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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

das Verhalten des Zentrums im Zusammenhange mit einer weithin erkennbaren
katholischen Bewegung, eine römische Frage ab, die ersichtlich dazu bestimmt ist,
den Weltfrieden aus den Angeln zu heben, und die daher der Aufmerksamkeit
aller Patrioten hiermit empfohlen sei.i




Kleinere Mitteilungen.

Ein Kritikerstreit. Wir verschonen unsre Leser nach Möglichkeit mit den
Einzelheiten wissenschaftlicher Polemik, ganz besonders wenn sie sich auf dem Ge¬
biete abspielt, auf dem bekanntlich von jeher das Maaß der aufgewendeten Galle
in einem beträchtlichen Mißverhältnis zu dem des behandelten Gegenstandes steht,
nämlich auf philologischen Gebiete. Da wir aber nun einmal -- wir gestehen
es, zu unserm Bedauern -- Anlaß zu einer solchen gegeben haben, und zwar
ahnungslos durch Aufnahme eines uns nach dieser Richtung hin sehr ungefähr¬
lich dünkenden Aufsatzes, so ist es unsre Pflicht, wenigstens unser Verhältnis dazu
kurz darzulegen, ohne unsern Lesern den Genuß einer Fortsetzung des Streites zu¬
zumuten. H. Düntzers Besprechung von Kuno Fischers Festvortrcig bei der letzten
Goetheversammlung über Goethes Iphigenie (in Buchform bei C. Winter in Heidel¬
berg erschienen), der wir in Ur. 40 Raum gewährten, hat den Zorn des Verfassers
in ungewöhnlich hohem Grade erregt.*) Die Frage, ob die Iphigenie in religiös¬
christlichem oder antik-humanen Sinne aufzufassen sei (eine Frage, die uns nebenbei
sehr wohl eine doppelte Beantwortung zuzulassen scheint) hat hierbei zu Wirkungen
geführt, die dem Anlaß nicht nur wenig entsprechend, sondern -- sowohl im
"religiös-christlichen als antik-humanen Sinne" -- seiner wenig würdig erscheinen
dürften. Grade von dem Vertreter einer so versöhnlichen Interpretation der Iphi¬
genie, wie es die erstgenannte ist, sollte man einen weniger beleidigten und per¬
sönlich gereizten Ton erwarten einem Gegner gegenüber, der in der ruhigsten
Weise nichts andres gethan hat, als die "andre Seite" einer offenbar zwiespältigen
Sache zu beleuchten. Daß sich der Zwiespalt sehr wohl einen läßt, daß, wie Fischer
auf S. 46 seiner Schrift selbst anführt, der "christliche Charakter" der Dichtung
keineswegs erst von ihm herausgefunden worden ist, auf der andern Seite ihr
rein humaner Charakter (die Griechin im Barbarenlande) damit sehr wohl bestehen
kann, diese Erkenntnis scheint beiden Verfassern bei ihrer Sondermeinung in Ver¬
lust geraten zu sein. Düntzers Argumente sind nicht die unsrigen, ebensowenig
Wie der Ton des Fischerschen Artikels der der Allgemeinen Zeitung, und wenn
Wir in der angeführten Nummer eine Seite umschlagen und in dem vierteljährlichen
"Verzeichnis der Herren Verfasser" unter den ersten H. Düntzer finden, so fragen
wie uns vergeblich, warum gerade die Grenzboten ihre Besorgnis vor "elenden
Artikeln" bis auf die Beiträge der Fachgelehrten ausdehnen sollten, die einmal
"andrer Meinung" sind.



") S. die Beilage zur Mg. Z. Ur. 19S: "Herr Düntzer als Kritiker."
Kleinere Mitteilungen.

das Verhalten des Zentrums im Zusammenhange mit einer weithin erkennbaren
katholischen Bewegung, eine römische Frage ab, die ersichtlich dazu bestimmt ist,
den Weltfrieden aus den Angeln zu heben, und die daher der Aufmerksamkeit
aller Patrioten hiermit empfohlen sei.i




Kleinere Mitteilungen.

Ein Kritikerstreit. Wir verschonen unsre Leser nach Möglichkeit mit den
Einzelheiten wissenschaftlicher Polemik, ganz besonders wenn sie sich auf dem Ge¬
biete abspielt, auf dem bekanntlich von jeher das Maaß der aufgewendeten Galle
in einem beträchtlichen Mißverhältnis zu dem des behandelten Gegenstandes steht,
nämlich auf philologischen Gebiete. Da wir aber nun einmal — wir gestehen
es, zu unserm Bedauern — Anlaß zu einer solchen gegeben haben, und zwar
ahnungslos durch Aufnahme eines uns nach dieser Richtung hin sehr ungefähr¬
lich dünkenden Aufsatzes, so ist es unsre Pflicht, wenigstens unser Verhältnis dazu
kurz darzulegen, ohne unsern Lesern den Genuß einer Fortsetzung des Streites zu¬
zumuten. H. Düntzers Besprechung von Kuno Fischers Festvortrcig bei der letzten
Goetheversammlung über Goethes Iphigenie (in Buchform bei C. Winter in Heidel¬
berg erschienen), der wir in Ur. 40 Raum gewährten, hat den Zorn des Verfassers
in ungewöhnlich hohem Grade erregt.*) Die Frage, ob die Iphigenie in religiös¬
christlichem oder antik-humanen Sinne aufzufassen sei (eine Frage, die uns nebenbei
sehr wohl eine doppelte Beantwortung zuzulassen scheint) hat hierbei zu Wirkungen
geführt, die dem Anlaß nicht nur wenig entsprechend, sondern — sowohl im
„religiös-christlichen als antik-humanen Sinne" — seiner wenig würdig erscheinen
dürften. Grade von dem Vertreter einer so versöhnlichen Interpretation der Iphi¬
genie, wie es die erstgenannte ist, sollte man einen weniger beleidigten und per¬
sönlich gereizten Ton erwarten einem Gegner gegenüber, der in der ruhigsten
Weise nichts andres gethan hat, als die „andre Seite" einer offenbar zwiespältigen
Sache zu beleuchten. Daß sich der Zwiespalt sehr wohl einen läßt, daß, wie Fischer
auf S. 46 seiner Schrift selbst anführt, der „christliche Charakter" der Dichtung
keineswegs erst von ihm herausgefunden worden ist, auf der andern Seite ihr
rein humaner Charakter (die Griechin im Barbarenlande) damit sehr wohl bestehen
kann, diese Erkenntnis scheint beiden Verfassern bei ihrer Sondermeinung in Ver¬
lust geraten zu sein. Düntzers Argumente sind nicht die unsrigen, ebensowenig
Wie der Ton des Fischerschen Artikels der der Allgemeinen Zeitung, und wenn
Wir in der angeführten Nummer eine Seite umschlagen und in dem vierteljährlichen
„Verzeichnis der Herren Verfasser" unter den ersten H. Düntzer finden, so fragen
wie uns vergeblich, warum gerade die Grenzboten ihre Besorgnis vor „elenden
Artikeln" bis auf die Beiträge der Fachgelehrten ausdehnen sollten, die einmal
„andrer Meinung" sind.



») S. die Beilage zur Mg. Z. Ur. 19S: „Herr Düntzer als Kritiker."
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[0389] Kleinere Mitteilungen. das Verhalten des Zentrums im Zusammenhange mit einer weithin erkennbaren katholischen Bewegung, eine römische Frage ab, die ersichtlich dazu bestimmt ist, den Weltfrieden aus den Angeln zu heben, und die daher der Aufmerksamkeit aller Patrioten hiermit empfohlen sei.i Kleinere Mitteilungen. Ein Kritikerstreit. Wir verschonen unsre Leser nach Möglichkeit mit den Einzelheiten wissenschaftlicher Polemik, ganz besonders wenn sie sich auf dem Ge¬ biete abspielt, auf dem bekanntlich von jeher das Maaß der aufgewendeten Galle in einem beträchtlichen Mißverhältnis zu dem des behandelten Gegenstandes steht, nämlich auf philologischen Gebiete. Da wir aber nun einmal — wir gestehen es, zu unserm Bedauern — Anlaß zu einer solchen gegeben haben, und zwar ahnungslos durch Aufnahme eines uns nach dieser Richtung hin sehr ungefähr¬ lich dünkenden Aufsatzes, so ist es unsre Pflicht, wenigstens unser Verhältnis dazu kurz darzulegen, ohne unsern Lesern den Genuß einer Fortsetzung des Streites zu¬ zumuten. H. Düntzers Besprechung von Kuno Fischers Festvortrcig bei der letzten Goetheversammlung über Goethes Iphigenie (in Buchform bei C. Winter in Heidel¬ berg erschienen), der wir in Ur. 40 Raum gewährten, hat den Zorn des Verfassers in ungewöhnlich hohem Grade erregt.*) Die Frage, ob die Iphigenie in religiös¬ christlichem oder antik-humanen Sinne aufzufassen sei (eine Frage, die uns nebenbei sehr wohl eine doppelte Beantwortung zuzulassen scheint) hat hierbei zu Wirkungen geführt, die dem Anlaß nicht nur wenig entsprechend, sondern — sowohl im „religiös-christlichen als antik-humanen Sinne" — seiner wenig würdig erscheinen dürften. Grade von dem Vertreter einer so versöhnlichen Interpretation der Iphi¬ genie, wie es die erstgenannte ist, sollte man einen weniger beleidigten und per¬ sönlich gereizten Ton erwarten einem Gegner gegenüber, der in der ruhigsten Weise nichts andres gethan hat, als die „andre Seite" einer offenbar zwiespältigen Sache zu beleuchten. Daß sich der Zwiespalt sehr wohl einen läßt, daß, wie Fischer auf S. 46 seiner Schrift selbst anführt, der „christliche Charakter" der Dichtung keineswegs erst von ihm herausgefunden worden ist, auf der andern Seite ihr rein humaner Charakter (die Griechin im Barbarenlande) damit sehr wohl bestehen kann, diese Erkenntnis scheint beiden Verfassern bei ihrer Sondermeinung in Ver¬ lust geraten zu sein. Düntzers Argumente sind nicht die unsrigen, ebensowenig Wie der Ton des Fischerschen Artikels der der Allgemeinen Zeitung, und wenn Wir in der angeführten Nummer eine Seite umschlagen und in dem vierteljährlichen „Verzeichnis der Herren Verfasser" unter den ersten H. Düntzer finden, so fragen wie uns vergeblich, warum gerade die Grenzboten ihre Besorgnis vor „elenden Artikeln" bis auf die Beiträge der Fachgelehrten ausdehnen sollten, die einmal „andrer Meinung" sind. ») S. die Beilage zur Mg. Z. Ur. 19S: „Herr Düntzer als Kritiker."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/389>, abgerufen am 28.06.2024.