener Mittelgruppe von Gesellschaften bietet die Bestimmung ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung, d. h. ihrer Beziehungen zur Staatsgewalt. In dieser Hinsicht kann zunächst als unbestritten gelten oder doch aus den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/206>, abgerufen am 22.07.2024.