Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.Eine jährt in den Grient. von Adam von Festenberg. (Fortsetzung.) ^0. Umgebungen. -- Prinzeninseln. -- Abend in Per". '/ .-Ä^ewa zwei Stunden von Konstantinopel liegen, zum Teil in oder Eine jährt in den Grient. von Adam von Festenberg. (Fortsetzung.) ^0. Umgebungen. — Prinzeninseln. — Abend in Per«. '/ .-Ä^ewa zwei Stunden von Konstantinopel liegen, zum Teil in oder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201871"/> </div> <div n="1"> <head> Eine jährt in den Grient.<lb/><note type="byline"> von Adam von Festenberg.</note> (Fortsetzung.) </head><lb/> <div n="2"> <head> ^0. Umgebungen. — Prinzeninseln. — Abend in Per«.</head><lb/> <p xml:id="ID_1071" next="#ID_1072"> '/ .-Ä^ewa zwei Stunden von Konstantinopel liegen, zum Teil in oder<lb/> Kahlheit und unbewohnt, zum Teil mit Terebinthen, Pinien und<lb/> Oliven bewachsen und mit Villen und Gärten geschmückt, ein<lb/> Bild südlicher Fruchtbarkeit und Anmut, die sogenannten Prinzen¬<lb/> inseln, zu denen wir gestern mit unsern hiesigen Freunden auf¬<lb/> brachen. Gewöhnt sich auch das Auge an das Schöne nicht minder wie an das<lb/> Häßliche, so wird es doch niemals satt, wenn man hier den Landeplatz der<lb/> Perabrücke verläßt, weil immer wieder neue Szenen in dem lebhaften Hafen,<lb/> neue Färbungen des Meeres und der Berge, neue Gruppirungen von Häusern<lb/> und Moscheen sich darbieten und neue Gedanken längst vergangner Zeiten herauf¬<lb/> beschworen werden. So wechselvoll war hier das Geschick der Menschen, welche<lb/> an diesen bald lachenden bald öden Ufern wohnten, daß ein Stein oft die Ge¬<lb/> schichte von Nationen erzählt, wie Palimpseste, bei denen eine Handschrift auf die<lb/> andre gesetzt ist. Zur Linken ließen wir den Leanderturm, der jetzt für die<lb/> Schiffe als Signal- und Leuchtstation dient. Wie er zu dem Namen des<lb/> Leander gekommen ist, habe ich trotz aller Nachforschungen nicht ermitteln<lb/> können, da sich der rührende, von Mnsäos und Schiller der Unsterblichkeit über¬<lb/> lieferte Roman von Hero und Leander weiter unten am Hellespont, zwischen<lb/> Abydos und Schlof, abspielte. Aber die Sage der Völker hat sich stets dieses<lb/> kleinen, zwischen Enropa und Asien liegenden Jnselchens bemächtigt und das<lb/> Geschick der Stadt mit dem Schicksal schöner Frauen in Verbindung gebracht.<lb/> An dieser Stelle schwamm die als Kuh verwandelte Jo, welche ihre Liebe zu<lb/> Zeus so schwer zu büßen hatte, durch die Meerenge, um ihr für alle Zeiten den<lb/> Namen zu geben. Eine andre Frau mit ähnlichem Namen (Damelis — Kälbchen)<lb/> — und wer weiß, wie sich diese beiden Ereignisse in einander verflochten haben —,<lb/> die Frau des athenischen Feldherrn Chares, die ihren Mann tapfer in den<lb/> Feldzug gegen Philipp von Makedonien begleitete, hat hier einen frühen Tod<lb/> gefunden. Von ihrem Manne wurde ihr ein Mausoleum auf der Insel gesetzt,<lb/> welchem die dankbaren Byzantiner, denen Chares zu Hilfe geeilt war, eine hohe,<lb/> von einer Kuh gekrönte Säule hinzufügten, vielleicht in doppelter Anspielung<lb/> auf Jo und Damelis. Auch in der türkischen Überlieferung ist die Liebe einer</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0442]
Eine jährt in den Grient.
von Adam von Festenberg. (Fortsetzung.)
^0. Umgebungen. — Prinzeninseln. — Abend in Per«.
'/ .-Ä^ewa zwei Stunden von Konstantinopel liegen, zum Teil in oder
Kahlheit und unbewohnt, zum Teil mit Terebinthen, Pinien und
Oliven bewachsen und mit Villen und Gärten geschmückt, ein
Bild südlicher Fruchtbarkeit und Anmut, die sogenannten Prinzen¬
inseln, zu denen wir gestern mit unsern hiesigen Freunden auf¬
brachen. Gewöhnt sich auch das Auge an das Schöne nicht minder wie an das
Häßliche, so wird es doch niemals satt, wenn man hier den Landeplatz der
Perabrücke verläßt, weil immer wieder neue Szenen in dem lebhaften Hafen,
neue Färbungen des Meeres und der Berge, neue Gruppirungen von Häusern
und Moscheen sich darbieten und neue Gedanken längst vergangner Zeiten herauf¬
beschworen werden. So wechselvoll war hier das Geschick der Menschen, welche
an diesen bald lachenden bald öden Ufern wohnten, daß ein Stein oft die Ge¬
schichte von Nationen erzählt, wie Palimpseste, bei denen eine Handschrift auf die
andre gesetzt ist. Zur Linken ließen wir den Leanderturm, der jetzt für die
Schiffe als Signal- und Leuchtstation dient. Wie er zu dem Namen des
Leander gekommen ist, habe ich trotz aller Nachforschungen nicht ermitteln
können, da sich der rührende, von Mnsäos und Schiller der Unsterblichkeit über¬
lieferte Roman von Hero und Leander weiter unten am Hellespont, zwischen
Abydos und Schlof, abspielte. Aber die Sage der Völker hat sich stets dieses
kleinen, zwischen Enropa und Asien liegenden Jnselchens bemächtigt und das
Geschick der Stadt mit dem Schicksal schöner Frauen in Verbindung gebracht.
An dieser Stelle schwamm die als Kuh verwandelte Jo, welche ihre Liebe zu
Zeus so schwer zu büßen hatte, durch die Meerenge, um ihr für alle Zeiten den
Namen zu geben. Eine andre Frau mit ähnlichem Namen (Damelis — Kälbchen)
— und wer weiß, wie sich diese beiden Ereignisse in einander verflochten haben —,
die Frau des athenischen Feldherrn Chares, die ihren Mann tapfer in den
Feldzug gegen Philipp von Makedonien begleitete, hat hier einen frühen Tod
gefunden. Von ihrem Manne wurde ihr ein Mausoleum auf der Insel gesetzt,
welchem die dankbaren Byzantiner, denen Chares zu Hilfe geeilt war, eine hohe,
von einer Kuh gekrönte Säule hinzufügten, vielleicht in doppelter Anspielung
auf Jo und Damelis. Auch in der türkischen Überlieferung ist die Liebe einer
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