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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.
(Schluß.)

s hieße die ehrenwerten Traditionen des Hauses Hohenzollern
verkennen, wenn man annähme, Preußen habe seine Macht alß"
brauchen können gegen Staaten, die ihren Pflichten gegen das
Reich gern oder ungern nachkommen. Die preußische Regierung
stellte jenen Antrag in der Überzeugung, daß Hamburg weder
in Bezug auf Mona noch auf Se. Pauli ein Widerspruchsrecht habe. Sie
war ebenso der Überzeugung, daß sie, auch ohne mit Hamburg vorher verhandelt
zu haben, jenen Antrag zu stellen befugt sei. Nachdem Lübeck freiwillig der
Zollgemeinschaft beigetreten war, lautete der Artikel 34 der Reichsverfassung:
"Die Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem dem Zweck entsprechenden
Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes bleiben als Freihafen außerhalb
der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Eintritt in dieselbe beantragen/'
Die Verfassung gewährte demnach allerdings der Stadt Hamburg das Reservat-
recht, außerhalb des Zollvereins zu bleiben. Dagegen stand ebenso selbstver¬
ständlich nur dem Bundesrate die Entscheidung darüber zu, welche Teile des
Hamburgischen Landgebietes und des umliegenden preußischen Staatsgebietes,
um die Aufgaben des Freihafens zu erfüllen, in den Zollausschluß hineinzuziehen
seien. Zudem hatte die preußische Regierung, nicht um an Hamburg Rache zu
nehmen, sondern weil die Bewachung einer Zollgrenze zwischen Altona und
Se. Pauli beinahe eine Physische Unmöglichkeit war, rein aus zolltechuischen
Gründen den Anschluß eines Teiles von Se. Pauli gefordert. Es lag endlich
doch nur der Antrag eines Mitgliedes des Bundesrates vor, über dessen Zweck¬
mäßigkeit und Ausführbarkeit der Bundesrat erst zu beschließen hatte. Die Ham¬
burger indessen begrüßten schon diesen ersten Vorschlag mit einem Aufschrei
der Entrüstung. Sie beschuldigten Preußen offen der Verfasfungsverletzung.
Sie behaupteten, die sogenannte Vorstadt Se. Pauli gehöre nach dem Buch¬
staben und dem Sinne der Hamburgischen Verfassung und vor allem im Sinne
des Artikels 34 der Reichsverfassung zur Stadt Hamburg selbst, und sie würden
auch nicht ein Haus von Se. Pauli für den Zollverein herausgeben. Ein
Redner in der Versammlung der ehrbaren Kaufleute klagte, der Vaterstadt sei
durch Napoleons Bosheit nicht so viel Schaden zugefügt worden, als ihr durch




Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.
(Schluß.)

s hieße die ehrenwerten Traditionen des Hauses Hohenzollern
verkennen, wenn man annähme, Preußen habe seine Macht alß»
brauchen können gegen Staaten, die ihren Pflichten gegen das
Reich gern oder ungern nachkommen. Die preußische Regierung
stellte jenen Antrag in der Überzeugung, daß Hamburg weder
in Bezug auf Mona noch auf Se. Pauli ein Widerspruchsrecht habe. Sie
war ebenso der Überzeugung, daß sie, auch ohne mit Hamburg vorher verhandelt
zu haben, jenen Antrag zu stellen befugt sei. Nachdem Lübeck freiwillig der
Zollgemeinschaft beigetreten war, lautete der Artikel 34 der Reichsverfassung:
„Die Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem dem Zweck entsprechenden
Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes bleiben als Freihafen außerhalb
der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Eintritt in dieselbe beantragen/'
Die Verfassung gewährte demnach allerdings der Stadt Hamburg das Reservat-
recht, außerhalb des Zollvereins zu bleiben. Dagegen stand ebenso selbstver¬
ständlich nur dem Bundesrate die Entscheidung darüber zu, welche Teile des
Hamburgischen Landgebietes und des umliegenden preußischen Staatsgebietes,
um die Aufgaben des Freihafens zu erfüllen, in den Zollausschluß hineinzuziehen
seien. Zudem hatte die preußische Regierung, nicht um an Hamburg Rache zu
nehmen, sondern weil die Bewachung einer Zollgrenze zwischen Altona und
Se. Pauli beinahe eine Physische Unmöglichkeit war, rein aus zolltechuischen
Gründen den Anschluß eines Teiles von Se. Pauli gefordert. Es lag endlich
doch nur der Antrag eines Mitgliedes des Bundesrates vor, über dessen Zweck¬
mäßigkeit und Ausführbarkeit der Bundesrat erst zu beschließen hatte. Die Ham¬
burger indessen begrüßten schon diesen ersten Vorschlag mit einem Aufschrei
der Entrüstung. Sie beschuldigten Preußen offen der Verfasfungsverletzung.
Sie behaupteten, die sogenannte Vorstadt Se. Pauli gehöre nach dem Buch¬
staben und dem Sinne der Hamburgischen Verfassung und vor allem im Sinne
des Artikels 34 der Reichsverfassung zur Stadt Hamburg selbst, und sie würden
auch nicht ein Haus von Se. Pauli für den Zollverein herausgeben. Ein
Redner in der Versammlung der ehrbaren Kaufleute klagte, der Vaterstadt sei
durch Napoleons Bosheit nicht so viel Schaden zugefügt worden, als ihr durch


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[0614] [Abbildung] Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens. (Schluß.) s hieße die ehrenwerten Traditionen des Hauses Hohenzollern verkennen, wenn man annähme, Preußen habe seine Macht alß» brauchen können gegen Staaten, die ihren Pflichten gegen das Reich gern oder ungern nachkommen. Die preußische Regierung stellte jenen Antrag in der Überzeugung, daß Hamburg weder in Bezug auf Mona noch auf Se. Pauli ein Widerspruchsrecht habe. Sie war ebenso der Überzeugung, daß sie, auch ohne mit Hamburg vorher verhandelt zu haben, jenen Antrag zu stellen befugt sei. Nachdem Lübeck freiwillig der Zollgemeinschaft beigetreten war, lautete der Artikel 34 der Reichsverfassung: „Die Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem dem Zweck entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes bleiben als Freihafen außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Eintritt in dieselbe beantragen/' Die Verfassung gewährte demnach allerdings der Stadt Hamburg das Reservat- recht, außerhalb des Zollvereins zu bleiben. Dagegen stand ebenso selbstver¬ ständlich nur dem Bundesrate die Entscheidung darüber zu, welche Teile des Hamburgischen Landgebietes und des umliegenden preußischen Staatsgebietes, um die Aufgaben des Freihafens zu erfüllen, in den Zollausschluß hineinzuziehen seien. Zudem hatte die preußische Regierung, nicht um an Hamburg Rache zu nehmen, sondern weil die Bewachung einer Zollgrenze zwischen Altona und Se. Pauli beinahe eine Physische Unmöglichkeit war, rein aus zolltechuischen Gründen den Anschluß eines Teiles von Se. Pauli gefordert. Es lag endlich doch nur der Antrag eines Mitgliedes des Bundesrates vor, über dessen Zweck¬ mäßigkeit und Ausführbarkeit der Bundesrat erst zu beschließen hatte. Die Ham¬ burger indessen begrüßten schon diesen ersten Vorschlag mit einem Aufschrei der Entrüstung. Sie beschuldigten Preußen offen der Verfasfungsverletzung. Sie behaupteten, die sogenannte Vorstadt Se. Pauli gehöre nach dem Buch¬ staben und dem Sinne der Hamburgischen Verfassung und vor allem im Sinne des Artikels 34 der Reichsverfassung zur Stadt Hamburg selbst, und sie würden auch nicht ein Haus von Se. Pauli für den Zollverein herausgeben. Ein Redner in der Versammlung der ehrbaren Kaufleute klagte, der Vaterstadt sei durch Napoleons Bosheit nicht so viel Schaden zugefügt worden, als ihr durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/614>, abgerufen am 28.06.2024.