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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die Klagen über die Vernichtung Roms.

Rowa vstust" lui, sha nrmo nov". Rom^ von!idboi-:
ZZruts, rnclsridus oulmen u>1w loro.

Nus dem zwölften Jlihrhundcrt.


cum man so eine Existenz ansieht, die zweitausend Jahre und
darüber alt ist, durch den Wechsel der Zeiten so mannichfaltig
und von Grund aus verändert, und doch noch der alte
Boden, derselbe Berg, ja oft dieselbe Säule und Mauer, und im
Volke noch die Spuren des alten Charakters, so wird man ein
Mitgenosse der großen Ratschläge des Schicksals, und so wird es dem Be¬
trachter von Anfang schwer, zu entwickeln, wie Rom auf Rom folgt, und nicht
allein das neue auf das alte, sondern die verschiednen Epochen des alten und
neuen selbst auf einander. Diese Worte, die Goethe auf der italienischen Reise
am ?. November 1786 niederschrieb und an eine Bemerkung über die Zerstörung
der Herrlichkeiten Roms anknüpfte, werden oft als klassisches Zeugnis angerufen
für die mannichfachen Eindrücke, welche sich dem Fremden, der zum ersten male
den Boden der Stadt betritt, bald unter wehmütig-ernsten, bald unter freudigen
Vetrachtnngen und einer tiefen, innern Befriedigung entgegendrängen. Die hundert
Jahre, die seitdem vergangen sind, haben unter dem Einflüsse bahnbrechender
Entdeckungen und einer tieferen und geklärteren Erkenntnis von dem Wesen und
von der Bedeutung der alten und der neuen römischen Welt das Verständnis
für die vergangenen Zeiten erweitert und zu einem Gemeingute der gebildeten
Welt gemacht. An der Hand der lebendigen Schätze einer großen Kunstwelt
rufen wir uns den Wechsel und die Aufeinanderfolge großer vergangener Zeiten
ins Gedächtnis zurück und freuen uns an dem, was durch die Gunst des Schick¬
sals erhalten wurde; an den Trümmern beklagen wir, was zu Grunde ge¬
gangen ist, und rechten mit dem Barbarismus der Geschlechter, welche dies ver¬
schuldet haben. Freud und Leid berühren sich hier wie selten aufs engste. So
war es wenigstens bisher. Die Zeiten sollen sich aber geändert haben, und der
andächtige und begeisterte Rompilger, der ehedem seine kühnsten Erwartungen
übertroffen sah und unter dem Einflüsse alles dessen, was ihm die ewige Stadt
geboten hatte, als neugeborner Mensch in seine Heimat zurückkehrte, thut dies
jetzt halb unbefriedigt, halb gekränkt darüber, was seine Augen sehen mußten.
So glaubt, so schreibt man. Untergang und Vernichtung Roms -- das sind
die Prophezeiungen, die teilweise schon in Erfüllung gegangen sind, oder mehr
noch in Erfüllung gehen werden.

Die Klagen über den Untergang der alten Denkmäler Roms sind ja nicht


Die Klagen über die Vernichtung Roms.

Rowa vstust» lui, sha nrmo nov». Rom^ von!idboi-:
ZZruts, rnclsridus oulmen u>1w loro.

Nus dem zwölften Jlihrhundcrt.


cum man so eine Existenz ansieht, die zweitausend Jahre und
darüber alt ist, durch den Wechsel der Zeiten so mannichfaltig
und von Grund aus verändert, und doch noch der alte
Boden, derselbe Berg, ja oft dieselbe Säule und Mauer, und im
Volke noch die Spuren des alten Charakters, so wird man ein
Mitgenosse der großen Ratschläge des Schicksals, und so wird es dem Be¬
trachter von Anfang schwer, zu entwickeln, wie Rom auf Rom folgt, und nicht
allein das neue auf das alte, sondern die verschiednen Epochen des alten und
neuen selbst auf einander. Diese Worte, die Goethe auf der italienischen Reise
am ?. November 1786 niederschrieb und an eine Bemerkung über die Zerstörung
der Herrlichkeiten Roms anknüpfte, werden oft als klassisches Zeugnis angerufen
für die mannichfachen Eindrücke, welche sich dem Fremden, der zum ersten male
den Boden der Stadt betritt, bald unter wehmütig-ernsten, bald unter freudigen
Vetrachtnngen und einer tiefen, innern Befriedigung entgegendrängen. Die hundert
Jahre, die seitdem vergangen sind, haben unter dem Einflüsse bahnbrechender
Entdeckungen und einer tieferen und geklärteren Erkenntnis von dem Wesen und
von der Bedeutung der alten und der neuen römischen Welt das Verständnis
für die vergangenen Zeiten erweitert und zu einem Gemeingute der gebildeten
Welt gemacht. An der Hand der lebendigen Schätze einer großen Kunstwelt
rufen wir uns den Wechsel und die Aufeinanderfolge großer vergangener Zeiten
ins Gedächtnis zurück und freuen uns an dem, was durch die Gunst des Schick¬
sals erhalten wurde; an den Trümmern beklagen wir, was zu Grunde ge¬
gangen ist, und rechten mit dem Barbarismus der Geschlechter, welche dies ver¬
schuldet haben. Freud und Leid berühren sich hier wie selten aufs engste. So
war es wenigstens bisher. Die Zeiten sollen sich aber geändert haben, und der
andächtige und begeisterte Rompilger, der ehedem seine kühnsten Erwartungen
übertroffen sah und unter dem Einflüsse alles dessen, was ihm die ewige Stadt
geboten hatte, als neugeborner Mensch in seine Heimat zurückkehrte, thut dies
jetzt halb unbefriedigt, halb gekränkt darüber, was seine Augen sehen mußten.
So glaubt, so schreibt man. Untergang und Vernichtung Roms — das sind
die Prophezeiungen, die teilweise schon in Erfüllung gegangen sind, oder mehr
noch in Erfüllung gehen werden.

Die Klagen über den Untergang der alten Denkmäler Roms sind ja nicht


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[0371] Die Klagen über die Vernichtung Roms. Rowa vstust» lui, sha nrmo nov». Rom^ von!idboi-: ZZruts, rnclsridus oulmen u>1w loro. Nus dem zwölften Jlihrhundcrt. cum man so eine Existenz ansieht, die zweitausend Jahre und darüber alt ist, durch den Wechsel der Zeiten so mannichfaltig und von Grund aus verändert, und doch noch der alte Boden, derselbe Berg, ja oft dieselbe Säule und Mauer, und im Volke noch die Spuren des alten Charakters, so wird man ein Mitgenosse der großen Ratschläge des Schicksals, und so wird es dem Be¬ trachter von Anfang schwer, zu entwickeln, wie Rom auf Rom folgt, und nicht allein das neue auf das alte, sondern die verschiednen Epochen des alten und neuen selbst auf einander. Diese Worte, die Goethe auf der italienischen Reise am ?. November 1786 niederschrieb und an eine Bemerkung über die Zerstörung der Herrlichkeiten Roms anknüpfte, werden oft als klassisches Zeugnis angerufen für die mannichfachen Eindrücke, welche sich dem Fremden, der zum ersten male den Boden der Stadt betritt, bald unter wehmütig-ernsten, bald unter freudigen Vetrachtnngen und einer tiefen, innern Befriedigung entgegendrängen. Die hundert Jahre, die seitdem vergangen sind, haben unter dem Einflüsse bahnbrechender Entdeckungen und einer tieferen und geklärteren Erkenntnis von dem Wesen und von der Bedeutung der alten und der neuen römischen Welt das Verständnis für die vergangenen Zeiten erweitert und zu einem Gemeingute der gebildeten Welt gemacht. An der Hand der lebendigen Schätze einer großen Kunstwelt rufen wir uns den Wechsel und die Aufeinanderfolge großer vergangener Zeiten ins Gedächtnis zurück und freuen uns an dem, was durch die Gunst des Schick¬ sals erhalten wurde; an den Trümmern beklagen wir, was zu Grunde ge¬ gangen ist, und rechten mit dem Barbarismus der Geschlechter, welche dies ver¬ schuldet haben. Freud und Leid berühren sich hier wie selten aufs engste. So war es wenigstens bisher. Die Zeiten sollen sich aber geändert haben, und der andächtige und begeisterte Rompilger, der ehedem seine kühnsten Erwartungen übertroffen sah und unter dem Einflüsse alles dessen, was ihm die ewige Stadt geboten hatte, als neugeborner Mensch in seine Heimat zurückkehrte, thut dies jetzt halb unbefriedigt, halb gekränkt darüber, was seine Augen sehen mußten. So glaubt, so schreibt man. Untergang und Vernichtung Roms — das sind die Prophezeiungen, die teilweise schon in Erfüllung gegangen sind, oder mehr noch in Erfüllung gehen werden. Die Klagen über den Untergang der alten Denkmäler Roms sind ja nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/371>, abgerufen am 27.06.2024.