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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Weihnachtsfest in einem Pfarrhause.
L. Butte. von

och oben in Vendsyssel, hart an der Nordsee, lag ein Pfarrhaus
und wartete auf das Weihnachtsfest. Aber der Himmel sah gar
nicht so milde drein, wie er es wohl früher gethan hatte. Es
war nämlich eine ganze Reihe von Jahren vergangen, die ver¬
schiedene Veränderungenmit sich gebracht hatten.

Das Pfarrhaus lag am Fuße eines Hügels, ein wenig höher
als seine Umgebung, wie es sich für ein Pfarrhaus geziemt. Der Hügel lag westlich
vom Pfarrhause und schützte es gegen den Westwind, daher war in der Nähe
des Hauses alles frisch und grün, während ringsumher Blüten und Blätter
in dem scharfen Winde verdorrten. Nach Osten zu erstreckte sich die braune
Haide, die nur in weiter Ferne am Horizonte von Dörfern, Höfen und Häu¬
sern begrenzt wurde, während sich in geringer Entfernung südlich das lange,
zerstreut gebaute Dorf hinzog. Aber oben, auf dem breiten Rücken des Hügels,
ragte die Kirche empor, die in meilenweiten Umkreise vom Lande und von der
See aus sichtbar war. Zu ihren Füßen lag der Kirchhof und nach Westen
zu hinter dem Kamm des Hügels breiteten sich grüne Wiesen, unterbrochen
von Haidestrecken, bis an die grauen Dünen aus, hinter denen die Nordsee ihre
Wogen dahinrollte, bis sie an den Himmel stieß und mit ihm verschmolz.

Unten im Schutze des Hügels grünte der Stolz des Pfarrers, die jungen
Bäume, die er selber gepflanzt hatte, denn er war ein Mann, der sich darauf
verstand, zu pflanzen und das Gepflanzte zum Wachstum zu bringen. Es war
Kraft in ihm und er besaß den Mut, sie zu gebrauchen, das hatten die alten,
ernsten Männer unten im Dorfe vom ersten Augenblick an begriffen, als er,
jung an Jahren, aber von Gestalt und Antlitz ein Mann zum erstenmale
vor ihnen gestanden und mit seiner wohltönenden Stimme neues Leben in ihre
alte Kirche gebracht hatte.

Es geht einem durch Mark und Bein, wenn unser Pfarrer redet! hatten
sie zu einander gesagt und dazu gemeint: Er ist ein stattlicher Mann! Und
sie hatten willig ihre grauen Häupter vor dem jungen Pfarrer entblößt, und
aus den Gemeinden ringsumher waren die Leute herbeigekommen und hatten
die Kirche gefüllt, so daß kein Platz mehr drin war.

Hier ist schon mancher Strauch gepflanzt, doch hat nichts fortkommen
wollen, sagten sie, als er das erste Reis in die Erde steckte. Aber der Pfarrer
fügte ein Reis nach dem andern hinzu, und er hatte eine glückliche Hand.




Weihnachtsfest in einem Pfarrhause.
L. Butte. von

och oben in Vendsyssel, hart an der Nordsee, lag ein Pfarrhaus
und wartete auf das Weihnachtsfest. Aber der Himmel sah gar
nicht so milde drein, wie er es wohl früher gethan hatte. Es
war nämlich eine ganze Reihe von Jahren vergangen, die ver¬
schiedene Veränderungenmit sich gebracht hatten.

Das Pfarrhaus lag am Fuße eines Hügels, ein wenig höher
als seine Umgebung, wie es sich für ein Pfarrhaus geziemt. Der Hügel lag westlich
vom Pfarrhause und schützte es gegen den Westwind, daher war in der Nähe
des Hauses alles frisch und grün, während ringsumher Blüten und Blätter
in dem scharfen Winde verdorrten. Nach Osten zu erstreckte sich die braune
Haide, die nur in weiter Ferne am Horizonte von Dörfern, Höfen und Häu¬
sern begrenzt wurde, während sich in geringer Entfernung südlich das lange,
zerstreut gebaute Dorf hinzog. Aber oben, auf dem breiten Rücken des Hügels,
ragte die Kirche empor, die in meilenweiten Umkreise vom Lande und von der
See aus sichtbar war. Zu ihren Füßen lag der Kirchhof und nach Westen
zu hinter dem Kamm des Hügels breiteten sich grüne Wiesen, unterbrochen
von Haidestrecken, bis an die grauen Dünen aus, hinter denen die Nordsee ihre
Wogen dahinrollte, bis sie an den Himmel stieß und mit ihm verschmolz.

Unten im Schutze des Hügels grünte der Stolz des Pfarrers, die jungen
Bäume, die er selber gepflanzt hatte, denn er war ein Mann, der sich darauf
verstand, zu pflanzen und das Gepflanzte zum Wachstum zu bringen. Es war
Kraft in ihm und er besaß den Mut, sie zu gebrauchen, das hatten die alten,
ernsten Männer unten im Dorfe vom ersten Augenblick an begriffen, als er,
jung an Jahren, aber von Gestalt und Antlitz ein Mann zum erstenmale
vor ihnen gestanden und mit seiner wohltönenden Stimme neues Leben in ihre
alte Kirche gebracht hatte.

Es geht einem durch Mark und Bein, wenn unser Pfarrer redet! hatten
sie zu einander gesagt und dazu gemeint: Er ist ein stattlicher Mann! Und
sie hatten willig ihre grauen Häupter vor dem jungen Pfarrer entblößt, und
aus den Gemeinden ringsumher waren die Leute herbeigekommen und hatten
die Kirche gefüllt, so daß kein Platz mehr drin war.

Hier ist schon mancher Strauch gepflanzt, doch hat nichts fortkommen
wollen, sagten sie, als er das erste Reis in die Erde steckte. Aber der Pfarrer
fügte ein Reis nach dem andern hinzu, und er hatte eine glückliche Hand.


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[0578] [Abbildung] Weihnachtsfest in einem Pfarrhause. L. Butte. von och oben in Vendsyssel, hart an der Nordsee, lag ein Pfarrhaus und wartete auf das Weihnachtsfest. Aber der Himmel sah gar nicht so milde drein, wie er es wohl früher gethan hatte. Es war nämlich eine ganze Reihe von Jahren vergangen, die ver¬ schiedene Veränderungenmit sich gebracht hatten. Das Pfarrhaus lag am Fuße eines Hügels, ein wenig höher als seine Umgebung, wie es sich für ein Pfarrhaus geziemt. Der Hügel lag westlich vom Pfarrhause und schützte es gegen den Westwind, daher war in der Nähe des Hauses alles frisch und grün, während ringsumher Blüten und Blätter in dem scharfen Winde verdorrten. Nach Osten zu erstreckte sich die braune Haide, die nur in weiter Ferne am Horizonte von Dörfern, Höfen und Häu¬ sern begrenzt wurde, während sich in geringer Entfernung südlich das lange, zerstreut gebaute Dorf hinzog. Aber oben, auf dem breiten Rücken des Hügels, ragte die Kirche empor, die in meilenweiten Umkreise vom Lande und von der See aus sichtbar war. Zu ihren Füßen lag der Kirchhof und nach Westen zu hinter dem Kamm des Hügels breiteten sich grüne Wiesen, unterbrochen von Haidestrecken, bis an die grauen Dünen aus, hinter denen die Nordsee ihre Wogen dahinrollte, bis sie an den Himmel stieß und mit ihm verschmolz. Unten im Schutze des Hügels grünte der Stolz des Pfarrers, die jungen Bäume, die er selber gepflanzt hatte, denn er war ein Mann, der sich darauf verstand, zu pflanzen und das Gepflanzte zum Wachstum zu bringen. Es war Kraft in ihm und er besaß den Mut, sie zu gebrauchen, das hatten die alten, ernsten Männer unten im Dorfe vom ersten Augenblick an begriffen, als er, jung an Jahren, aber von Gestalt und Antlitz ein Mann zum erstenmale vor ihnen gestanden und mit seiner wohltönenden Stimme neues Leben in ihre alte Kirche gebracht hatte. Es geht einem durch Mark und Bein, wenn unser Pfarrer redet! hatten sie zu einander gesagt und dazu gemeint: Er ist ein stattlicher Mann! Und sie hatten willig ihre grauen Häupter vor dem jungen Pfarrer entblößt, und aus den Gemeinden ringsumher waren die Leute herbeigekommen und hatten die Kirche gefüllt, so daß kein Platz mehr drin war. Hier ist schon mancher Strauch gepflanzt, doch hat nichts fortkommen wollen, sagten sie, als er das erste Reis in die Erde steckte. Aber der Pfarrer fügte ein Reis nach dem andern hinzu, und er hatte eine glückliche Hand.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/578>, abgerufen am 28.06.2024.