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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Ricks Lyhne.
Z. P. Jacobsen. Roman von
Aus dein Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortschung.)

MKE
M<MWs waren noch nicht viele Wochen verstrichen, als schon Ricks
und Frithjvf eben so häufige Gäste in Frau Boyes Hause
waren wie Erik Restrup. Außer Frau Boyes blasser Nichte
trafen sie hier mit einer Menge junger Leute zusammen, mit an¬
gehenden Dichtern, Malern, Schauspielern und Architekten, kurz
mit Künstlern, deren Hauptvorzug mehr in ihrer Jugend als in hervorragendem
Talent zu liegen schien, die alle aber voller Hoffnung, mutig, kampfbereit waren
und äußerst leicht in Begeisterung gerieten. Es waren unter ihnen wohl einzelne jener
stillen Träumer, die wehmütig nach den entschwundenen Idealen einer entschwun¬
denen Zeit seufzen, aber die Mehrzahl war doch voll von dem, was damals das
Neue war, berauscht von den Theorien des Neuen, verwirrt von der Kraft des
Neuen und geblendet von seiner Morgenröte. Modern waren sie, verbittert
modern, modern bis zur Übertreibung, und vielleicht gerade deswegen, weil sie
in ihrem Innersten eine Sehnsucht empfanden, die sich nicht betäuben ließ, eine
Sehnsucht, die das Neue nicht stillen konnte, so weltengroß es auch sonst war,
alles umfassend, alles beherrschend, alles erleuchtend.

Eins aber war gewiß: in den jungen Seelen herrschte ein stürmischer Jubel,
ein Glaube an die Gestirne großer Geister, eine Hoffnung so weit wie das
Meer, und die Begeisterung trug sie auf Adlerfittigen, und das Herz schwoll
ihnen in tausendfältigen Mut.

Freilich das Leben verwischte späterhin vieles davon, die Weltklugheit that
ihm weitern Abbruch, und die Feigheit ertötete den Nest; aber was that das?
Die Zeit, die im Dienste des Guten verlebt ist, kann keine schlechten Früchte


Grenzboten II. 1333. 43


Ricks Lyhne.
Z. P. Jacobsen. Roman von
Aus dein Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortschung.)

MKE
M<MWs waren noch nicht viele Wochen verstrichen, als schon Ricks
und Frithjvf eben so häufige Gäste in Frau Boyes Hause
waren wie Erik Restrup. Außer Frau Boyes blasser Nichte
trafen sie hier mit einer Menge junger Leute zusammen, mit an¬
gehenden Dichtern, Malern, Schauspielern und Architekten, kurz
mit Künstlern, deren Hauptvorzug mehr in ihrer Jugend als in hervorragendem
Talent zu liegen schien, die alle aber voller Hoffnung, mutig, kampfbereit waren
und äußerst leicht in Begeisterung gerieten. Es waren unter ihnen wohl einzelne jener
stillen Träumer, die wehmütig nach den entschwundenen Idealen einer entschwun¬
denen Zeit seufzen, aber die Mehrzahl war doch voll von dem, was damals das
Neue war, berauscht von den Theorien des Neuen, verwirrt von der Kraft des
Neuen und geblendet von seiner Morgenröte. Modern waren sie, verbittert
modern, modern bis zur Übertreibung, und vielleicht gerade deswegen, weil sie
in ihrem Innersten eine Sehnsucht empfanden, die sich nicht betäuben ließ, eine
Sehnsucht, die das Neue nicht stillen konnte, so weltengroß es auch sonst war,
alles umfassend, alles beherrschend, alles erleuchtend.

Eins aber war gewiß: in den jungen Seelen herrschte ein stürmischer Jubel,
ein Glaube an die Gestirne großer Geister, eine Hoffnung so weit wie das
Meer, und die Begeisterung trug sie auf Adlerfittigen, und das Herz schwoll
ihnen in tausendfältigen Mut.

Freilich das Leben verwischte späterhin vieles davon, die Weltklugheit that
ihm weitern Abbruch, und die Feigheit ertötete den Nest; aber was that das?
Die Zeit, die im Dienste des Guten verlebt ist, kann keine schlechten Früchte


Grenzboten II. 1333. 43
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[0385] [Abbildung] Ricks Lyhne. Z. P. Jacobsen. Roman von Aus dein Dänischen übersetzt von Mathilde Mann. (Fortschung.) MKE M<MWs waren noch nicht viele Wochen verstrichen, als schon Ricks und Frithjvf eben so häufige Gäste in Frau Boyes Hause waren wie Erik Restrup. Außer Frau Boyes blasser Nichte trafen sie hier mit einer Menge junger Leute zusammen, mit an¬ gehenden Dichtern, Malern, Schauspielern und Architekten, kurz mit Künstlern, deren Hauptvorzug mehr in ihrer Jugend als in hervorragendem Talent zu liegen schien, die alle aber voller Hoffnung, mutig, kampfbereit waren und äußerst leicht in Begeisterung gerieten. Es waren unter ihnen wohl einzelne jener stillen Träumer, die wehmütig nach den entschwundenen Idealen einer entschwun¬ denen Zeit seufzen, aber die Mehrzahl war doch voll von dem, was damals das Neue war, berauscht von den Theorien des Neuen, verwirrt von der Kraft des Neuen und geblendet von seiner Morgenröte. Modern waren sie, verbittert modern, modern bis zur Übertreibung, und vielleicht gerade deswegen, weil sie in ihrem Innersten eine Sehnsucht empfanden, die sich nicht betäuben ließ, eine Sehnsucht, die das Neue nicht stillen konnte, so weltengroß es auch sonst war, alles umfassend, alles beherrschend, alles erleuchtend. Eins aber war gewiß: in den jungen Seelen herrschte ein stürmischer Jubel, ein Glaube an die Gestirne großer Geister, eine Hoffnung so weit wie das Meer, und die Begeisterung trug sie auf Adlerfittigen, und das Herz schwoll ihnen in tausendfältigen Mut. Freilich das Leben verwischte späterhin vieles davon, die Weltklugheit that ihm weitern Abbruch, und die Feigheit ertötete den Nest; aber was that das? Die Zeit, die im Dienste des Guten verlebt ist, kann keine schlechten Früchte Grenzboten II. 1333. 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/385>, abgerufen am 13.11.2024.