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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die preußische Landtagswahl und die römische Frage.

gehören eben nicht mehr zu Halbasien. Und so lautet denn auch sein Omega,
wie sein Alpha: deutsche Kultur, wirkliche Kultur für diese Ostländer! Wie
gering die Aussichten für die Verwirklichung dieses Ideals sind, sagt sich
Franzos wohl selbst, uns Nichtösterreichern erscheinen sie noch viel geringer als
ihm. Zum Verständnis der ungeheuern Schwierigkeiten, mit denen Bildung
und menschenwürdiges Leben in Halbasien zu kämpfen haben, tragen Franzos'
Skizzenbücher ein beträchtliches bei, und so seien denn auch die beiden Bände
"Aus der großen Ebene" der Teilnahme denkender Leser empfohlen.




Die preußische Landtagswahl und die römische Frage.

soeben beendigten preußischen Landtagswahl durfte von den ver-
schiedensten Gesichtspunkten aus ein besonderes Interesse entgegen-
gebracht werden. Nach den schweren Heimsuchungen, die das
Drei-Kaiser-Jahr über die Nation verhängt hatte, war die Land-
eine Mahnung zur innern Sammlung, zur Abklärung
der politischen Leidenschaften, zur besonnenen Stellungnahme angesichts einer
mannigfach veränderten Lage. Der Herrscher, der bereits bewiesen hatte, das;
er nicht nur der Erbe seiner Väter, sondern in Wahrheit der Führer seines
Volkes zu sein ebenso befähigt als entschlossen war, hatte alle Wohldenkenden
aufgerufen, "die Wohlfahrt des Landes in gemeinschaftlicher, durch die Ver¬
schiedenheit prinzipieller Grundanschauungen nicht gestörter Arbeit fördern zu
helfen," und er hatte damit im Volke weithin Zustimmung gefunden. An sich
war es einerseits ein keineswegs erwünschter Umstand, daß der Thronbesteigung
alsbald eine Neuwahl folgte. Es war zu besorgen, daß die durch das Jahr
hervorgerufenen schwierigen Verhältnisse durch eine weitere Steigerung des ohne¬
hin so leidenschaftlichen Parteikampfes gemehrt wurden, der bereits Formen
angenommen hatte, wie sie kaum in der Konfliktszeit dagewesen waren, und
auf Gebiete erstreckt worden war, vor denen unter dem ehrfurchtgebietenden
Szepter unsers alten Kaisers alle Gegensätze Halt gemacht hatten. Diesen Zu¬
stand zu beenden, den Thron und die Königsfamilie nicht länger der leiden¬
schaftlichen Tagesdiskussion auszusetzen, lag im Interesse aller Vaterlandsfreunde.
Beiden, dem Könige wie dem Volke, mußte an einem Zeitabschnitte ruhiger
innerer Sammlung, stillen Fortarbeitens gelegen sein, um für neue Reform¬
arbeit die rechte Vorbereitung, eine größere Einmütigkeit der Parteien und die


Die preußische Landtagswahl und die römische Frage.

gehören eben nicht mehr zu Halbasien. Und so lautet denn auch sein Omega,
wie sein Alpha: deutsche Kultur, wirkliche Kultur für diese Ostländer! Wie
gering die Aussichten für die Verwirklichung dieses Ideals sind, sagt sich
Franzos wohl selbst, uns Nichtösterreichern erscheinen sie noch viel geringer als
ihm. Zum Verständnis der ungeheuern Schwierigkeiten, mit denen Bildung
und menschenwürdiges Leben in Halbasien zu kämpfen haben, tragen Franzos'
Skizzenbücher ein beträchtliches bei, und so seien denn auch die beiden Bände
„Aus der großen Ebene" der Teilnahme denkender Leser empfohlen.




Die preußische Landtagswahl und die römische Frage.

soeben beendigten preußischen Landtagswahl durfte von den ver-
schiedensten Gesichtspunkten aus ein besonderes Interesse entgegen-
gebracht werden. Nach den schweren Heimsuchungen, die das
Drei-Kaiser-Jahr über die Nation verhängt hatte, war die Land-
eine Mahnung zur innern Sammlung, zur Abklärung
der politischen Leidenschaften, zur besonnenen Stellungnahme angesichts einer
mannigfach veränderten Lage. Der Herrscher, der bereits bewiesen hatte, das;
er nicht nur der Erbe seiner Väter, sondern in Wahrheit der Führer seines
Volkes zu sein ebenso befähigt als entschlossen war, hatte alle Wohldenkenden
aufgerufen, „die Wohlfahrt des Landes in gemeinschaftlicher, durch die Ver¬
schiedenheit prinzipieller Grundanschauungen nicht gestörter Arbeit fördern zu
helfen," und er hatte damit im Volke weithin Zustimmung gefunden. An sich
war es einerseits ein keineswegs erwünschter Umstand, daß der Thronbesteigung
alsbald eine Neuwahl folgte. Es war zu besorgen, daß die durch das Jahr
hervorgerufenen schwierigen Verhältnisse durch eine weitere Steigerung des ohne¬
hin so leidenschaftlichen Parteikampfes gemehrt wurden, der bereits Formen
angenommen hatte, wie sie kaum in der Konfliktszeit dagewesen waren, und
auf Gebiete erstreckt worden war, vor denen unter dem ehrfurchtgebietenden
Szepter unsers alten Kaisers alle Gegensätze Halt gemacht hatten. Diesen Zu¬
stand zu beenden, den Thron und die Königsfamilie nicht länger der leiden¬
schaftlichen Tagesdiskussion auszusetzen, lag im Interesse aller Vaterlandsfreunde.
Beiden, dem Könige wie dem Volke, mußte an einem Zeitabschnitte ruhiger
innerer Sammlung, stillen Fortarbeitens gelegen sein, um für neue Reform¬
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[0380] Die preußische Landtagswahl und die römische Frage. gehören eben nicht mehr zu Halbasien. Und so lautet denn auch sein Omega, wie sein Alpha: deutsche Kultur, wirkliche Kultur für diese Ostländer! Wie gering die Aussichten für die Verwirklichung dieses Ideals sind, sagt sich Franzos wohl selbst, uns Nichtösterreichern erscheinen sie noch viel geringer als ihm. Zum Verständnis der ungeheuern Schwierigkeiten, mit denen Bildung und menschenwürdiges Leben in Halbasien zu kämpfen haben, tragen Franzos' Skizzenbücher ein beträchtliches bei, und so seien denn auch die beiden Bände „Aus der großen Ebene" der Teilnahme denkender Leser empfohlen. Die preußische Landtagswahl und die römische Frage. soeben beendigten preußischen Landtagswahl durfte von den ver- schiedensten Gesichtspunkten aus ein besonderes Interesse entgegen- gebracht werden. Nach den schweren Heimsuchungen, die das Drei-Kaiser-Jahr über die Nation verhängt hatte, war die Land- eine Mahnung zur innern Sammlung, zur Abklärung der politischen Leidenschaften, zur besonnenen Stellungnahme angesichts einer mannigfach veränderten Lage. Der Herrscher, der bereits bewiesen hatte, das; er nicht nur der Erbe seiner Väter, sondern in Wahrheit der Führer seines Volkes zu sein ebenso befähigt als entschlossen war, hatte alle Wohldenkenden aufgerufen, „die Wohlfahrt des Landes in gemeinschaftlicher, durch die Ver¬ schiedenheit prinzipieller Grundanschauungen nicht gestörter Arbeit fördern zu helfen," und er hatte damit im Volke weithin Zustimmung gefunden. An sich war es einerseits ein keineswegs erwünschter Umstand, daß der Thronbesteigung alsbald eine Neuwahl folgte. Es war zu besorgen, daß die durch das Jahr hervorgerufenen schwierigen Verhältnisse durch eine weitere Steigerung des ohne¬ hin so leidenschaftlichen Parteikampfes gemehrt wurden, der bereits Formen angenommen hatte, wie sie kaum in der Konfliktszeit dagewesen waren, und auf Gebiete erstreckt worden war, vor denen unter dem ehrfurchtgebietenden Szepter unsers alten Kaisers alle Gegensätze Halt gemacht hatten. Diesen Zu¬ stand zu beenden, den Thron und die Königsfamilie nicht länger der leiden¬ schaftlichen Tagesdiskussion auszusetzen, lag im Interesse aller Vaterlandsfreunde. Beiden, dem Könige wie dem Volke, mußte an einem Zeitabschnitte ruhiger innerer Sammlung, stillen Fortarbeitens gelegen sein, um für neue Reform¬ arbeit die rechte Vorbereitung, eine größere Einmütigkeit der Parteien und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/380>, abgerufen am 28.06.2024.