Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Neue Lyrik. Empfindungen wie in kleinen, geistsprühendcn Scherzen. In einem der schönsten [Beginn Spaltensatz] Versteinte Turbantriiger, seid willkommen! Im Düster der Cypressen fast versteckt. Ihr nickt, vom Rausch des Schlafes über¬ nommen. Was ruht ihr nicht ins Grabesmoos gesteckt? Dort unten schlummert und hier oben alles, Zu euern Füßen träumt der träge Hund, Zur Seite ihm die Helden des Verfalles, Fürst Bettler und der König Vagabund. So sieht die Sonne, sieht der Mond sie liegen Im Dämmerduft des immergrünen Baums, Behaglich träumend sich an Tote schmiegen, Den Ernst verträumend dieses Erdentraums. Thut ihnen nach, ihr Steine, legt euch nieder! Bevor des Reiches müdes Aug' entschlief. Dann kommt der Kreuze Zeit, ihr kommt nicht wieder. Geht schlafen! denn die Abendstunde rief. Du aber, jüngster Stein, zu meinen Füßen, [Spaltenumbruch]
Der meinen Blick mit bunten Lettern trifft, An dir laß meiner Neugier Lust mich büßen! Enträtsle mir das Rätsel deiner Schrift! "O Wandrer, alle Höhen gehn zu Grunde. Du Wandrer wirst wie ich, wer du auch bist. Thu keinem Weh die kurze Lebensstunde! Es ist kein Gott, als Gott, der ewig ist." Was bin ich, weiser Stein, vor deiner Wahr¬ heit? Der ich die Jagd nach lachendem Genuß Noch jage durch der Jugend Dämmcrklarheit Und bald als Wild doch selber fallen muß? -- Da plötzlich horch! ein wunderlich Gelächter. -- Bethörte mich dämonisches Geneck? Nein, kleine Tauben, kleine Todsverächtcr, Sie kichern über mir im Laubverstcck. -- "Thu keinem Weh die kurze Lebensstunde Und frage nicht, ob Moslim oder Christ, Mein Herz, das bald verstummt im stillsten Grunde! Es ist kein Gott, als Gott, der ewig ist." Und wieder horch! Ich höre Kinder kommen. [Ende Spaltensatz]
Im Spiele jauchzen sie von Grab zu Grab. -- Du teurer Stein, mir ist die Brust beklommen, Beklommen zuckt in meiner Hand der Stab. Mein Auge ringt empor zur co'gen Helle, Die lachend aus den goldnen Himmeln schwebt. Es strahlt das Meer und purpurn blinkt die Welle, Die Erde strahlt und meine Seele bebt. So wie hier, zeichnet Foy oft in seinen längern Gedichten nebenbei und halb Neue Lyrik. Empfindungen wie in kleinen, geistsprühendcn Scherzen. In einem der schönsten [Beginn Spaltensatz] Versteinte Turbantriiger, seid willkommen! Im Düster der Cypressen fast versteckt. Ihr nickt, vom Rausch des Schlafes über¬ nommen. Was ruht ihr nicht ins Grabesmoos gesteckt? Dort unten schlummert und hier oben alles, Zu euern Füßen träumt der träge Hund, Zur Seite ihm die Helden des Verfalles, Fürst Bettler und der König Vagabund. So sieht die Sonne, sieht der Mond sie liegen Im Dämmerduft des immergrünen Baums, Behaglich träumend sich an Tote schmiegen, Den Ernst verträumend dieses Erdentraums. Thut ihnen nach, ihr Steine, legt euch nieder! Bevor des Reiches müdes Aug' entschlief. Dann kommt der Kreuze Zeit, ihr kommt nicht wieder. Geht schlafen! denn die Abendstunde rief. Du aber, jüngster Stein, zu meinen Füßen, [Spaltenumbruch]
Der meinen Blick mit bunten Lettern trifft, An dir laß meiner Neugier Lust mich büßen! Enträtsle mir das Rätsel deiner Schrift! „O Wandrer, alle Höhen gehn zu Grunde. Du Wandrer wirst wie ich, wer du auch bist. Thu keinem Weh die kurze Lebensstunde! Es ist kein Gott, als Gott, der ewig ist." Was bin ich, weiser Stein, vor deiner Wahr¬ heit? Der ich die Jagd nach lachendem Genuß Noch jage durch der Jugend Dämmcrklarheit Und bald als Wild doch selber fallen muß? — Da plötzlich horch! ein wunderlich Gelächter. — Bethörte mich dämonisches Geneck? Nein, kleine Tauben, kleine Todsverächtcr, Sie kichern über mir im Laubverstcck. — „Thu keinem Weh die kurze Lebensstunde Und frage nicht, ob Moslim oder Christ, Mein Herz, das bald verstummt im stillsten Grunde! Es ist kein Gott, als Gott, der ewig ist." Und wieder horch! Ich höre Kinder kommen. [Ende Spaltensatz]
Im Spiele jauchzen sie von Grab zu Grab. — Du teurer Stein, mir ist die Brust beklommen, Beklommen zuckt in meiner Hand der Stab. Mein Auge ringt empor zur co'gen Helle, Die lachend aus den goldnen Himmeln schwebt. Es strahlt das Meer und purpurn blinkt die Welle, Die Erde strahlt und meine Seele bebt. So wie hier, zeichnet Foy oft in seinen längern Gedichten nebenbei und halb <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0635" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203412"/> <fw type="header" place="top"> Neue Lyrik.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1983" prev="#ID_1982" next="#ID_1984"> Empfindungen wie in kleinen, geistsprühendcn Scherzen. 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Neue Lyrik.
Empfindungen wie in kleinen, geistsprühendcn Scherzen. In einem der schönsten
Gedichte aber auf einen türkischen Friedhof hat er seinen eignen christlich¬
europäischen Stolz gebeugt vor der Erkenntnis der Einheit alles Mensch¬
lichen und Göttlichen.
Versteinte Turbantriiger, seid willkommen!
Im Düster der Cypressen fast versteckt.
Ihr nickt, vom Rausch des Schlafes über¬
nommen.
Was ruht ihr nicht ins Grabesmoos gesteckt?
Dort unten schlummert und hier oben alles,
Zu euern Füßen träumt der träge Hund,
Zur Seite ihm die Helden des Verfalles,
Fürst Bettler und der König Vagabund.
So sieht die Sonne, sieht der Mond sie liegen
Im Dämmerduft des immergrünen Baums,
Behaglich träumend sich an Tote schmiegen,
Den Ernst verträumend dieses Erdentraums.
Thut ihnen nach, ihr Steine, legt euch nieder!
Bevor des Reiches müdes Aug' entschlief.
Dann kommt der Kreuze Zeit, ihr kommt
nicht wieder.
Geht schlafen! denn die Abendstunde rief.
Du aber, jüngster Stein, zu meinen Füßen,
Der meinen Blick mit bunten Lettern trifft,
An dir laß meiner Neugier Lust mich büßen!
Enträtsle mir das Rätsel deiner Schrift!
„O Wandrer, alle Höhen gehn zu Grunde.
Du Wandrer wirst wie ich, wer du auch bist.
Thu keinem Weh die kurze Lebensstunde!
Es ist kein Gott, als Gott, der ewig ist."
Was bin ich, weiser Stein, vor deiner Wahr¬
heit?
Der ich die Jagd nach lachendem Genuß
Noch jage durch der Jugend Dämmcrklarheit
Und bald als Wild doch selber fallen muß? —
Da plötzlich horch! ein wunderlich Gelächter. —
Bethörte mich dämonisches Geneck?
Nein, kleine Tauben, kleine Todsverächtcr,
Sie kichern über mir im Laubverstcck. —
„Thu keinem Weh die kurze Lebensstunde
Und frage nicht, ob Moslim oder Christ,
Mein Herz, das bald verstummt im stillsten
Grunde!
Es ist kein Gott, als Gott, der ewig ist."
Und wieder horch! Ich höre Kinder kommen.
Im Spiele jauchzen sie von Grab zu Grab. —
Du teurer Stein, mir ist die Brust beklommen,
Beklommen zuckt in meiner Hand der Stab.
Mein Auge ringt empor zur co'gen Helle,
Die lachend aus den goldnen Himmeln schwebt.
Es strahlt das Meer und purpurn blinkt die Welle,
Die Erde strahlt und meine Seele bebt.
So wie hier, zeichnet Foy oft in seinen längern Gedichten nebenbei und halb
unbewußt ein Landschaftsbildchen (z. B. in dem herrlichen Liede „Liebesfackel,
leuchte mir"), ein Sittenbild; aber er ist weit davon entfernt, ein lyrischer
Antiquar oder Landschaftsmaler zu sein. Der weitaus größere Teil seiner Ge¬
dichte ist an den allmächtigen Eros in Freude und Trauer gerichtet, denn er
beklagt den Tod der Geliebten und stimmt „Klänge der Sehnsucht" von der
fernen Ostsee nach dem goldigen Süden an. Die letzten zwei Abteilungen seines
Buches bieten Übersetzungen, die man mit aufrichtigem Danke und wahrem Ge¬
nusse lesen kann. Aus dem türkischen Eulenspiegel, Meister Nasfreddin, hat er
einige ergötzliche Proben gebracht: Weisheit unter der Schellenkappe; und aus
der neugriechischen Volkspoesie hat er ein paar Dutzend prächtiger, verliebter
„Tanzklänge" übertragen, vierzeilige Strophen, von demselben poetischen Cha-
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