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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Russische Skizzen.
von Gelo Raemmel. (Fortsetzung.)

eder war in Oranienbaum, als dies sich vorbereitete, ohne daß er
es ahnte, kaum eine Meile westwärts von Peterhof. Sonderbarer¬
weise führt heute keine Dampferlinie die dicht mit Vororten und
Villendörfern besetzte Küste von Petersburg her entlang, die Schiffe
laufen vielmehr nur direkt von der Hauptstadt oder von Kronstäbe
aus nach den einzelnen Ortschaften. Doch kann, wer es nicht vorzieht, die an¬
mutige kurze Seefahrt uach Oranienbaum zu machen, mit der Eisenbahn oder auf
breiter Landstraße die unbedeutende Strecke zurücklegen. Oranienbaum trägt
im Verhältnis zu Peterhof einen mehr städtischen Charakter. Eine lange, breite
Straße, mit eleganten Bauten besetzt, zieht sich längs des flachen Strandes
hin; erst dahinter auf der Höhe und weiter westlich jenseits des Schlosses be¬
ginnen die "Datschen." Es ist noch dasselbe Schloß, halb versteckt in seinem
Park, obwohl etwas erhöht gelegen, in dein Peter III. zur Abdankung genötigt
wurde, um dann wenige Meilen südwärts in Rvpscha unter den Händen der
Verschwörer elend zu enden, weil er nicht den Mut gefunden hatte, wie der
greise Feldmarschall Mummies ihm riet, die Flotte von Kronstäbe zu rufen,
deren Masten er von seinen Fenstern aus sehen konnte, oder an der Spitze
seiner treuen holsteinischen Garde als Kaiser zu fallen. Heute gehören Schloß
und Park und ein ungeheurer Grundbesitz längs der ganzen ingermannlündischen
Küste der verwitweten Großfürstin Katharina Michajlowna, und niemand denkt
weiter an die Tragödie, die sich hier abgespielt hat, wenn er an dem hohen
Gitter des Schloßparkes vorüberkommt. Eine treffliche Straße führt wenige
hundert Schritte vom Strande entfernt noch etwa sieben Werst weiter westwärts,
eine Strecke lang noch zu beiden Seiten von Villen eingefaßt. Dann treten




Russische Skizzen.
von Gelo Raemmel. (Fortsetzung.)

eder war in Oranienbaum, als dies sich vorbereitete, ohne daß er
es ahnte, kaum eine Meile westwärts von Peterhof. Sonderbarer¬
weise führt heute keine Dampferlinie die dicht mit Vororten und
Villendörfern besetzte Küste von Petersburg her entlang, die Schiffe
laufen vielmehr nur direkt von der Hauptstadt oder von Kronstäbe
aus nach den einzelnen Ortschaften. Doch kann, wer es nicht vorzieht, die an¬
mutige kurze Seefahrt uach Oranienbaum zu machen, mit der Eisenbahn oder auf
breiter Landstraße die unbedeutende Strecke zurücklegen. Oranienbaum trägt
im Verhältnis zu Peterhof einen mehr städtischen Charakter. Eine lange, breite
Straße, mit eleganten Bauten besetzt, zieht sich längs des flachen Strandes
hin; erst dahinter auf der Höhe und weiter westlich jenseits des Schlosses be¬
ginnen die „Datschen." Es ist noch dasselbe Schloß, halb versteckt in seinem
Park, obwohl etwas erhöht gelegen, in dein Peter III. zur Abdankung genötigt
wurde, um dann wenige Meilen südwärts in Rvpscha unter den Händen der
Verschwörer elend zu enden, weil er nicht den Mut gefunden hatte, wie der
greise Feldmarschall Mummies ihm riet, die Flotte von Kronstäbe zu rufen,
deren Masten er von seinen Fenstern aus sehen konnte, oder an der Spitze
seiner treuen holsteinischen Garde als Kaiser zu fallen. Heute gehören Schloß
und Park und ein ungeheurer Grundbesitz längs der ganzen ingermannlündischen
Küste der verwitweten Großfürstin Katharina Michajlowna, und niemand denkt
weiter an die Tragödie, die sich hier abgespielt hat, wenn er an dem hohen
Gitter des Schloßparkes vorüberkommt. Eine treffliche Straße führt wenige
hundert Schritte vom Strande entfernt noch etwa sieben Werst weiter westwärts,
eine Strecke lang noch zu beiden Seiten von Villen eingefaßt. Dann treten


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[0543] [Abbildung] Russische Skizzen. von Gelo Raemmel. (Fortsetzung.) eder war in Oranienbaum, als dies sich vorbereitete, ohne daß er es ahnte, kaum eine Meile westwärts von Peterhof. Sonderbarer¬ weise führt heute keine Dampferlinie die dicht mit Vororten und Villendörfern besetzte Küste von Petersburg her entlang, die Schiffe laufen vielmehr nur direkt von der Hauptstadt oder von Kronstäbe aus nach den einzelnen Ortschaften. Doch kann, wer es nicht vorzieht, die an¬ mutige kurze Seefahrt uach Oranienbaum zu machen, mit der Eisenbahn oder auf breiter Landstraße die unbedeutende Strecke zurücklegen. Oranienbaum trägt im Verhältnis zu Peterhof einen mehr städtischen Charakter. Eine lange, breite Straße, mit eleganten Bauten besetzt, zieht sich längs des flachen Strandes hin; erst dahinter auf der Höhe und weiter westlich jenseits des Schlosses be¬ ginnen die „Datschen." Es ist noch dasselbe Schloß, halb versteckt in seinem Park, obwohl etwas erhöht gelegen, in dein Peter III. zur Abdankung genötigt wurde, um dann wenige Meilen südwärts in Rvpscha unter den Händen der Verschwörer elend zu enden, weil er nicht den Mut gefunden hatte, wie der greise Feldmarschall Mummies ihm riet, die Flotte von Kronstäbe zu rufen, deren Masten er von seinen Fenstern aus sehen konnte, oder an der Spitze seiner treuen holsteinischen Garde als Kaiser zu fallen. Heute gehören Schloß und Park und ein ungeheurer Grundbesitz längs der ganzen ingermannlündischen Küste der verwitweten Großfürstin Katharina Michajlowna, und niemand denkt weiter an die Tragödie, die sich hier abgespielt hat, wenn er an dem hohen Gitter des Schloßparkes vorüberkommt. Eine treffliche Straße führt wenige hundert Schritte vom Strande entfernt noch etwa sieben Werst weiter westwärts, eine Strecke lang noch zu beiden Seiten von Villen eingefaßt. Dann treten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/543>, abgerufen am 17.09.2024.