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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Friedrich vischer.

Bade", Durlach, Pforzheim, Ettlingen, die Schlösser und Gebiete Mühlberg,
Grötzingen, Steinbach, die jetzt württembergischen Orte Backnang, Vcsigheim,
Altensteig und verschiedene Pfandschaften. Unter ihm tritt auch die erste Länder¬
teilung ein; sein jüngerer Bruder, Heinrich, stiftet die nach der Burg Haasberg
(später Hochberg) im Breisgau genannte Nebenlinie; von dieser sondert sich dann
später noch die Linie Sausenberg. Beide Linien starben aus, und ihre Lande
fielen wieder dem Hauptstamme des Hauses zu. Hermann V. starb im Jahre
1243, und über seinem Grabe führte seine Witwe das Cisterzienserklöster Lichten-
thal auf, das ebenfalls keinem Besucher von Baden-Baden unbekannt ist.

(Schluß folgt.)




Friedrich Vischer.

is s Friedrich Theodor Vischer wenige Wochen nach seinem von
der ganzen Nation gefeierten achtzigsten Geburtstage in Gmunden
zur schmerzlichen Überraschung der gebildeten Welt schnell ver¬
chied, da stand das Bild seines persönlichen Charakters viel
größer und klarer vor unsern Augen, als sein System der Ästhetik.
Bei seinem Tode waren die Grundlagen dieser jetzt noch in den Anfängen
stehenden Wissenschaft, um deren Ansehen und Vertiefung Vischer sich die meisten
Verdienste erworben hatte, schwankender als jemals. Er selbst hatte schon
vor einem Jahrzehnt sein eignes Gebäude Hegelscher Dialektik als ein Karten¬
haus umgeworfen, und er starb, ohne seinen Plan, das Jugendwerk umgearbeitet
neu herauszugeben, durchgeführt zu haben. Wenn man demnach auch von
Vischer immerdar als vom Ästhetiker sprechen wird, so ist doch damit sein
Charakterbild noch lange nicht erschöpft. Vischer war auch ein Dichter, sein
Roman "Auch Einer" wird manchen Roman Spielhagens oder Auerbachs
überleben; er war ein Humorist als der biedere "Schartenmaier," ein genialer
Satiriker als der Verfasser des dritten Teils der Tragödie "Faust", ein Lyriker
in seinen "Lyrischen Gängen." Er war, und dies nicht zum wenigsten, ein
leidenschaftlich für die Bildung der deutschen Einheit entflammter Politiker,
auch er hatte 1848 seinen Platz an der Seite Uhlcmds in der Paulskirche
gefunden, auch er mußte wie mancher andre deutsche Mann das Brot der
Verbannung essen, und doch konnte er vom "Laster des politischen Schrift¬
stellers" bis in seine hohen Lebensjahre nicht lassen. Vischer hatte auch ein


Friedrich vischer.

Bade», Durlach, Pforzheim, Ettlingen, die Schlösser und Gebiete Mühlberg,
Grötzingen, Steinbach, die jetzt württembergischen Orte Backnang, Vcsigheim,
Altensteig und verschiedene Pfandschaften. Unter ihm tritt auch die erste Länder¬
teilung ein; sein jüngerer Bruder, Heinrich, stiftet die nach der Burg Haasberg
(später Hochberg) im Breisgau genannte Nebenlinie; von dieser sondert sich dann
später noch die Linie Sausenberg. Beide Linien starben aus, und ihre Lande
fielen wieder dem Hauptstamme des Hauses zu. Hermann V. starb im Jahre
1243, und über seinem Grabe führte seine Witwe das Cisterzienserklöster Lichten-
thal auf, das ebenfalls keinem Besucher von Baden-Baden unbekannt ist.

(Schluß folgt.)




Friedrich Vischer.

is s Friedrich Theodor Vischer wenige Wochen nach seinem von
der ganzen Nation gefeierten achtzigsten Geburtstage in Gmunden
zur schmerzlichen Überraschung der gebildeten Welt schnell ver¬
chied, da stand das Bild seines persönlichen Charakters viel
größer und klarer vor unsern Augen, als sein System der Ästhetik.
Bei seinem Tode waren die Grundlagen dieser jetzt noch in den Anfängen
stehenden Wissenschaft, um deren Ansehen und Vertiefung Vischer sich die meisten
Verdienste erworben hatte, schwankender als jemals. Er selbst hatte schon
vor einem Jahrzehnt sein eignes Gebäude Hegelscher Dialektik als ein Karten¬
haus umgeworfen, und er starb, ohne seinen Plan, das Jugendwerk umgearbeitet
neu herauszugeben, durchgeführt zu haben. Wenn man demnach auch von
Vischer immerdar als vom Ästhetiker sprechen wird, so ist doch damit sein
Charakterbild noch lange nicht erschöpft. Vischer war auch ein Dichter, sein
Roman „Auch Einer" wird manchen Roman Spielhagens oder Auerbachs
überleben; er war ein Humorist als der biedere „Schartenmaier," ein genialer
Satiriker als der Verfasser des dritten Teils der Tragödie „Faust", ein Lyriker
in seinen „Lyrischen Gängen." Er war, und dies nicht zum wenigsten, ein
leidenschaftlich für die Bildung der deutschen Einheit entflammter Politiker,
auch er hatte 1848 seinen Platz an der Seite Uhlcmds in der Paulskirche
gefunden, auch er mußte wie mancher andre deutsche Mann das Brot der
Verbannung essen, und doch konnte er vom „Laster des politischen Schrift¬
stellers" bis in seine hohen Lebensjahre nicht lassen. Vischer hatte auch ein


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[0416] Friedrich vischer. Bade», Durlach, Pforzheim, Ettlingen, die Schlösser und Gebiete Mühlberg, Grötzingen, Steinbach, die jetzt württembergischen Orte Backnang, Vcsigheim, Altensteig und verschiedene Pfandschaften. Unter ihm tritt auch die erste Länder¬ teilung ein; sein jüngerer Bruder, Heinrich, stiftet die nach der Burg Haasberg (später Hochberg) im Breisgau genannte Nebenlinie; von dieser sondert sich dann später noch die Linie Sausenberg. Beide Linien starben aus, und ihre Lande fielen wieder dem Hauptstamme des Hauses zu. Hermann V. starb im Jahre 1243, und über seinem Grabe führte seine Witwe das Cisterzienserklöster Lichten- thal auf, das ebenfalls keinem Besucher von Baden-Baden unbekannt ist. (Schluß folgt.) Friedrich Vischer. is s Friedrich Theodor Vischer wenige Wochen nach seinem von der ganzen Nation gefeierten achtzigsten Geburtstage in Gmunden zur schmerzlichen Überraschung der gebildeten Welt schnell ver¬ chied, da stand das Bild seines persönlichen Charakters viel größer und klarer vor unsern Augen, als sein System der Ästhetik. Bei seinem Tode waren die Grundlagen dieser jetzt noch in den Anfängen stehenden Wissenschaft, um deren Ansehen und Vertiefung Vischer sich die meisten Verdienste erworben hatte, schwankender als jemals. Er selbst hatte schon vor einem Jahrzehnt sein eignes Gebäude Hegelscher Dialektik als ein Karten¬ haus umgeworfen, und er starb, ohne seinen Plan, das Jugendwerk umgearbeitet neu herauszugeben, durchgeführt zu haben. Wenn man demnach auch von Vischer immerdar als vom Ästhetiker sprechen wird, so ist doch damit sein Charakterbild noch lange nicht erschöpft. Vischer war auch ein Dichter, sein Roman „Auch Einer" wird manchen Roman Spielhagens oder Auerbachs überleben; er war ein Humorist als der biedere „Schartenmaier," ein genialer Satiriker als der Verfasser des dritten Teils der Tragödie „Faust", ein Lyriker in seinen „Lyrischen Gängen." Er war, und dies nicht zum wenigsten, ein leidenschaftlich für die Bildung der deutschen Einheit entflammter Politiker, auch er hatte 1848 seinen Platz an der Seite Uhlcmds in der Paulskirche gefunden, auch er mußte wie mancher andre deutsche Mann das Brot der Verbannung essen, und doch konnte er vom „Laster des politischen Schrift¬ stellers" bis in seine hohen Lebensjahre nicht lassen. Vischer hatte auch ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/416>, abgerufen am 28.06.2024.