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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Die Anfänge der Heeresreform in Preußen
^807 und ^808.

le Niederlagen des Jahres 1806 hatten die völlige Unbrauch¬
barst des damaligen preußischen Heeres, welches im wesentlichen
noch immer die Armee Friedrichs des Großen war, in erschreckender
Weise dargethan. Wenn auch die preußischen Anführer wenig
tauglich gewesen waren, so war doch der Sieg der Franzosen weit
weniger der Überlegenheit ihrer Generale zuzuschreiben, als ihrer von der mili¬
tärischen Technik des achtzehnten Jahrhunderts völlig abweichenden Fechtweise:
gegen ihre Plänklerscharen und tief aufgestellten Angriffskolonnen konnte sich
die preußische Lineartaktik nicht behaupten. Vor allem aber verhalf die Na-
tionalisirung und Demokmtisirung ihres Heeres den Franzosen zum Siege:
in ihren Reihen kämpften nur von Patriotismus begeisterte Männer und nicht
bloß Angehörige der untersten Stände, während die preußische Armee zum guten
Teile aus gewordenen Ausländern bestand und fast gar keine Fühlung mit den
bessern Volksschichten hatte; im französischen Heere war auch zwischen Vorge¬
setzten und Untergebenen keine so tiefe, allem Anscheine nach nie auszufüllende
Kluft wie in dem preußischen; konnte doch jeder, der sich auszeichnete, bis zu
den höchsten Stellen aufsteigen. Es war klar, daß eine Auswetzung der em¬
pfangenen Scharten, eine Abschüttelung des verhaßten Fremdenjoches für Preußen
nur möglich war, wenn die Erfahrungen des letzten Feldzuges nutzbar gemacht,
die neue Gefechtsweise angenommen und vor allem eine innere Umwandlung des
Heeres vollzogen wurde.

Die Notwendigkeit einer Reorganisation der preußischen Armee hatten schon
vor den Niederlagen des Jahres 1806 fähige Offiziere eingesehen und befür¬
wortet, insbesondre hatte Scharnhorst seine Stellung an der Berliner Militär¬
akademie dazu benutzt, auf arge Mißstände hinzuweisen und begründete Neue¬
rungen und Verbesserungen zu empfehlen. Auf ihn vor allem richtete sich daher
das Augenmerk Friedrich Wilhelms III., als dieser in Übereinstimmung mit den
Wünschen der Besten der Nation sich entschloß, die Reorganisation des Heeres
ins Auge zu fassen.




Die Anfänge der Heeresreform in Preußen
^807 und ^808.

le Niederlagen des Jahres 1806 hatten die völlige Unbrauch¬
barst des damaligen preußischen Heeres, welches im wesentlichen
noch immer die Armee Friedrichs des Großen war, in erschreckender
Weise dargethan. Wenn auch die preußischen Anführer wenig
tauglich gewesen waren, so war doch der Sieg der Franzosen weit
weniger der Überlegenheit ihrer Generale zuzuschreiben, als ihrer von der mili¬
tärischen Technik des achtzehnten Jahrhunderts völlig abweichenden Fechtweise:
gegen ihre Plänklerscharen und tief aufgestellten Angriffskolonnen konnte sich
die preußische Lineartaktik nicht behaupten. Vor allem aber verhalf die Na-
tionalisirung und Demokmtisirung ihres Heeres den Franzosen zum Siege:
in ihren Reihen kämpften nur von Patriotismus begeisterte Männer und nicht
bloß Angehörige der untersten Stände, während die preußische Armee zum guten
Teile aus gewordenen Ausländern bestand und fast gar keine Fühlung mit den
bessern Volksschichten hatte; im französischen Heere war auch zwischen Vorge¬
setzten und Untergebenen keine so tiefe, allem Anscheine nach nie auszufüllende
Kluft wie in dem preußischen; konnte doch jeder, der sich auszeichnete, bis zu
den höchsten Stellen aufsteigen. Es war klar, daß eine Auswetzung der em¬
pfangenen Scharten, eine Abschüttelung des verhaßten Fremdenjoches für Preußen
nur möglich war, wenn die Erfahrungen des letzten Feldzuges nutzbar gemacht,
die neue Gefechtsweise angenommen und vor allem eine innere Umwandlung des
Heeres vollzogen wurde.

Die Notwendigkeit einer Reorganisation der preußischen Armee hatten schon
vor den Niederlagen des Jahres 1806 fähige Offiziere eingesehen und befür¬
wortet, insbesondre hatte Scharnhorst seine Stellung an der Berliner Militär¬
akademie dazu benutzt, auf arge Mißstände hinzuweisen und begründete Neue¬
rungen und Verbesserungen zu empfehlen. Auf ihn vor allem richtete sich daher
das Augenmerk Friedrich Wilhelms III., als dieser in Übereinstimmung mit den
Wünschen der Besten der Nation sich entschloß, die Reorganisation des Heeres
ins Auge zu fassen.


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[0109] [Abbildung] Die Anfänge der Heeresreform in Preußen ^807 und ^808. le Niederlagen des Jahres 1806 hatten die völlige Unbrauch¬ barst des damaligen preußischen Heeres, welches im wesentlichen noch immer die Armee Friedrichs des Großen war, in erschreckender Weise dargethan. Wenn auch die preußischen Anführer wenig tauglich gewesen waren, so war doch der Sieg der Franzosen weit weniger der Überlegenheit ihrer Generale zuzuschreiben, als ihrer von der mili¬ tärischen Technik des achtzehnten Jahrhunderts völlig abweichenden Fechtweise: gegen ihre Plänklerscharen und tief aufgestellten Angriffskolonnen konnte sich die preußische Lineartaktik nicht behaupten. Vor allem aber verhalf die Na- tionalisirung und Demokmtisirung ihres Heeres den Franzosen zum Siege: in ihren Reihen kämpften nur von Patriotismus begeisterte Männer und nicht bloß Angehörige der untersten Stände, während die preußische Armee zum guten Teile aus gewordenen Ausländern bestand und fast gar keine Fühlung mit den bessern Volksschichten hatte; im französischen Heere war auch zwischen Vorge¬ setzten und Untergebenen keine so tiefe, allem Anscheine nach nie auszufüllende Kluft wie in dem preußischen; konnte doch jeder, der sich auszeichnete, bis zu den höchsten Stellen aufsteigen. Es war klar, daß eine Auswetzung der em¬ pfangenen Scharten, eine Abschüttelung des verhaßten Fremdenjoches für Preußen nur möglich war, wenn die Erfahrungen des letzten Feldzuges nutzbar gemacht, die neue Gefechtsweise angenommen und vor allem eine innere Umwandlung des Heeres vollzogen wurde. Die Notwendigkeit einer Reorganisation der preußischen Armee hatten schon vor den Niederlagen des Jahres 1806 fähige Offiziere eingesehen und befür¬ wortet, insbesondre hatte Scharnhorst seine Stellung an der Berliner Militär¬ akademie dazu benutzt, auf arge Mißstände hinzuweisen und begründete Neue¬ rungen und Verbesserungen zu empfehlen. Auf ihn vor allem richtete sich daher das Augenmerk Friedrich Wilhelms III., als dieser in Übereinstimmung mit den Wünschen der Besten der Nation sich entschloß, die Reorganisation des Heeres ins Auge zu fassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/109>, abgerufen am 13.11.2024.