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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Vie Smaragdinsel.

rakter wie unsre "Schnaderhüpfel" in Tirol und Körnten. In den kleinen
unüberschricbenen Gedichten der Abteilung "Liebesschiller," Gefühlsakkorden,
kurzen Stimmungslauten, hat er das beste Zeugnis für seine rein lyrische Be¬
gabung abgelegt. Als "Anhang" bietet er drei Balladen, von denen die eine:
"Byzantinisches Triumphbild" ein herbes Pathos und eine kräftige Gestciltnngs-
kraft bekundet. Es genüge hier, darauf hinzuweisen.




Die ^maragdinsel.

as neunzehnte Jahrhundert ist das Jahrhundert des Natio¬
nalitätsprinzips. Alle Bewegungen und Umwälzungen, die in
Europa in neuerer Zeit stattgefunden haben, haben als Grund¬
lage das Streben nach Durchführung dieses Prinzips gehabt.
Wenn wir daher von den Vorgängen in Irland lesen, von dem
hartnäckigen Kampfe der Iren um Selbständigkeit, so sind wir geneigt, auch hier
das Walten des mächtigen Geistes zu erkennen, der die Menschen heißt dem
Drange des Blutes folgen und sich Verhältnissen widersetzen, welche die Natur
verachten.*)

Die Engländer sind germanischen Ursprunges, die Iren keltischen. Aber
auch die Hochlandsschotten und die Walliser gehören der keltischen Familie an
und haben die keltische Sprache treuer bewahrt als die Iren. Dennoch hören
wir nirgends, daß die Walliser ein eignes Parlament beanspruchten oder dem
englischen Nachbar feindlich wären. Der Walliser, auch in den engen Thälern,
wo er seine Sprache frei von englischen Einflüssen bewahrt hat, ist stolz, ein
Unterthan der Königin Viktoria zu sein, und gedeiht unter dem Schutze des
britischen Löwen.

Anders die Iren. In Irland ist eine notleidende, unglückliche Bevölkerung,
ohne Besitz, von oben bedrückt und von seinen Führern zur Gewaltthat dem
Drucke gegenüber aufgereizt.

Wales wurde im Jahre 1282 von Edward I. erobert, nachdem Irland
schon im Jahre 1169 unterworfen und im nördlichen Teile besiedelt worden
war. Zeit genug haben die beiden Länder gehabt, sich an das Neue zu ge¬
wöhnen. Wenn sich Irland noch heute gegen England sträubt und die Treue



*) Dieser Aufsatz wird unsern Lesern als Ergänzung zu dem im 19. Hefte: "Erinne¬
rungen aus Irland" willkommen sein.
Vie Smaragdinsel.

rakter wie unsre „Schnaderhüpfel" in Tirol und Körnten. In den kleinen
unüberschricbenen Gedichten der Abteilung „Liebesschiller," Gefühlsakkorden,
kurzen Stimmungslauten, hat er das beste Zeugnis für seine rein lyrische Be¬
gabung abgelegt. Als „Anhang" bietet er drei Balladen, von denen die eine:
„Byzantinisches Triumphbild" ein herbes Pathos und eine kräftige Gestciltnngs-
kraft bekundet. Es genüge hier, darauf hinzuweisen.




Die ^maragdinsel.

as neunzehnte Jahrhundert ist das Jahrhundert des Natio¬
nalitätsprinzips. Alle Bewegungen und Umwälzungen, die in
Europa in neuerer Zeit stattgefunden haben, haben als Grund¬
lage das Streben nach Durchführung dieses Prinzips gehabt.
Wenn wir daher von den Vorgängen in Irland lesen, von dem
hartnäckigen Kampfe der Iren um Selbständigkeit, so sind wir geneigt, auch hier
das Walten des mächtigen Geistes zu erkennen, der die Menschen heißt dem
Drange des Blutes folgen und sich Verhältnissen widersetzen, welche die Natur
verachten.*)

Die Engländer sind germanischen Ursprunges, die Iren keltischen. Aber
auch die Hochlandsschotten und die Walliser gehören der keltischen Familie an
und haben die keltische Sprache treuer bewahrt als die Iren. Dennoch hören
wir nirgends, daß die Walliser ein eignes Parlament beanspruchten oder dem
englischen Nachbar feindlich wären. Der Walliser, auch in den engen Thälern,
wo er seine Sprache frei von englischen Einflüssen bewahrt hat, ist stolz, ein
Unterthan der Königin Viktoria zu sein, und gedeiht unter dem Schutze des
britischen Löwen.

Anders die Iren. In Irland ist eine notleidende, unglückliche Bevölkerung,
ohne Besitz, von oben bedrückt und von seinen Führern zur Gewaltthat dem
Drucke gegenüber aufgereizt.

Wales wurde im Jahre 1282 von Edward I. erobert, nachdem Irland
schon im Jahre 1169 unterworfen und im nördlichen Teile besiedelt worden
war. Zeit genug haben die beiden Länder gehabt, sich an das Neue zu ge¬
wöhnen. Wenn sich Irland noch heute gegen England sträubt und die Treue



*) Dieser Aufsatz wird unsern Lesern als Ergänzung zu dem im 19. Hefte: „Erinne¬
rungen aus Irland" willkommen sein.
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[0636] Vie Smaragdinsel. rakter wie unsre „Schnaderhüpfel" in Tirol und Körnten. In den kleinen unüberschricbenen Gedichten der Abteilung „Liebesschiller," Gefühlsakkorden, kurzen Stimmungslauten, hat er das beste Zeugnis für seine rein lyrische Be¬ gabung abgelegt. Als „Anhang" bietet er drei Balladen, von denen die eine: „Byzantinisches Triumphbild" ein herbes Pathos und eine kräftige Gestciltnngs- kraft bekundet. Es genüge hier, darauf hinzuweisen. Die ^maragdinsel. as neunzehnte Jahrhundert ist das Jahrhundert des Natio¬ nalitätsprinzips. Alle Bewegungen und Umwälzungen, die in Europa in neuerer Zeit stattgefunden haben, haben als Grund¬ lage das Streben nach Durchführung dieses Prinzips gehabt. Wenn wir daher von den Vorgängen in Irland lesen, von dem hartnäckigen Kampfe der Iren um Selbständigkeit, so sind wir geneigt, auch hier das Walten des mächtigen Geistes zu erkennen, der die Menschen heißt dem Drange des Blutes folgen und sich Verhältnissen widersetzen, welche die Natur verachten.*) Die Engländer sind germanischen Ursprunges, die Iren keltischen. Aber auch die Hochlandsschotten und die Walliser gehören der keltischen Familie an und haben die keltische Sprache treuer bewahrt als die Iren. Dennoch hören wir nirgends, daß die Walliser ein eignes Parlament beanspruchten oder dem englischen Nachbar feindlich wären. Der Walliser, auch in den engen Thälern, wo er seine Sprache frei von englischen Einflüssen bewahrt hat, ist stolz, ein Unterthan der Königin Viktoria zu sein, und gedeiht unter dem Schutze des britischen Löwen. Anders die Iren. In Irland ist eine notleidende, unglückliche Bevölkerung, ohne Besitz, von oben bedrückt und von seinen Führern zur Gewaltthat dem Drucke gegenüber aufgereizt. Wales wurde im Jahre 1282 von Edward I. erobert, nachdem Irland schon im Jahre 1169 unterworfen und im nördlichen Teile besiedelt worden war. Zeit genug haben die beiden Länder gehabt, sich an das Neue zu ge¬ wöhnen. Wenn sich Irland noch heute gegen England sträubt und die Treue *) Dieser Aufsatz wird unsern Lesern als Ergänzung zu dem im 19. Hefte: „Erinne¬ rungen aus Irland" willkommen sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/636>, abgerufen am 27.07.2024.