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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Ricks Lyhne.
I. j). Jacobsen. Roman von
Ans dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

ngefähr ein Jahr lang mochte Frau Boye Ricks' einzige, wirk¬
liche Gefährtin gewesen sein, als diesen ein Brief von seiner
Mutter, der die Nachricht von der lebensgefährlichen Erkrankung
des Vaters enthielt, nach Lönborggaard rief. Als er dort ankam,
war der Vater bereits gestorben.

Es fiel Ricks schwer aufs Herz, fast wie ein Verbrechen, daß er sich in
en letzten Jahren so wenig nach seinem Elternhause gesehnt hatte. Seine Ge¬
anten waren freilich oft dahin geschweift, aber er war nur als Gast dagewesen,
"ut dem Staube andrer Gegenden in seinen Kleidern, mit den Erinnerungen
andrer Stätten in seinem Herzen, er hatte sich nie in namenlosem Heimweh
darnach gesehn wie nach dem lichten Heiligtum seines Lebens, in glühendem
verlangen, den heimatlichen Boden zu kttsfen, unter dem heimatlichen Dache zu
ruhen. Jetzt bereute er diese Untreue, und unter der Last des Kummers em¬
pfand er seine Neue als eine mystische Mitschuld an dem Geschehenen, als hätte
seine Treulosigkeit den Tod des Vaters herbeigeführt. Er Minderte sich immer
von neuem, wie er so ruhig hatte von diesem Heim entfernt leben können, das
es" jetzt mit so seltsamer Macht zu sich hinzog. Sein ganzes Wesen ging in
er Sehnsucht auf, mit der er sich jetzt daran anschmiegte, unruhig darüber,
daß er, so gern er es auch wollte, nicht mit ihm verschmelzen konnte, unglücklich,
daß die tausendfältigen Erinnerungen, die aus jedem Winkel, jedem Busch, aus
den Ton- und Lichtstimmungen, aus tausend Wohlgerüchen, ja selbst aus dem
schweigen ihn ansahen, daß ihn dies alles mit gleichsam zu entfernten Stimmen
nef. die sich nicht in der ganzen Fülle und Schärfe, deren er bedürfte, fassen
"eßen, die nur leise wie das Säuseln der zur Erde fallenden Blätter,




Ricks Lyhne.
I. j). Jacobsen. Roman von
Ans dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

ngefähr ein Jahr lang mochte Frau Boye Ricks' einzige, wirk¬
liche Gefährtin gewesen sein, als diesen ein Brief von seiner
Mutter, der die Nachricht von der lebensgefährlichen Erkrankung
des Vaters enthielt, nach Lönborggaard rief. Als er dort ankam,
war der Vater bereits gestorben.

Es fiel Ricks schwer aufs Herz, fast wie ein Verbrechen, daß er sich in
en letzten Jahren so wenig nach seinem Elternhause gesehnt hatte. Seine Ge¬
anten waren freilich oft dahin geschweift, aber er war nur als Gast dagewesen,
"ut dem Staube andrer Gegenden in seinen Kleidern, mit den Erinnerungen
andrer Stätten in seinem Herzen, er hatte sich nie in namenlosem Heimweh
darnach gesehn wie nach dem lichten Heiligtum seines Lebens, in glühendem
verlangen, den heimatlichen Boden zu kttsfen, unter dem heimatlichen Dache zu
ruhen. Jetzt bereute er diese Untreue, und unter der Last des Kummers em¬
pfand er seine Neue als eine mystische Mitschuld an dem Geschehenen, als hätte
seine Treulosigkeit den Tod des Vaters herbeigeführt. Er Minderte sich immer
von neuem, wie er so ruhig hatte von diesem Heim entfernt leben können, das
es" jetzt mit so seltsamer Macht zu sich hinzog. Sein ganzes Wesen ging in
er Sehnsucht auf, mit der er sich jetzt daran anschmiegte, unruhig darüber,
daß er, so gern er es auch wollte, nicht mit ihm verschmelzen konnte, unglücklich,
daß die tausendfältigen Erinnerungen, die aus jedem Winkel, jedem Busch, aus
den Ton- und Lichtstimmungen, aus tausend Wohlgerüchen, ja selbst aus dem
schweigen ihn ansahen, daß ihn dies alles mit gleichsam zu entfernten Stimmen
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"eßen, die nur leise wie das Säuseln der zur Erde fallenden Blätter,


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[0549] [Abbildung] Ricks Lyhne. I. j). Jacobsen. Roman von Ans dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann. (Fortsetzung.) ngefähr ein Jahr lang mochte Frau Boye Ricks' einzige, wirk¬ liche Gefährtin gewesen sein, als diesen ein Brief von seiner Mutter, der die Nachricht von der lebensgefährlichen Erkrankung des Vaters enthielt, nach Lönborggaard rief. Als er dort ankam, war der Vater bereits gestorben. Es fiel Ricks schwer aufs Herz, fast wie ein Verbrechen, daß er sich in en letzten Jahren so wenig nach seinem Elternhause gesehnt hatte. Seine Ge¬ anten waren freilich oft dahin geschweift, aber er war nur als Gast dagewesen, "ut dem Staube andrer Gegenden in seinen Kleidern, mit den Erinnerungen andrer Stätten in seinem Herzen, er hatte sich nie in namenlosem Heimweh darnach gesehn wie nach dem lichten Heiligtum seines Lebens, in glühendem verlangen, den heimatlichen Boden zu kttsfen, unter dem heimatlichen Dache zu ruhen. Jetzt bereute er diese Untreue, und unter der Last des Kummers em¬ pfand er seine Neue als eine mystische Mitschuld an dem Geschehenen, als hätte seine Treulosigkeit den Tod des Vaters herbeigeführt. Er Minderte sich immer von neuem, wie er so ruhig hatte von diesem Heim entfernt leben können, das es" jetzt mit so seltsamer Macht zu sich hinzog. Sein ganzes Wesen ging in er Sehnsucht auf, mit der er sich jetzt daran anschmiegte, unruhig darüber, daß er, so gern er es auch wollte, nicht mit ihm verschmelzen konnte, unglücklich, daß die tausendfältigen Erinnerungen, die aus jedem Winkel, jedem Busch, aus den Ton- und Lichtstimmungen, aus tausend Wohlgerüchen, ja selbst aus dem schweigen ihn ansahen, daß ihn dies alles mit gleichsam zu entfernten Stimmen nef. die sich nicht in der ganzen Fülle und Schärfe, deren er bedürfte, fassen "eßen, die nur leise wie das Säuseln der zur Erde fallenden Blätter,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/549>, abgerufen am 13.11.2024.