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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Die (Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens in seiner neuesten Gestaltung.

bauen versteht. Wir glauben zu wissen, daß der Monarch, wie hoch auch sein
berechtigtes Selbstgefühl ihn trägt, diesen Rat immer wert halten und dankbar
annehmen wird, und daß er weit davon entfernt ist, ihn als Anmaßung und
ungebührliche Bevormundung aufzufassen, wie das von seiten gewisser Pre߬
organe in den letzten Tagen wiederholt geschehen oder richtiger geheuchelt worden
ist. Diese dreisten und verlogenen "Hofjakobiner." die mit dem ihnen bei ihrer
Anfeindung des Kanzlers stets geläufigen, ekelerregenden Byzantinertum sich
monarchischer geberden als der ärgste Absolutist, möchten den Ratgeber aus
seiner Stellung eines Dieners des Staates und seines Oberhauptes zu der
eines gebauten- und willenlosen Knechtes des Hofes degradiren, sie machen es
ihm zum Vorwürfe, daß er eine eigne Meinung hat, und nennen es Zwang,
wenn er ihre Befolgung zur Bedingung seines Verbleibens im Amte machte,
während er doch berechtigt und verpflichtet ist, berechtigt seinem Rufe als Staats¬
mann, verpflichtet seinem Vaterlande, seinem Volke und seinem Kaiser gegenüber,
verantwortlich vor der Nation, vor Europa, vor der Geschichte, eine Überzeugung
zu haben und geltend zu machen, wo und so weit ers kann. Ein widerwärtiges
Schauspiel, diese Demokraten im Lvyalitätsfrack!




Die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens
in seiner neuesten Gestaltung.

^"le Öffentlichkeit der gerichtlichen Verhandlungen hat sich in der
öffentlichen Meinung zu einem sogenannten Grundrecht ausge¬
staltet, das von einem freien Volke nicht entbehrt werden könne.
Die Ansichten, ob das gerichtliche Verfahren besser geheim oder
öffentlich sei, haben sich zu Gunsten der letzterwähnten Anschauung
so sehr geklärt, daß es jetzt keiner Regierung oder Partei mehr einfallen würde,
einem heimlichen Verfahren das Wort zu reden. Das eine aber muß zugegeben
werden, daß die Öffentlichkeit kein die Gestaltung des Verfahrens beeinflussender
Grundsatz, sondern nur eine durchaus äußere Einrichtung ist, ohne welche eine sehr
gute Prozedur bestehen kann und durch welche eine mangelhafte Prozeßordnung
nicht gut wird. Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist vielmehr lediglich ein ge¬
schichtliches Ergebnis, welches ganz mit Unrecht eine politische Bedeutung er¬
halten hat. Das Altertum -- das römische wie das deutsche -- kennt nur
ein öffentliches Verfahren, weil die Gerichte Volksgerichte waren, in denen in


Die (Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens in seiner neuesten Gestaltung.

bauen versteht. Wir glauben zu wissen, daß der Monarch, wie hoch auch sein
berechtigtes Selbstgefühl ihn trägt, diesen Rat immer wert halten und dankbar
annehmen wird, und daß er weit davon entfernt ist, ihn als Anmaßung und
ungebührliche Bevormundung aufzufassen, wie das von seiten gewisser Pre߬
organe in den letzten Tagen wiederholt geschehen oder richtiger geheuchelt worden
ist. Diese dreisten und verlogenen „Hofjakobiner." die mit dem ihnen bei ihrer
Anfeindung des Kanzlers stets geläufigen, ekelerregenden Byzantinertum sich
monarchischer geberden als der ärgste Absolutist, möchten den Ratgeber aus
seiner Stellung eines Dieners des Staates und seines Oberhauptes zu der
eines gebauten- und willenlosen Knechtes des Hofes degradiren, sie machen es
ihm zum Vorwürfe, daß er eine eigne Meinung hat, und nennen es Zwang,
wenn er ihre Befolgung zur Bedingung seines Verbleibens im Amte machte,
während er doch berechtigt und verpflichtet ist, berechtigt seinem Rufe als Staats¬
mann, verpflichtet seinem Vaterlande, seinem Volke und seinem Kaiser gegenüber,
verantwortlich vor der Nation, vor Europa, vor der Geschichte, eine Überzeugung
zu haben und geltend zu machen, wo und so weit ers kann. Ein widerwärtiges
Schauspiel, diese Demokraten im Lvyalitätsfrack!




Die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens
in seiner neuesten Gestaltung.

^«le Öffentlichkeit der gerichtlichen Verhandlungen hat sich in der
öffentlichen Meinung zu einem sogenannten Grundrecht ausge¬
staltet, das von einem freien Volke nicht entbehrt werden könne.
Die Ansichten, ob das gerichtliche Verfahren besser geheim oder
öffentlich sei, haben sich zu Gunsten der letzterwähnten Anschauung
so sehr geklärt, daß es jetzt keiner Regierung oder Partei mehr einfallen würde,
einem heimlichen Verfahren das Wort zu reden. Das eine aber muß zugegeben
werden, daß die Öffentlichkeit kein die Gestaltung des Verfahrens beeinflussender
Grundsatz, sondern nur eine durchaus äußere Einrichtung ist, ohne welche eine sehr
gute Prozedur bestehen kann und durch welche eine mangelhafte Prozeßordnung
nicht gut wird. Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist vielmehr lediglich ein ge¬
schichtliches Ergebnis, welches ganz mit Unrecht eine politische Bedeutung er¬
halten hat. Das Altertum — das römische wie das deutsche — kennt nur
ein öffentliches Verfahren, weil die Gerichte Volksgerichte waren, in denen in


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[0172] Die (Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens in seiner neuesten Gestaltung. bauen versteht. Wir glauben zu wissen, daß der Monarch, wie hoch auch sein berechtigtes Selbstgefühl ihn trägt, diesen Rat immer wert halten und dankbar annehmen wird, und daß er weit davon entfernt ist, ihn als Anmaßung und ungebührliche Bevormundung aufzufassen, wie das von seiten gewisser Pre߬ organe in den letzten Tagen wiederholt geschehen oder richtiger geheuchelt worden ist. Diese dreisten und verlogenen „Hofjakobiner." die mit dem ihnen bei ihrer Anfeindung des Kanzlers stets geläufigen, ekelerregenden Byzantinertum sich monarchischer geberden als der ärgste Absolutist, möchten den Ratgeber aus seiner Stellung eines Dieners des Staates und seines Oberhauptes zu der eines gebauten- und willenlosen Knechtes des Hofes degradiren, sie machen es ihm zum Vorwürfe, daß er eine eigne Meinung hat, und nennen es Zwang, wenn er ihre Befolgung zur Bedingung seines Verbleibens im Amte machte, während er doch berechtigt und verpflichtet ist, berechtigt seinem Rufe als Staats¬ mann, verpflichtet seinem Vaterlande, seinem Volke und seinem Kaiser gegenüber, verantwortlich vor der Nation, vor Europa, vor der Geschichte, eine Überzeugung zu haben und geltend zu machen, wo und so weit ers kann. Ein widerwärtiges Schauspiel, diese Demokraten im Lvyalitätsfrack! Die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens in seiner neuesten Gestaltung. ^«le Öffentlichkeit der gerichtlichen Verhandlungen hat sich in der öffentlichen Meinung zu einem sogenannten Grundrecht ausge¬ staltet, das von einem freien Volke nicht entbehrt werden könne. Die Ansichten, ob das gerichtliche Verfahren besser geheim oder öffentlich sei, haben sich zu Gunsten der letzterwähnten Anschauung so sehr geklärt, daß es jetzt keiner Regierung oder Partei mehr einfallen würde, einem heimlichen Verfahren das Wort zu reden. Das eine aber muß zugegeben werden, daß die Öffentlichkeit kein die Gestaltung des Verfahrens beeinflussender Grundsatz, sondern nur eine durchaus äußere Einrichtung ist, ohne welche eine sehr gute Prozedur bestehen kann und durch welche eine mangelhafte Prozeßordnung nicht gut wird. Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist vielmehr lediglich ein ge¬ schichtliches Ergebnis, welches ganz mit Unrecht eine politische Bedeutung er¬ halten hat. Das Altertum — das römische wie das deutsche — kennt nur ein öffentliches Verfahren, weil die Gerichte Volksgerichte waren, in denen in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/172>, abgerufen am 13.11.2024.