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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Von der Romfahrt bis ^zu den preußischen Landtags-
rvahlen.

l
t e Herausgabe des "Tagebuchs" hatte glücklicherweise den gesun¬
den Sinn des Volkes und die Treue der Fürsten nicht berührt.
Der Kaiser, der sich über Detmold und Stuttgart zum Geburts¬
age der Kaiserin Augusta nach der Mairan, von da über Lindau
und Kempten nach München begab, wurde überall mit herzlichem
Jubel empfangen. Selbst König Karl und Königin Olga von Württemberg
fanden sich zur Begrüßung in Stuttgart ein, wenn es ihnen auch, wie es scheint,
etwas schwer geworden ist. Der Kaiser verstand es, mit Worten, die überall
dem Kreise der Hörer auch geschichtlich angepaßt waren, die Herzen zu er¬
greifen. Von München ging er nach Wien. Die Worte, die hier von den
Kaisern von Österreich und Deutschland in ihren Trinksprüchen gesprochen
wurden, besonders die von der Kameradschaft beider Heere, bezeichneten in ihrer
Kraft und Bedeutung das Verhältnis beider Staaten als ein auf gegenseitiger
Treue fest erbautes. Das waren nicht Worte, blos von der Gelegenheit ein¬
gegeben, sondern Worte, von denen "jedes einzelne einen Kommentar aufwog,"
Worte von so schwer wiegenden Gehalt, daß ihre Tragweite sich auch dort
geltend machte, wo der Friedensbund beider Herrscher und Staaten der Gegen¬
stand gehässigster Anfeindung ist. Man merkte es beiden Reden an, daß die
Monarchen sich des geschichtlichen Augenblicks wohl bewußt waren, der damit
gegeben war.

Aber womöglich noch mehr als in Wien, war man sich in Rom, ja in
ganz Italien dessen bewußt, daß mit dem Kommen des deutscheu Kaisers Stun¬
den und Tage von weltgeschichtlicher Bedeutung nahten; ganz Italien war
schon Wochen vorher in einer fieberhaften Aufregung, und Rom wie Neapel


Grenzboten IV. 1838. S5


Von der Romfahrt bis ^zu den preußischen Landtags-
rvahlen.

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t e Herausgabe des „Tagebuchs" hatte glücklicherweise den gesun¬
den Sinn des Volkes und die Treue der Fürsten nicht berührt.
Der Kaiser, der sich über Detmold und Stuttgart zum Geburts¬
age der Kaiserin Augusta nach der Mairan, von da über Lindau
und Kempten nach München begab, wurde überall mit herzlichem
Jubel empfangen. Selbst König Karl und Königin Olga von Württemberg
fanden sich zur Begrüßung in Stuttgart ein, wenn es ihnen auch, wie es scheint,
etwas schwer geworden ist. Der Kaiser verstand es, mit Worten, die überall
dem Kreise der Hörer auch geschichtlich angepaßt waren, die Herzen zu er¬
greifen. Von München ging er nach Wien. Die Worte, die hier von den
Kaisern von Österreich und Deutschland in ihren Trinksprüchen gesprochen
wurden, besonders die von der Kameradschaft beider Heere, bezeichneten in ihrer
Kraft und Bedeutung das Verhältnis beider Staaten als ein auf gegenseitiger
Treue fest erbautes. Das waren nicht Worte, blos von der Gelegenheit ein¬
gegeben, sondern Worte, von denen „jedes einzelne einen Kommentar aufwog,"
Worte von so schwer wiegenden Gehalt, daß ihre Tragweite sich auch dort
geltend machte, wo der Friedensbund beider Herrscher und Staaten der Gegen¬
stand gehässigster Anfeindung ist. Man merkte es beiden Reden an, daß die
Monarchen sich des geschichtlichen Augenblicks wohl bewußt waren, der damit
gegeben war.

Aber womöglich noch mehr als in Wien, war man sich in Rom, ja in
ganz Italien dessen bewußt, daß mit dem Kommen des deutscheu Kaisers Stun¬
den und Tage von weltgeschichtlicher Bedeutung nahten; ganz Italien war
schon Wochen vorher in einer fieberhaften Aufregung, und Rom wie Neapel


Grenzboten IV. 1838. S5
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[0441] [Abbildung] Von der Romfahrt bis ^zu den preußischen Landtags- rvahlen. l t e Herausgabe des „Tagebuchs" hatte glücklicherweise den gesun¬ den Sinn des Volkes und die Treue der Fürsten nicht berührt. Der Kaiser, der sich über Detmold und Stuttgart zum Geburts¬ age der Kaiserin Augusta nach der Mairan, von da über Lindau und Kempten nach München begab, wurde überall mit herzlichem Jubel empfangen. Selbst König Karl und Königin Olga von Württemberg fanden sich zur Begrüßung in Stuttgart ein, wenn es ihnen auch, wie es scheint, etwas schwer geworden ist. Der Kaiser verstand es, mit Worten, die überall dem Kreise der Hörer auch geschichtlich angepaßt waren, die Herzen zu er¬ greifen. Von München ging er nach Wien. Die Worte, die hier von den Kaisern von Österreich und Deutschland in ihren Trinksprüchen gesprochen wurden, besonders die von der Kameradschaft beider Heere, bezeichneten in ihrer Kraft und Bedeutung das Verhältnis beider Staaten als ein auf gegenseitiger Treue fest erbautes. Das waren nicht Worte, blos von der Gelegenheit ein¬ gegeben, sondern Worte, von denen „jedes einzelne einen Kommentar aufwog," Worte von so schwer wiegenden Gehalt, daß ihre Tragweite sich auch dort geltend machte, wo der Friedensbund beider Herrscher und Staaten der Gegen¬ stand gehässigster Anfeindung ist. Man merkte es beiden Reden an, daß die Monarchen sich des geschichtlichen Augenblicks wohl bewußt waren, der damit gegeben war. Aber womöglich noch mehr als in Wien, war man sich in Rom, ja in ganz Italien dessen bewußt, daß mit dem Kommen des deutscheu Kaisers Stun¬ den und Tage von weltgeschichtlicher Bedeutung nahten; ganz Italien war schon Wochen vorher in einer fieberhaften Aufregung, und Rom wie Neapel Grenzboten IV. 1838. S5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/441>, abgerufen am 28.06.2024.