Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Staatsphilosophie Friedrichs des Großen.
v Karl Trost. on

och in der neuesten Ausgabe der Histoirv alö 1a Seismos xolitiauö
von Paul Janet wird der Ausspruch wiederholt, Friedrich der
Große würde in einer Geschichte der politischen Theorieen nicht
zu nennen sein, wenn es nicht von Interesse wäre, von seinem
"Antimachiavel," als der schriftstellerischen Jugendarbeit eines be¬
rühmten Feldherrn und Regenten, kurz Notiz zu nehmen. Dem gegenüber hebt
I. C. Bluntschli an verschiedenen Stellen seiner Schriften die Reichhaltigkeit
der Belehrung hervor, die für eine richtige theoretische Erfassung von Staat
und Staatsleben ans den Schriften des großen Königs zu schöpfen sei. In
seiner "Geschichte des Allgemeinen Staatsrechts" äußert er: "Hätte die deutsche
Staatswissenschaft auf der Grundlage, die Friedrich der Große gelegt hatte,
fortgebaut, so wäre sie zugleich theoretisch gesünder und praktisch nützlicher
geworden. Aber sie ließ sich durch die französische Doktrin auf Abwege ver¬
leiten und durch die französische Revolution wieder abschrecken, konsequent zu
bleiben." Diese Worte enthalten zugleich eine Andeutung der Gründe, aus
denen dem Staatstheoretiker Friedrich die seinem Verdienst entsprechende Aner¬
kennung nicht ganz und allseitig zu teil geworden ist. Friedrichs Ansicht vom
Staate widersprach den zu seiner Zeit und noch geraume Zeit nachher herr¬
schenden französischen Anschauungen, und die deutsche Wissenschaft, d. h. die Uni¬
versitätsgelehrsamkeit, zog es vor, statt der Prinzipien des großen Preußenkönigs
Doktrinen des revolutionären Frankreichs für den Ausbau ihrer Systeme als
Grundlage zu wühlen. Allerdings hatte Friedrich auch nicht für die Bedürf¬
nisse des Katheders gearbeitet; seine philosophischen Gedanken, insbesondre auch
die staatsphilosophischen, finden sich entweder zerstreut in geschichtlichen Werken,
in Briefen und Gedichten, oder sie sind dargelegt in einzelnen Abhandlungen,


Grenzboten IV. 1888. 7


Die Staatsphilosophie Friedrichs des Großen.
v Karl Trost. on

och in der neuesten Ausgabe der Histoirv alö 1a Seismos xolitiauö
von Paul Janet wird der Ausspruch wiederholt, Friedrich der
Große würde in einer Geschichte der politischen Theorieen nicht
zu nennen sein, wenn es nicht von Interesse wäre, von seinem
„Antimachiavel," als der schriftstellerischen Jugendarbeit eines be¬
rühmten Feldherrn und Regenten, kurz Notiz zu nehmen. Dem gegenüber hebt
I. C. Bluntschli an verschiedenen Stellen seiner Schriften die Reichhaltigkeit
der Belehrung hervor, die für eine richtige theoretische Erfassung von Staat
und Staatsleben ans den Schriften des großen Königs zu schöpfen sei. In
seiner „Geschichte des Allgemeinen Staatsrechts" äußert er: „Hätte die deutsche
Staatswissenschaft auf der Grundlage, die Friedrich der Große gelegt hatte,
fortgebaut, so wäre sie zugleich theoretisch gesünder und praktisch nützlicher
geworden. Aber sie ließ sich durch die französische Doktrin auf Abwege ver¬
leiten und durch die französische Revolution wieder abschrecken, konsequent zu
bleiben." Diese Worte enthalten zugleich eine Andeutung der Gründe, aus
denen dem Staatstheoretiker Friedrich die seinem Verdienst entsprechende Aner¬
kennung nicht ganz und allseitig zu teil geworden ist. Friedrichs Ansicht vom
Staate widersprach den zu seiner Zeit und noch geraume Zeit nachher herr¬
schenden französischen Anschauungen, und die deutsche Wissenschaft, d. h. die Uni¬
versitätsgelehrsamkeit, zog es vor, statt der Prinzipien des großen Preußenkönigs
Doktrinen des revolutionären Frankreichs für den Ausbau ihrer Systeme als
Grundlage zu wühlen. Allerdings hatte Friedrich auch nicht für die Bedürf¬
nisse des Katheders gearbeitet; seine philosophischen Gedanken, insbesondre auch
die staatsphilosophischen, finden sich entweder zerstreut in geschichtlichen Werken,
in Briefen und Gedichten, oder sie sind dargelegt in einzelnen Abhandlungen,


Grenzboten IV. 1888. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203492"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341847_203434/figures/grenzboten_341847_203434_203492_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Staatsphilosophie Friedrichs des Großen.<lb/>
v<note type="byline"> Karl Trost.</note> on</head><lb/>
          <p xml:id="ID_115" next="#ID_116"> och in der neuesten Ausgabe der Histoirv alö 1a Seismos xolitiauö<lb/>
von Paul Janet wird der Ausspruch wiederholt, Friedrich der<lb/>
Große würde in einer Geschichte der politischen Theorieen nicht<lb/>
zu nennen sein, wenn es nicht von Interesse wäre, von seinem<lb/>
&#x201E;Antimachiavel," als der schriftstellerischen Jugendarbeit eines be¬<lb/>
rühmten Feldherrn und Regenten, kurz Notiz zu nehmen. Dem gegenüber hebt<lb/>
I. C. Bluntschli an verschiedenen Stellen seiner Schriften die Reichhaltigkeit<lb/>
der Belehrung hervor, die für eine richtige theoretische Erfassung von Staat<lb/>
und Staatsleben ans den Schriften des großen Königs zu schöpfen sei. In<lb/>
seiner &#x201E;Geschichte des Allgemeinen Staatsrechts" äußert er: &#x201E;Hätte die deutsche<lb/>
Staatswissenschaft auf der Grundlage, die Friedrich der Große gelegt hatte,<lb/>
fortgebaut, so wäre sie zugleich theoretisch gesünder und praktisch nützlicher<lb/>
geworden. Aber sie ließ sich durch die französische Doktrin auf Abwege ver¬<lb/>
leiten und durch die französische Revolution wieder abschrecken, konsequent zu<lb/>
bleiben." Diese Worte enthalten zugleich eine Andeutung der Gründe, aus<lb/>
denen dem Staatstheoretiker Friedrich die seinem Verdienst entsprechende Aner¬<lb/>
kennung nicht ganz und allseitig zu teil geworden ist. Friedrichs Ansicht vom<lb/>
Staate widersprach den zu seiner Zeit und noch geraume Zeit nachher herr¬<lb/>
schenden französischen Anschauungen, und die deutsche Wissenschaft, d. h. die Uni¬<lb/>
versitätsgelehrsamkeit, zog es vor, statt der Prinzipien des großen Preußenkönigs<lb/>
Doktrinen des revolutionären Frankreichs für den Ausbau ihrer Systeme als<lb/>
Grundlage zu wühlen. Allerdings hatte Friedrich auch nicht für die Bedürf¬<lb/>
nisse des Katheders gearbeitet; seine philosophischen Gedanken, insbesondre auch<lb/>
die staatsphilosophischen, finden sich entweder zerstreut in geschichtlichen Werken,<lb/>
in Briefen und Gedichten, oder sie sind dargelegt in einzelnen Abhandlungen,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1888. 7</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0057] [Abbildung] Die Staatsphilosophie Friedrichs des Großen. v Karl Trost. on och in der neuesten Ausgabe der Histoirv alö 1a Seismos xolitiauö von Paul Janet wird der Ausspruch wiederholt, Friedrich der Große würde in einer Geschichte der politischen Theorieen nicht zu nennen sein, wenn es nicht von Interesse wäre, von seinem „Antimachiavel," als der schriftstellerischen Jugendarbeit eines be¬ rühmten Feldherrn und Regenten, kurz Notiz zu nehmen. Dem gegenüber hebt I. C. Bluntschli an verschiedenen Stellen seiner Schriften die Reichhaltigkeit der Belehrung hervor, die für eine richtige theoretische Erfassung von Staat und Staatsleben ans den Schriften des großen Königs zu schöpfen sei. In seiner „Geschichte des Allgemeinen Staatsrechts" äußert er: „Hätte die deutsche Staatswissenschaft auf der Grundlage, die Friedrich der Große gelegt hatte, fortgebaut, so wäre sie zugleich theoretisch gesünder und praktisch nützlicher geworden. Aber sie ließ sich durch die französische Doktrin auf Abwege ver¬ leiten und durch die französische Revolution wieder abschrecken, konsequent zu bleiben." Diese Worte enthalten zugleich eine Andeutung der Gründe, aus denen dem Staatstheoretiker Friedrich die seinem Verdienst entsprechende Aner¬ kennung nicht ganz und allseitig zu teil geworden ist. Friedrichs Ansicht vom Staate widersprach den zu seiner Zeit und noch geraume Zeit nachher herr¬ schenden französischen Anschauungen, und die deutsche Wissenschaft, d. h. die Uni¬ versitätsgelehrsamkeit, zog es vor, statt der Prinzipien des großen Preußenkönigs Doktrinen des revolutionären Frankreichs für den Ausbau ihrer Systeme als Grundlage zu wühlen. Allerdings hatte Friedrich auch nicht für die Bedürf¬ nisse des Katheders gearbeitet; seine philosophischen Gedanken, insbesondre auch die staatsphilosophischen, finden sich entweder zerstreut in geschichtlichen Werken, in Briefen und Gedichten, oder sie sind dargelegt in einzelnen Abhandlungen, Grenzboten IV. 1888. 7

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/57
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/57>, abgerufen am 28.06.2024.